Der Ministerpräsident und seine Finanzministerin spielen Schalmei. Sie probieren es zumindest. Bodo Ramelow von den Linken und Heike Taubert von der SPD haben jedoch ganz anders als in diesem dissonanten Versuch in den vergangenen fünf Jahren nahezu geräuschlos harmoniert. Mit nur einer Stimme Mehrheit im Parlament hat Rot-Rot-Grün einen Gutteil des Koalitionsvertrages abgearbeitet. Gelegentlich hört man im Land den Satz: "Es ist alles wie früher – nur ohne CDU." Bodo Ramelow gibt sich als Landesvater geradezu präsidial überparteilich.
"Das war meine Vorstellung, dass ich es schaffe, tatsächlich mit einer kommunikativen Art auf Menschen zuzugehen, den jeweiligen Menschen zu wertschätzen und nicht nach Parteibüchern zu gucken. Und genau das hat am Ende auch die Bestätigung gebracht. Und ich möchte genau das sein, nämlich ein Ministerpräsident zum Anfassen und keiner, der Parteibücher erläutert oder Parteiprogramme runterdekliniert."
Ramelow umarmt einfach jeden: Seine Koalitionspartner, die Wirtschaft, 100-Jährige im Pflegeheim, die Bauern, die Freiwillige Feuerwehr, Bundes-Innenminister Seehofer – den er duzt –, und auch den Thüringer Oppositionsführer, Mike Mohring von der CDU.
"Mit Herrn Mohring unterhalte ich mich immer gerne, mit ihm gehe ich auch ab und zu mal wandern." Sagte Ramelow im Spitzenduell im MDR. Mohring hörte versteinert zu und konnte sich nicht gegen die rhetorische Umarmung wehren. Ein einziges Mal seien sie zusammen wandern gewesen; daraus eine Nähe abzuleiten wäre absurd, erzählt er später. Und verweist darauf, dass die Parteivorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, eine ganz andere Kampagne fährt:
"Die Losung ist: "Ramelow oder Barbarei!" Schaffen wir es nicht, dann weiß ich nicht, wo uns das hinführt."
Und auch wenn Susanne Hennig-Wellsow damit darauf anspielen will, dass sie den Versprechen der CDU, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten, nicht traut, auch wenn Bodo Ramelow selbst nicht mit dem Slogan wirbt, so sind viele Linke in Thüringen mit einem "Bodo oder Barbarei"-Beutel unterwegs. Mike Mohring ist nicht amüsiert.
"Ich finde das stillos und für einen Wahlkampf nicht angemessen. Weil die Auseinandersetzung findet statt zwischen CDU und Linker und zwischen Bodo Ramelow und Mike Mohring. Und wenn die Alternative heißt "Bodo oder Barbarei", dann ist das ein Angriff auf uns und stellt uns abseits der Demokraten auf, und dagegen wehre ich mich. Ich finde das höchst unanständig."
"Ramelow kneift", sagt Mohring dann in einem Interview, weil der Linke ein Fernsehduell kurzfristig abgesagt hat. Aber gerade dafür ist der Linke eben nicht bekannt. Eher dafür, dass er keinem Streit aus dem Wege geht, wenn er auf Sommertour durch den Thüringer Wald auf protestierende Waldbesitzer stößt, die sich gegen die Stilllegung von Waldflächen wehren wollen. Dann ist es vorbei mit dem alle umarmenden Landesvater-Image.
"Ja, wir haben die ersten Verabredungen mit dem Bauern sobald die Ernte rum ist."
"Ja, sie schütteln den Kopf. Das hat doch mit der Wahl nix zu tun. Der Wald verreckt, sehr ihr das nicht?"
"Deswegen sind wir ja hier."
Doch im Zweifel bringt Ramelow auch das Sympathie ein, dann ist er der nahbare, emotionale und eben nicht glatte Politiker, einer, der sich engagiert und jedes Dorf und jeden zweiten Baum in Thüringen persönlich kennt. Seine Bekanntheit ist enorm, ebenso seine Beliebtheit. Mehr als die Hälfte der Thüringer sagen in Umfragen, dass sie ihn gern weiter als Ministerpräsident sähen, sogar ein Drittel der CDU-Wähler. Dabei waren die Stimmen, die im Herbst 2014 vor der ersten rot-rot-grünen Koalition, vor dem ersten linken Ministerpräsidenten in Deutschland warnten, nicht zu überhören.
