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Landtagswahl
"Wahlkampf in Bayern war für die SPD schon immer schwierig"

Die CSU schwächelt. Doch davon kann die Bayern-SPD nicht profitieren. In den Umfragen zur Landtagswahl am 14. Oktober ist sie weit abgeschlagen. Der SPD-Abgeordnete Florian Ritter bekommt im Wahlkampf vor allem den Frust der Menschen über die Bundespolitik zu spüren.

Von Barbara Roth |
    Der Abgeordnete der SPD im bayerischen Landtag, Florian Ritter, bei einer Demonstration gegen das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz
    Steigende Mieten in München – das ist im Wahlkampf das wichtigste Thema des bayerischen SPD-Landtagsabgeordneten Florian Ritter (picture alliance/ZUMA Press)
    "Die Bank dazu zum Ratschen… "
    Samstagvormittag in Pasing, einem Vorort von München. Auf dem Gehsteig vor dem Wochenmarkt baut das Team des örtlichen SPD-Landtagskandidaten Florian Ritter den Wahlkampfstand auf: Ein Tisch, zwei Stühle.
    "Das ist der rote Küchentisch. Also eigentlich ist er rot-weiß kariert, mit Tischdecke und allem Drum und Dran. Den nehme ich bei den ganzen Infoständen mit. Das soll halt die Einladung sein, sich auch mal hinzusetzen, auch mal über die Themen zu reden, die die Leute bewegen. Und einfach ins Gespräch zu kommen."
    Ritters Stimmkreis ist CSU-Hochburg
    Seit 15 Jahren sitzt Ritter für die SPD im bayerischen Landtag. Einfach war es für ihn im Münchner Westen nie. Sein Stimmkreis gilt als CSU-Hochburg. Und für die tritt hier mit Josef Schmid lokale Prominenz an. Schmid ist Bürgermeister in München und macht mit dem griffigen Slogan "Bayern.München" für sich Werbung, der soll natürlich an den FC Bayern München erinnern. Und auch die Grünen wuchern mit einem bekannten Gesicht: Ex-Bürgermeister Hep Monatzeder, für den ausgerechnet der populäre Ex-Oberbürgermeister Christian Ude in den Wahlkampf zieht. Eigentlich Ritters Parteifreund, doch Ude liegt mit seiner SPD über Kreuz.
    "Grüß Morgen, darf ich mich bei Ihnen vorstellen?
    "Wir wählen die Richtigen."
    "Sie wählen die Richtigen? Gut. Schönes Wochenende wünsche ich Ihnen."
    Wahlplakat des bayerischen SPD-Landtagsabgeordneten Florian Ritter
    Ein Wahlplakat von Florian Ritter in München - kein einfaches Pflaster für die SPD (Deutschlandradio/ Barbara Roth)
    Kompliziertes Wahlrecht
    Ritter hat keine Chance auf das Direktmandat. Auch auf seinen vierten Platz auf der Liste der Oberbayern-SPD kann sich der 56-Jährige nicht verlassen. Das bayerische Wahlrecht ist kompliziert: Die Hälfte der 180 Parlamentssitze wird an die besten Stimmkreiskandidaten, der Rest an die Listenkandidaten der Parteien vergeben. Überhang- und Ausgleichsmandate können hinzukommen.
    "Ich habe mir es nicht ausgerechnet, wie viele ich brauche. Weil am Ende der Wahl werden die Erst- und Zweitstimmen der Kandidaten zusammengezählt und dann wird die Liste nochmal neu sortiert."
    Knapp 20.000 Stimmen konnte Ritter 2013 für sich verbuchen. Er war einer von 42 SPD-Kandidaten, die nach der letzten Landtagswahl ins Maximilianeum einzogen. Damals aber kam die SPD bayernweit auf 20,6 Prozent der Stimmen. Seitdem geht es in den Umfragen nur noch steil bergab.
    SPD kommt laut Umfragen nur auf elf Prozent
    "Darf ich Ihnen das mitgeben? Da sind auch meine Kontaktdaten drauf, wenn Sie mal Fragen haben oder ein Anliegen."
    "Ja, ein bisschen mehr Gas geben."
    "Ja, bei den Themen, die wir hier in München haben – Miete, Verkehr – geben wir ziemlich Gas im Augenblick."
