20,8 Prozent holte die AfD in Sachsen-Anhalt und damit 3,4 Prozent weniger als vor fünf Jahren. Das sei ein Ergebnis mit Licht und Schatten, so Jörg Meuthen. Auf der einen Seite habe sich seine Partei mit über 20 Prozent der Stimmen im politischen Spektrum fest etabliert, auf der anderen Seite habe man 16 Prozent Abstand zur Union und sei damit weit unter den Möglichkeiten geblieben.
"Angesichts der unübersehbar desolaten Verfassung unserer politischen Konkurrenten, insbesondere der Union, wäre da für meine Begriffe auch mehr erreichbar gewesen", befand der Co-Vorsitzende der Partei.
Ob der scharfe Rechtskurs von Fraktionschef Oliver Kirchner seiner Partei geschadet habe, will Jörg Meuthen im Nachgang in Ruhe analysieren. Reiner Haseloff hätte auf jeden Fall seine Stärken ausspielen können, weil er keine "von den Wählern empfundene bürgerliche Konkurrenz" hatte, und weil die AfD als sehr weit rechts wahrgenommen worden sei, was laut Meuthen allerdings auch von den Medien gesteuert worden sei.
Das vollständige Interview im Wortlaut:
Jörg Münchenberg: Herr Meuthen, die AfD hat verloren, steht bei 20,8 Prozent, bleibt aber wie gehört zweitstärkste Kraft in Sachsen-Anhalt. Hätten Sie trotzdem mehr erwartet?
Jörg Meuthen: Ja. Sagen wir mal so: Das Wahlergebnis hat Licht und Schatten. Klar ist, wir sind solide über 20 Prozent, und es zeigt sich, wir sind fest etabliert im politischen Spektrum. Wir sind zweitstärkste Kraft mit sehr deutlichem Abstand. Das ist das Positive.
Aber wo Licht ist, ist auch Schatten. Wir haben 3,5 Prozent weniger als bei der letzten Wahl. Wir haben 16 Prozent Differenz zur Union. Das hatten wir uns sicherlich anders vorgestellt. Das Ziel ist nicht erreicht. Wir sind da unter den Möglichkeiten geblieben. Das gehört zur Wahrheit auch dazu. Licht und Schatten, beides!
"Meine Partei bewegt sich in der Blase der Zustimmer"
Münchenberg: Sie sagen, Licht und Schatten. Wie fällt Ihre Analyse aus? Hat der Rechtskurs unter AfD-Fraktionschef Oliver Kirchner in Sachsen-Anhalt der Partei geschadet?
Meuthen: Ich glaube, meine Partei bewegt sich damit in der Blase der Zustimmer, die sie sowieso hat. Klar, das Ergebnis ist respektabel, wie gesagt. Aber angesichts der unübersehbar desolaten Verfassung unserer politischen Konkurrenten, insbesondere der Union, wäre da für meine Begriffe auch mehr erreichbar gewesen, ein deutlich stärkeres Ergebnis. Das war ja auch, sind wir ehrlich, angestrebt. Wenn man 24,3 als Ausgangslage hat, hat so schwache Gegner, wie wir hatten, dann ist 20,8 Prozent nicht das, was man sich vorstellt. Wir sind da unter den Möglichkeiten geblieben.
Münchenberg: Nun gehört Kirchner ganz klar zum rechten Flügel der Partei, hat die sogenannte Erfurter Resolution von 2015 unterzeichnet. Die gilt ja als Gründungsurkunde des Flügels. Hat das am Ende auch die Wähler abgeschreckt?
Meuthen: Das müssen wir analysieren. Wir werden jetzt wie immer eine Nachwahlbefragung machen und werden uns das anschauen. Das ist jetzt eigentlich ein bisschen zu früh, um darüber Sicheres auszusagen. Meine Meinung ist tatsächlich die – das wird Sie von mir nicht überraschen -, dass ein stärkeres in die Mitte rücken, ein weniger krasser Protestkurs erfolgversprechender gewesen wäre. So konnte Herr Haseloff eigentlich seine Stärken ausspielen, weil er keine wirklich empfundene, von den Wählern empfundene bürgerliche Konkurrenz hatte, weil die AfD dann – zum Teil ist das natürlich auch ein Framing, das von den Medien und anderen gemacht wird; zum Teil ist es aber auch so – als sehr weit rechts wahrgenommen wird, wo die Bürger dann sagen, da sind wir vorsichtig, da wollen wir nicht hin. Das müssen wir uns genauer anschauen. Das werden wir analysieren.
Diskrepanzen zwischen Ost und West
Münchenberg: Sie sagen Framing der Medien. Fakt ist auch, dass die AfD in Sachsen-Anhalt vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Meuthen: Auch ein Framing.
Münchenberg: Das ist aber trotzdem eine Tatsache. – Die Frage ist trotzdem nach wie vor: Bleibt die AfD im Osten eine starke Kraft in allen ostdeutschen Bundesländern? Wie groß ist die Gefahr, dass die AfD am Ende eine Partei des Ostens wird, im Westen aber eher kaum eine Rolle spielt?
Meuthen: Das ist eine Frage der Kursbestimmung. Ich glaube, dass mit dem Kurs, mit dem sie im Osten durchaus erfolgreich fährt – man kann ja nicht übersehen, dass sie im Osten viel erfolgreicher ist als im Westen -, dass man aber mit dem Kurs in westlichen Bundesländern wahrscheinlich nicht erfolgreich wäre. Das ist etwas, was gerne übersehen wird. Wenn wir jetzt mit den Protagonisten und auch mit den inhaltlichen Aussagen in Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz an den Start gehen, dann wird da nicht das rauskommen, was in Sachsen-Anhalt und Sachsen rauskommt. Das muss man sehen und ich glaube, das wollen einige nicht sehen. Die sagen dann, wenn das im Osten klappt, dann muss das eins zu eins so auch im Westen klappen. Dem ist nicht so.