"Thüringen geht KO unter Ramelow. Bodo raus! Bodo raus! Bodo raus! Rot-Rot raus! Ramelow raus!"
"Das war ein Unrechtsstaat, aber das wollen sie ja nicht wahrhaben."
Gauck zweifelte an der Demokratiefähigkeit der Linken
In Demonstrationen vor der Wahl des Linken Ramelow mischten sich Christdemokraten, einige wenige enttäuschte Sozialdemokraten, Bürgerrechtler von 1989 und AfD-Anhänger.
"All denjenigen, die Ramelow wählen, sei gesagt, dass dann Blut an ihren Händen klebt. Das ist eine riesengroße Schande!"
"Schande! Schande! Schande!"
"Wahrscheinlich habe ich die Mauer gebaut. Möglicherweise esse ich mit Hammer und Sichel Abendessen."
Kommentierte Ramelow damals sarkastisch den Widerstand. Aber auch von oberster Stelle kam Kritik an dem neuen Bündnis. Der damalige Bundespräsident Joachim Gauck zweifelte an der Demokratiefähigkeit der Linken.
"Ist die Partei, die da den Ministerpräsident stellen wird, tatsächlich schon so weit weg von den Vorstellungen, die die SED einst hatte bei der Unterdrückung der Menschen hier, dass wir ihr voll vertrauen können?"
Nun, fünf Jahre später, spricht der Ex-Bundespräsident Gauck bei RTL davon, dass die Regierungsverantwortung die Linkspartei verändert habe und dass Bodo Ramelow mit seinem Gewerkschafts-Hintergrund und seinem "linken Profil dieser Gesellschaft nicht schadet". Man müsse, so Gauck weiter, noch "mal neu hinschauen und unsere früheren Abgrenzungen noch mal überprüfen. Auch parteipolitisch".
"Ich schätze ja Joachim Gauck sehr, weil wir beide aus dem Neuen Forum kommen, aber ich bin verwundert über seine Wortmeldung, gerade auch noch um den 7. Oktober."
Bemerkt verärgert Mike Mohring, dem die bundesweiten positiven Kommentare zu seinem Konkurrenten Ramelow überhaupt nicht gefallen.
"Und es ist einfach der Punkt, der wichtig ist: Nicht Bodo Ramelow steht zur Wahl, sondern die Linke steht zur Wahl. Und Bodo Ramelow selbst erkennt nicht mal selbst die DDR als Unrechtsstaat an und führt zur Unzeit einfach eine neue Debatte.
Auch der ehemalige sächsische Ministerpräsident, Kurt Biedenkopf, und der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther haben sich positiv zu Bodo Ramelow geäußert – sehr zum Missfallen ihres Thüringer Parteifreundes Mike Mohring.
"Da mag es ja sein, dass der eine oder andere in einem fernen Bundesland das alles schön findet. Dann sollen sie es doch machen. Aber die Thüringer CDU wird es nicht tun."
Auch in Berlin und Bremen gibt es mittlerweile Koalitionen von Linken, SPD und Grünen. Sie sind fast zur Normalität geworden. Dennoch ist das Interesse am Erfurter Modell besonders groß, da nur hier ein Linker auch Ministerpräsident ist. Ramelow ist wie wohl sonst nur Gregor Gysi ein Linker, der weit über die Parteigrenzen hinaus bekannt und beliebt ist, der aber dafür auch innerparteilich gelegentlich anstößt, wie z.B. bei der Landtagsabgeordneten der Linken, Johanna Scheringer-Wright.
Bemerkt verärgert Mike Mohring, dem die bundesweiten positiven Kommentare zu seinem Konkurrenten Ramelow überhaupt nicht gefallen.