    "Ja? Dann kommt es aber nicht so an bei den Leuten. Ihr braucht eine bisschen bessere Öffentlichkeitsarbeit. Momentan sieht es echt garch aus."
    Mies sieht es aus für die bayerische SPD, heißt das grob übersetzt. In den jüngsten Wahlumfragen kommt sie auf nur noch elf Prozent der Stimmen. Auch die regierende CSU verliert den Umfragen zufolge dramatisch an Zustimmung – doch davon profitieren Grüne, AfD und Freie Wähler. Nur die SPD nicht.
    "Ich war, das muss ich ganz ehrlich sagen, ein Schröder-Anhänger. Durch dessen Reformen hat sich schon was getan, so ist das nicht."
    "Man darf auch nicht alles schlecht mache. Es sind auch Fehler gemacht worden."
    "Die SPD hat die Arbeit gemacht. Und CDU/CSU haben sie gewählt im vorigen Jahr."
    "Ja."
    Geradestehen für die Bundespolitik
    Die SPD verkaufe sich schlecht. Die erneute Große Koalition sei ein Fehler. Man wisse nicht, für welche Themen die Sozialdemokratie noch stehe. Solche Vorwürfe der Passanten muss sich Florian Ritter an diesem Vormittag immer wieder anhören. Er, der Landespolitiker, muss geradestehen für die Politik der SPD auf Bundesebene. Hartz IV, Braunkohle, Flüchtlingskrise, die Causa Maaßen - die Sozialdemokratie scheint bei vielen Themen enttäuscht zu haben:
    "Ich bin ein SPDler. Aber viele sind weg seit der Flüchtlingskrise. Das ist dermaßen ein Problem."
    "Wir brauchen die Ausländer, das weiß ich, so blöd bin ich nicht. Aber das immer mehr geht auch nicht."
    "Es ist völlig klar, man braucht Regeln. Die Leute müssen sich integrieren."
    "Ja, das ist ja sehr schwierig."
    "Das ist nicht immer einfach, da gebe ich Ihnen völlig Recht. Aber die Wohnungsnot wäre in München nicht kleiner, wenn die nicht da wären. Auch der Verkehr wäre nicht weniger, wenn die nicht da wären."
    "Eine Erfahrung, die man macht als Sozialdemokrat in Bayern"
    Florian Ritter hört geduldig zu, redet viel, räumt Fehler ein, verteidigt seine SPD. Er sei froh über jeden, der mit ihm diskutieren will. Nicht alle Gespräche seien angenehm, sagt er später. Wie er sich motiviert? Er zupft an seiner hellbraunen Trachtenjacke, er zögert, atmet tief durch:
    "Also eigentlich muss ich mich gar nicht motivieren, weil Wahlkampf ist in Bayern für die SPD immer schwierig gewesen in den letzten 20 Jahren. Man muss kämpfen, man hat es als SPD auch schon ein bisschen in die Wiege gelegt bekommen. Das ist so eine Erfahrung, die man als Sozialdemokrat halt macht in Bayern."
    Wohnunsmarkt als wichtigstes SPD-Thema in München
    Gegen steigende Mieten und Luxussanierungen wird an diesem Samstagnachmittag Mitte September in München protestiert. 10.000 Menschen ziehen durch die Innenstadt. Auch Florian Ritter läuft mit. Seine Trachtenjacke hat er jetzt gegen ein leuchtend rotes Jacket eingetauscht. Steigende Mieten in München – das ist im Wahlkampf sein wichtigstes Thema. Dagegen kämpft er an und hofft er, beim Wähler damit punkten zu können:
    "Die Idee mit der Mietpreisbremse, die kam aus der Münchner SPD. Da haben sie uns am Anfang in Berlin den Vogel gezeigt. Wir haben es durchgesetzt."
    Noch gut drei Wochen lang muss der SPD-Landtagskandidat aus München-Pasing zittern. Und Florian Ritter weiß, am 14. Oktober könnte seine politische Karriere beendet sein. Und dann? Er schüttelt energisch mit dem Kopf. Darüber will und wird er vor dem Wahltag nicht nachdenken:
    "Ich habe die Leute nie verstanden, die immer der Meinung waren, wenn sie erst mal ein Mandat haben, dass ihnen das dann von Amtswegen zusteht. Demokratie heißt auch, sich regelmäßig zur Wahl zu stellen. Mit einem hohen Risiko, auch persönlich rausfallen zu können."