Münchenberg: Aber trotzdem stellt sich die Frage, wie will die AfD diesen Spagat hinbekommen. Auf der einen Seite kommt sie an mit ihrer Botschaft im Osten, aber im Westen nicht. Zum Beispiel auch bei den letzten Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg musste die AfD ja klare Stimmverluste hinnehmen. Das ist doch ein Spagat, den die Partei vielleicht gar nicht leisten kann.
Meuthen: Ja, aber das ist ja kein isoliertes Problem der AfD. Schauen Sie, das haben andere Parteien auch. Nehmen wir die Grünen, die kommen hier um die sechs Prozent raus und die sind in Baden-Württemberg die Partei, die die Regierung stellt unter Ministerpräsident Kretschmann, mit deutlichem Abstand stärkste Kraft geworden. Und da sehen Sie, dass dieser Spagat für andere Parteien – ich habe nur exemplarisch die Grünen genannt; gilt für andere Parteien auch – überall so ist. Man muss doch tatsächlich auch bereit sein als Partei, wenn man sich als Volkspartei verstehen will, regional unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen und Akzentuierungen zu setzen. Das ist selbstverständlich und das ist eine Aufgabe, vor der alle Parteien stehen. Wir auch!
"Wir sollten einen mittigen, konstruktiven Kurs fahren"
Münchenberg: Herr Meuthen, Sie werben - das haben Sie auch eben noch mal gesagt – für einen Kurs in Richtung Mitte auch für die AfD. Aber Fakt ist, Sie können sich da in der AfD selbst nicht durchsetzen. Die Spitzenkandidaten, da haben Ihre eigenen Kandidaten auch nicht punkten können für die Bundestagswahl. Insofern finden Ihre Mahnungen ja in der AfD eigentlich kaum Gehör.
Meuthen: Ja, das ist eine offene Geschichte. Das oszilliert hin und her. Ich sehe da durchaus auch, wo sie Gehör finden. Ich sehe aber auch, wo es nicht funktioniert. Das ist die Frage einer Richtungsbestimmung, einer Positionierung in einer Partei, und das ist ein ganz normaler demokratischer Wettbewerb, der da stattfindet, um die richtige Positionierung. Ich habe da meine Überzeugung, dass wir mit einem mittigen, auch weniger auf Protest ausgerichteten, sondern konstruktiveren Kurs fahren sollten. Das sehen andere anders, die eher fundamentaloppositionell angelegt sind. Das sind Diskussionen, wie sie in Parteien stattfinden. Wir führen diesen Diskurs sehr offen. Was sich da schließlich durchsetzt, ist am Ende offen.
Münchenberg: Trotzdem ist die Frage, mit welchen Thema will die AfD jetzt im Bundestagswahlkampf punkten. Das Thema Corona, das war auch in Sachsen-Anhalt durchaus zentral, dürfte im Verlauf des Sommers mehr oder weniger an Bedeutung abnehmen. Die Frage ist schon: Wo will, wo kann die AfD punkten bei den Bundestagswahlen?
Meuthen: Ich glaube, dass Ihre Analyse richtig ist. Corona wird es nicht mehr so stark prägen, wie es das jetzt die ganze Zeit getan hat, weil hier das Abebben Gott sei Dank doch sehr, sehr deutlich ist. Dafür werden die anderen Probleme in den Vordergrund kommen, die daraus hervorgegangen sind, insbesondere die wirtschaftspolitische Problematik, und die anderen Parteien werden sehr stark versuchen, Klima- und Umweltpolitik in den Vordergrund zu stellen. Das ist uns gar nicht unrecht, weil sie nämlich da sehr, sehr große Fehler begehen. Darauf werden wir eingehen und da werden wir zeigen, dass die Grünen, die sogenannten Grünen, sage ich immer, keineswegs so grün und ökologisch sind, wie sie dastehen, sondern sehr, sehr sozialistische Positionen vertreten, sehr stark auf krude Umverteilung basierende Positionen, mehr Staatpositionen vertreten. Das kann unsere Position nicht sein. Wir haben eigene klima- und umweltpolitische Vorstellungen. Wir werden uns darauf einlassen und wir werden insbesondere auch den Finger in die wirtschaftspolitischen Wunden legen. Denn was da angerichtet wurde, ist sowohl für die staatlichen Finanzen ein finanzpolitisches Thema als auch für die vielen, vielen Unternehmen, die so hart getroffen wurden, katastrophal.
Münchenberg: Wenn man trotzdem auf die Umfragen schaut: Die AfD bleibt zwischen neun und zwölf Prozent auf Bundesebene. Das heißt, auch trotz der scharfen Kritik an der Corona-Politik der Regierung kann die Partei nicht punkten. Wenn jetzt noch dieses Thema wegfällt, dann wird es doch für die AfD deutlich schwieriger, da noch mit anderen Themen bei den Wählern zu punkten.
Meuthen: Wir haben ja glücklicherweise andere Themen und sind bei diesen Themen auch nicht schlecht aufgestellt. Ganz im Gegenteil! Wir müssen aber nur auch mit konstruktiven Vorschlägen kommen. Es reicht nicht, den Finger in die Wunde zu legen und zu sagen, das machen die falsch, sondern wir müssen immer auch aufzeigen, was konkret, ganz konkret wollen wir hier und da anders und besser machen. Das ist uns aufgetragen und in dem Maße, wie wir das erfolgreich tun , werden wir auch erfolgreich sein. Da bin ich ganz sorglos.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.