"Und es ist einfach der Punkt, der wichtig ist: Nicht Bodo Ramelow steht zur Wahl, sondern die Linke steht zur Wahl. Und Bodo Ramelow selbst erkennt nicht mal selbst die DDR als Unrechtsstaat an und führt zur Unzeit einfach eine neue Debatte.
Auch der ehemalige sächsische Ministerpräsident, Kurt Biedenkopf, und der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther haben sich positiv zu Bodo Ramelow geäußert – sehr zum Missfallen ihres Thüringer Parteifreundes Mike Mohring.
"Da mag es ja sein, dass der eine oder andere in einem fernen Bundesland das alles schön findet. Dann sollen sie es doch machen. Aber die Thüringer CDU wird es nicht tun."
Auch in Berlin und Bremen gibt es mittlerweile Koalitionen von Linken, SPD und Grünen. Sie sind fast zur Normalität geworden. Dennoch ist das Interesse am Erfurter Modell besonders groß, da nur hier ein Linker auch Ministerpräsident ist. Ramelow ist wie wohl sonst nur Gregor Gysi ein Linker, der weit über die Parteigrenzen hinaus bekannt und beliebt ist, der aber dafür auch innerparteilich gelegentlich anstößt, wie z.B. bei der Landtagsabgeordneten der Linken, Johanna Scheringer-Wright.
"Na ja, Bodo Ramelow hat gesagt, er ist Ministerpräsident aller Thüringer. Das ist ja auch erstmal so richtig, ist der richtige Anspruch. Es stimmt, manchmal setzt er sich dann schon auch über Prämissen oder auch Vereinbarungen, Positionen der Linken hinweg – Stichwort Bundeswehr, Bundeswehrstandorte. Ja, es gibt ein Grummeln, aber die Unterstützung ist schon voll da."
Die Unterstützung ist voll da, weil Ramelow vermutlich allein mit seinem Namen für viele Prozentpunkte bei linken Wahlergebnissen in Thüringen verantwortlich zeichnet. Umfragen sehen sie wie vor fünf Jahren bei 28% oder sogar noch darüber. Für Susanne Hennig-Wellsow ein klarer Ramelow-Effekt.
"Das stimmt. Und der Ramelow ist ja auch einmalig. Und wir haben hier in Thüringen das Glück, dass wir mit Bodo Ramelow jemanden haben, der sich als Landesvater tatsächlich etabliert hat. Und das nutzt uns natürlich als Thüringer Linken gerade im Kampf gegen die AfD."
Eine starke Linke allein aber hilft der in ihrer Partei weit links stehenden Parteichefin nichts, wenn die potentiellen Koalitionspartner schwächeln. Die Grünen liegen zwar in Umfragen mit 7-8% über ihrem Ergebnis von 2014, haben aber vom Bundestrend sehr wenig abbekommen. Die SPD käme nach 12% vor fünf Jahren nun auf 8-9 Prozent. Damit reichte es nicht für eine Neuauflage von Rot-Rot-Grün. Und deshalb hat Ramelow seine ganz eigene Arithmetik.
Skandalquote von Rot-Rot-Grün im durchschnittlichen Bereich
"Ich bin zu 85 Prozent Sozialdemokrat, zu 95 Prozent Grün und zu 92,5 Prozent Links und zu 100 Prozent Rot-Rot-Grün."
Die rot-rot-grüne Koalition hat mit meist nur einer Stimme Mehrheit fünf Jahre lang recht solide gearbeitet. Eine Abgeordnete hat die SPD an die CDU verloren, einen von der AfD gewonnen. Höckes elfköpfige AfD-Fraktion haben gleich vier Abgeordnete verlassen. Ansonsten war schon nach einem halben Jahr Rot-Rot-Grün in Thüringen die Rede davon, es sei "alles wie früher – nur ohne CDU". So ähnlich sieht es auch Jörg Stengel in Bad Berka, an einem Wahlkampfstand der CDU.
Die rot-rot-grüne Koalition hat mit meist nur einer Stimme Mehrheit fünf Jahre lang recht solide gearbeitet. Eine Abgeordnete hat die SPD an die CDU verloren, einen von der AfD gewonnen. Höckes elfköpfige AfD-Fraktion haben gleich vier Abgeordnete verlassen. Ansonsten war schon nach einem halben Jahr Rot-Rot-Grün in Thüringen die Rede davon, es sei "alles wie früher – nur ohne CDU". So ähnlich sieht es auch Jörg Stengel in Bad Berka, an einem Wahlkampfstand der CDU.
