Landtagswahl in Thüringen
Die Regierungsbildung wird ein Kraftakt

Nach der Landtagswahl dürfte die Bildung einer Regierungskoalition in Erfurt kompliziert werden. Ohne das BSW ist keine Mehrheit möglich. Wahlentscheidend waren unter anderem große Sorgen der Bürger.

    Geht als Sieger aus der Thüringen-Wahl hervor: Björn Höcke, Partei- und Fraktionsvorsitzender der Thüringer AfD.
    Landtagswahl in Thüringen (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Rund 1,66 Millionen Bürger waren bei der Landtagswahl in Thüringen zur Stimmabgabe aufgerufen. Das Ergebnis ist der erwartete Paukenschlag: Die AfD geht als stärkste Kraft aus der Wahl hervor. Für die Ampel-Parteien ist der Wahlausgang ein Debakel.

    Inhalt

    Wie haben die Parteien abgeschnitten?

    In Thüringen ist die AfD erstmals bei einer Landtagswahl stärkste Kraft geworden. Der vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte Landesverband landete bei der Abstimmung laut Hochrechnungen von ARD und ZDF deutlich vor der CDU.
    Die Linke verzeichnete dramatische Verluste und landete auf Platz vier, noch hinter dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).
    Die SPD steuert auf ihr bislang schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl in der Bundesrepublik zu. Grüne und FDP verpassten den Wiedereinzug in den Erfurter Landtag. Am selben Tag wurde auch in Sachsen ein neuer Landtag gewählt. 
    Die AfD befand sich seit Monaten in Thüringen in einem Umfragehoch. Sie lag deutlich vor der CDU, gefolgt vom BSW und der Linkspartei. Laut Hochrechnung hat die AfD in Thüringen ein Drittel der Mandate erreicht. Damit hätte sie in wichtigen Fragen eine sogenannte Sperrminorität und könnte zum Beispiel Richterwahlen blockieren.
    Experten hatten im Vorfeld der Wahl gewarnt, dass dies zur Dysfunktionalität des Landesverfassungsgerichts führen könnte. Vorschläge zur Stärkung der Justiz in Thüringen wurden bisher allerdings nicht umgesetzt.
    Auch wenn die AfD in Erfurt nicht mitregiert: Dass die Partei wohl ein Drittel der Sitze im Landesparlament erreichen kann, ist für den Politikwissenschaftler Thorsten Faas ein „kleinen Schritt für zu mehr Einfluss“. Man habe in anderen Bundesländern schon gesehen, dass genau solche Konstellationen Kompromissfindung erzwingen würden.

    Welche Koalitionen sind möglich?

    Mit dem Wahlergebnis steht Thüringen vor einer äußerst schwierigen Regierungsbildung. Die rot-rot-grüne Minderheitsregierung wurde klar abgewählt. Mit der AfD will nach bisherigen Aussagen niemand auf Landesebene zusammenarbeiten. Jede andere denkbare Regierung – etwa unter Führung der CDU – wäre im Landtag auf die Unterstützung des BSW angewiesen.

    Welche Themen spielten im Wahlkampf eine Rolle?

    Bei der Wahl spielten offenbar wachsende Sorgen der Bürger eine große Rolle. Laut einer Umfrage von infratest dimap fürchten 81 Prozent der Thüringer, dass die Kriminalität massiv zunimmt. Fast drei Viertel sorgen sich, dass der Islam in Deutschland zu stark wird. Dass zu viele Fremde nach Deutschland kommen, sagen zwei Drittel der Befragten.
    Eine klare Mehrheit findet, dass die Unterstützung der Ukraine mit Waffen zu weit geht. Dahinter steht die Sorge, dass Deutschland in den Ukrainekrieg hineingezogen werden könnte. Ökonomische Sorgen treiben 57 Prozent der Befragten um. Wahlentscheidend waren demnach die Themen soziale Sicherheit, Zuwanderung, Kriminalität, innere Sicherheit und wirtschaftliche Entwicklung.
    Hinzu kommt, dass viele Thüringer laut Umfragen sowohl mit der Bundes- als auch mit ihrer rot-rot-grünen Landesregierung unzufrieden sind. Laut dem repräsentativen Thüringen-Monitor 2023 vertrauen nur etwa 17 Prozent der Bundesregierung, nur etwa 30 Prozent der Landesregierung. Dies führt auch dazu, dass immer mehr Menschen nach politischen Alternativen suchen. Der Thüringen-Monitor zeigt zudem eine Zunahme rechtsextremer Einstellungen auf 19 Prozent.
    An den Wahlkampfständen in Thüringen verfingen daher die Themen Asyl und Migration. Die AfD stieß mit ihrem Thema „Zuwanderung steuern und begrenzen“ auf offene Ohren.
    Im Wahlkampf präsentierte AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke zudem einen heftig diskutierten Fünf-Punkte-Plan für den Umbau Thüringens. Dort kündigte er unter anderem an, den Klimaschutz zu beenden, die Medienstaatsverträge zu kündigen und Fördermittel gegen Rechtsextremismus und für Demokratie und Vielfalt zu streichen.
    Das BSW konnte wohl unter anderem damit punkten, keine Waffen an die Ukraine liefern zu wollen. Allerdings werden Fragen von Waffenlieferungen gar nicht auf Landesebene, sondern auf Bundesebene entschieden.

    Was bedeutet das Wahlergebnis für die Bundespolitik?

    Politische Beobachter bewerten den Wahlausgang als derbe Klatsche für die Ampel-Koalition. Dennoch dürfte bei der SPD-Parteizentrale in Berlin der Wahlausgang hinter den Kulissen für einige Erleichterung gesorgt haben. Im Vorfeld war spekuliert worden, dass die Partei den Einzug in das thüringische und sächsische Landesparlament verfehlen könnte. Ein solches Ergebnis hätte auch für Olaf Scholz in der K-Frage gefährlich werden können.
    Bei der CDU ändert sich durch den Wahlausgang in der Kandidaten-Frage wohl nicht viel. Friedrich Merz steht in der Union weiterhin an der „Poleposition“.
    Die Erfolge der AfD in Thüringen und Sachsen dürften nach Einschätzung von Beobachtern zu einer weiteren Normalisierung der Partei führen. Mit dem guten Abschneiden des BSW schreitet die Zersplitterung der Parteienlandschaft weiter voran.
    tmk