"Na, ich bin selber Geschäftsführer, habe selber 70 Mitarbeiter, war auch einer derjenigen, die dann eben "Sodom und Gomorrha" geschrien haben. Letztendlich muss man sagen: Mit relativ wenig Geräuschen ist diese Regierung abgelaufen; wir haben in dem Sinne jetzt keine negativen Dinge da wahrgenommen, auch als Unternehmer nicht. Aber man muss der Fairness halber sagen: Der Herr Ramelow hat das auch ganz gut gemacht."
Die Skandalquote von Rot-Rot-Grün lag im durchschnittlichen Bereich einer Landesregierung, nur zwei Minister – eine Linke und ein Sozialdemokrat – wurden ausgetauscht. Der Koalitionsvertrag ist in großen Teilen abgearbeitet. So einiges im Sozialen und Ökologischen wurde erreicht: z.B. zwei beitragsfreie Kindergartenjahre, ein Vergabegesetz mit höherem Mindestlohn für Landes-Aufträge und ein Klimagesetz. Das war nur möglich mit üppig sprudelnden Steuereinnahmen. Rot-Rot-Grün hat nicht nur viel mehr ausgegeben als die CDU-geführten Landesregierungen in den 24 Jahren davor, sie hat auch noch eine Milliarde Euro Schulden getilgt. Das größte und wichtigste Projekt aber, die Kreisgebietsreform, scheiterte krachend. Kurz zuvor hatte der SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Hey noch erklärt:
"Wenn das wirklich scheitern sollte, dann ist aus meiner Sicht heraus die Koalition auch zu Ende."
Aber die Werbeplakate mit der Aufschrift "Gegen diese Reform kann man nicht sein" waren dann schnell weggeräumt, als Rot-Rot-Grün erkennen mußte, dass die als "alternativlos" bezeichnete Gebietsreform heftigen Widerstand bei den Bürgern hervorrief. Der Chefstratege der Landesregierung, Staatskanzleiminister Benjamin-Immanuel Hoff, sieht noch ein anderes Scheitern seiner Koalition.
"Wir haben gehofft, dass wir als Rot-Rot-Grüne Koalition es schaffen, eine Antwort auf diese grassierende Unzufriedenheit mit "allem, was da oben ist" zu finden. Daran scheitern zurzeit alle. Aber ich hatte gehofft, dass wir möglicherweise an der Stelle ein bisschen mehr Avantgarde sein können."
"Wir werden im Osten der Republik den Politikwahnsinn der Altparteien beenden und die Wende zur Vernunft einleiten. Und für dieses Ziel werden wir gemeinsam bis zum Umfallen kämpfen."
Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke wird von vielen politischen Beobachtern und selbst von manchen Parteifreunden für einen Rechtsextremen gehalten. Das Amtsgericht Meiningen hat kürzlich in einem Eilverfahren geurteilt, dass die Bezeichnung "Faschist" für Höcke auf einer "überprüfbaren Tatsachengrundlage" beruhe. Ebenso wie jüngst in Sachsen und Brandenburg sehen viele Thüringer Wähler die wichtigste Entscheidung am Sonntag die zwischen dem Amtsinhaber Ramelow und der AfD. Beim Wahlkampfauftakt vor fünf Wochen in Arnstadt griff Höcke Ramelow scharf an.
"Im tiefsten Inneren ist Bodo Ramelow ein harter Krypto-Kommunist, ein linker Dogmatiker. Was das für einen Schaden bedeuten würde, wenn dieser Mann noch fünf Jahre im Amt wäre. Dann werden Gera, Jena und Erfurt schon in wenigen Jahren so aussehen wie Duisburg, Essen und Dortmund. Und das wollen wir nicht und das müssen wir verhindern, liebe Freunde."
Höcke spielte darauf an, dass Ramelow ungern Flüchtlinge abschieben will und Zuwanderung begrüßt, da Thüringen einem schnell wachsenden Fachkräftemangel und starker Überalterung entgegensieht.
"Deswegen müssen wir diesen politischen Wirrkopf entmachten. Bodo muss weg." Auch wenn die AfD über ein ausdifferenziertes Wahlprogramm verfügt, das viele Themen abdeckt – Flüchtlinge sind für sie im Wahlkampf immer noch Thema Nummer 1, wie Höcke deutlich machte.
"Erstens: Wir als AfD Thüringen starten, wenn wir in Regierungsverantwortung sind, eine Abschiebeoffensive 2020, liebe Freunde. Dann wird Schluss gemacht. Und dann werden wir Abschiebeflugzeuge vom nicht ausgelasteten Erfurter Flughafen starten lassen. Und es wird mir persönlich eine Freude sein, beim ersten Flug, beim ersten Abflug, auf dem Flughafen zu stehen und zu winken. Gute Heimreise."
Ein Fünftel der Thüringer haben verfestigte rechtsextreme Einstellungen
Die Frage, ob die gut 20 Prozent AfD-Wähler im Osten und auch in Thüringen Protestwähler sind oder ob sie die Partei eben wegen ihrer fremdenfeindlichen, nationalistischen Agenda wählen, ist schwierig zu beantworten. Einerseits ist der in AfD rechtsaussen angesiedelte Björn Höcke bei den Wählern deutlich weniger beliebt als seine Partei, andererseits sprechen soziologische Untersuchungen der letzten Jahre dafür, dass etwa ein Fünftel der Thüringer verfestigte rechtsextreme Einstellungen haben: Sie halten Deutschland für gefährlich überfremdet, verharmlosen den Nationalsozialismus, unterscheiden zwischen "wertvollem" und "unwertem" Leben, lehnen Juden, Muslime, Sinti und Roma ab, aber auch Homosexuelle und Langzeitarbeitslose."
"Dann werden wir nämlich die Direktive ausgeben, dass am Bosporus mit den drei großen M – das heißt Mohammed, Muezzin und Minarett – Schluss ist, liebe Freunde."
Thüringenweit bekannte Neonazis bezeichnen sich als außerparlamentarische Vorfeldorganisation der AfD oder geben Wahlempfehlungen für die AfD ab. Eine Koalition mit der AfD lehnen alle Parteien ab, wobei nicht alle der CDU trauen. Vor fünf Jahren hatte Mike Mohring mit der AfD Kontakt aufgenommen, um auszuloten, wie man Rot-Rot-Grün verhindern könne. Nun ist das Misstrauen von Linken, Sozialdemokraten und Grünen groß. SPD und Grüne würden gern ihre Koalition mit den Linken fortsetzen. Die Umfrageergebnisse sprechen bislang nicht dafür, dass das realistisch erscheint. Also müssen sie sich auch für eine Koalition mit der CDU und eventuell mit der FDP offen halten. Begeistert wäre davon niemand – vor allem nicht die Grünen und die SPD, die gern weiter mit den Linken regieren würden. Aber anders als vor fünf Jahren, als die SPD mit der CDU und parallel mit Linken und Grünen sondiert hat, ist sie nun keine Partei mehr, die sich etwas aussuchen kann, wie ihr Spitzenkandidat Wolfgang Tiefensee bestätigt.
"Freier Fall" ist überzogen. Klar, wir sind alles andere als glücklich über die Umfrage-Werte. Wir sind in einer Talsohle. Das gilt übrigens nicht nur in Thüringen, sondern allgemein in Deutschland und sogar in Europa. Stellen Sie sich vor, ich würde jetzt in eine Runde eingeladen zu einem Dreiergespräch: Ramelow, Mohring, Tiefensee. Und die Überschrift wäre: "Wer wird Ministerpräsident?" Ich würde mal sagen, dreiviertel der Menschen in Thüringen schlagen sich auf die Schenkel und sagen, "Na, das ist ja witzig."
Die Grünen, so klein sie sind in Thüringen, könnten bei der Wahl am Sonntag sogar stärker werden als die SPD. Und auch, wenn sie eine Fortsetzung von Rot-Rot-Grün wollen, so müssen sie sich doch auf die Simbabwe-Variante einstellen. Die grüne Spitzenkandidatin, Anja Siegesmund:
"Ich stelle mir das total schwierig vor. Und Fakt ist: Grüne bekommt man nur über Inhalte in eine Koalition. Ich bezweifle, dass mit CDU, FDP und SPD es einen Koalitionsvertrag gäbe, den unsere Mitglieder überhaupt mittragen würden, weil die inhaltlichen Schnittmengen so gering sind."
"Ich stelle mir das total schwierig vor. Und Fakt ist: Grüne bekommt man nur über Inhalte in eine Koalition. Ich bezweifle, dass mit CDU, FDP und SPD es einen Koalitionsvertrag gäbe, den unsere Mitglieder überhaupt mittragen würden, weil die inhaltlichen Schnittmengen so gering sind."
Koalition aus CDU, SPD, Grünen und FDP?
Eine so breite, aber an Gemeinsamkeiten arme, Koalition aus CDU, SPD, Grünen und FDP würde jedoch nur ein gemeinsames Ziel verbinden: Die AfD in Regierungsverantwortung zu verhindern. Deswegen will keiner wirklich gern über diese Variante reden – außer die CDU: Für sie ist sie die einzige Chance, wieder an die Macht zu kommen, denn vor Rot-Rot-Grün war die CDU seit 1990 24 Jahre ununterbrochen an der Macht. Aus der Opposition hätten sie gelernt, so Mike Mohring:
"Demut! Wir sind ja nicht ohne Grund in die Opposition gekommen. Und wir haben in dieser Wahlperiode so oft einen Spiegel vorgehalten bekommen unseres früheren Handelns – was wir im Handeln von Rot-Rot-Grün gesehen haben. Dass mit der Macht Entscheidungen durchgesetzt wurden, dass man nicht zugehört hat, dass man über die Köpfe der Menschen hinweg Politik gemacht hat. Und das haben wir früher auch so gemacht."
Bei den Grünen und der SPD ist man noch sehr zurückhaltend in der Bewertung der neuen Demut der CDU. Die FDP stünde auf jeden Fall bereit. Aber auch das könnte eventuell nicht reichen, wenn nämlich AfD und Linke zusammen mehr als die Hälfte der Sitze im Landtag einnähmen. Da die CDU bislang jede Koalition mit den Linken und mit der AfD ablehnt, gäbe es nur noch die Möglichkeit einer Minderheitsregierung – oder Neuwahlen. Auf jeden Fall bleibt Bodo Ramelow so lange geschäftsführend Ministerpräsident, bis ein Nachfolger gewählt ist. Eine Frist setzt die Thüringer Verfassung dafür nicht. Das lässt Raum für lange Sondierungen und Koalitionsverhandlungen – mit wem auch immer.
"Demut! Wir sind ja nicht ohne Grund in die Opposition gekommen. Und wir haben in dieser Wahlperiode so oft einen Spiegel vorgehalten bekommen unseres früheren Handelns – was wir im Handeln von Rot-Rot-Grün gesehen haben. Dass mit der Macht Entscheidungen durchgesetzt wurden, dass man nicht zugehört hat, dass man über die Köpfe der Menschen hinweg Politik gemacht hat. Und das haben wir früher auch so gemacht."
Bei den Grünen und der SPD ist man noch sehr zurückhaltend in der Bewertung der neuen Demut der CDU. Die FDP stünde auf jeden Fall bereit. Aber auch das könnte eventuell nicht reichen, wenn nämlich AfD und Linke zusammen mehr als die Hälfte der Sitze im Landtag einnähmen. Da die CDU bislang jede Koalition mit den Linken und mit der AfD ablehnt, gäbe es nur noch die Möglichkeit einer Minderheitsregierung – oder Neuwahlen. Auf jeden Fall bleibt Bodo Ramelow so lange geschäftsführend Ministerpräsident, bis ein Nachfolger gewählt ist. Eine Frist setzt die Thüringer Verfassung dafür nicht. Das lässt Raum für lange Sondierungen und Koalitionsverhandlungen – mit wem auch immer.