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Landtagswahlen Brandenburg
AfD und Grüne im Aufwind

Seit der Wende ist im Brandenburger Landtag die SPD unangefochten an der Macht. Doch wenn die Umfragen für die Wahlen im September stimmen, dann kommt das Parteiengefüge bald ins Rutschen. Die AfD könnte stärkste Kraft werden und auch die Grünen legen kräftig zu.

Von Vanja Budde |
Diverse kleine Wahlplakate und ein Großflächenplakat mit der Aufschrift "Brandenburg ist erneuerbar" - "Hallo Zukunft. Tschüss Stillstand." stehen im Rahmen des Wahlkampfauftakts von Bündnis 90/Die Grünen für die Landtagswahl in Brandenburg auf dem Alten Markt vor dem Landtag in Potsdam, 6. Juni 2019.
Viele sehen in den Grünen auch eine Schutzmacht gegen die AfD (imago / Martin Müller)
Die Europawahl hatte es ahnen lassen: Ende Mai fuhr die AfD in allen neuen Bundesländern ein deutlich zweistelliges Plus ein. In Sachsen und Brandenburg wurde sie sogar stärkste Kraft. Jeder fünfte Brandenburger stimmte für die EU-feindlichen Rechtspopulisten. AfD-Landes- und Fraktionschef Andreas Kalbitz, der dem völkisch-nationalistischen "Flügel" angehört, triumphierte am Wahlabend:
"Die AfD ist gekommen, um zu bleiben. Wir haben einen Mitverantwortungsanspruch auch für die Zukunft, den werden wir jetzt ausbauen. Und ich sehe die Kommunalwahlen, auch die Europawahlen als wichtigen Stimmungsindikator für Landtagswahlen. Das ist eine Vorausschau. So machen wir weiter."
Volksparteien wurden bei Kommunalwahlen abgestraft
Auch bei den gleichzeitigen Kommunalwahlen legte die AfD in Brandenburg deutlich zu. Die etablierten Volksparteien dagegen wurden abgestraft. Während die AfD sich schon nach der Macht greifen sieht, wirkte Ministerpräsident Dietmar Woidke, SPD-Landeschef und Spitzenkandidat, am Wahlabend verstört.
"Das ist das schlechteste Ergebnis, soweit ich mich erinnern kann, auf der Bundesebene überhaupt bei einer bundesweiten Wahl. Und wir werden dieses Ergebnis auszuwerten haben, und zwar sehr intensiv."
Und sehr schnell, denn in zwei Monaten ist Landtagswahl, und auch hier sieht die jüngste Umfrage von Mitte Juni die AfD mit 21 Prozent vorne. Das gerade der Brandenburger Landesverband der AfD nach Ansicht von Politikwissenschaftlern von extremen Rechten dominiert ist, scheint die Wähler nicht zu stören. Obwohl es dem Land wirtschaftlich gut geht, nach den massiven Umbrüchen der Wendejahre die Arbeitslosenquote auf historisch niedrige 6,3 Prozent gesunken ist. Die Ursachen sind vielfältig. Eine diffuse Mischung aus von der AfD erfolgreich geschürten Ressentiments und Fehlern der alteingesessenen Parteien:
"Ich denk mal, die wollen viel Gutes. Bloß das Zuhören, das fehlt - und das über viele Jahre. Nicht nur kurz vor der Wahl einen Bürgerdialog machen."
Viele Menschen fühlen sich abgehängt
Frank Balzer, Bürgermeister von Eisenhüttenstadt, selber Sozialdemokrat. Dazu komme eine mangelnde Übung in Demokratie, meint Balzer, auch mit Blick auf die oft sehr niedrige Wahlbeteiligung in Brandenburg:
"Das geht eigentlich viel früher los, das geht schon zu DDR-Zeiten los. Gerade wenn man aus so einer Diktatur kommt, ist es schwer umzudenken, Demokratie auch zu leben."
Dazu kommt alter Frust noch aus den nie aufgearbeiteten Treuhand-Zeiten: Viele wählen AfD, weil sie das Gefühl haben, dass sich in den vergangenen 30 Jahren niemand für ihr Wende-Schicksal interessiert hat. Und dort, wo abseits des Speckgürtels rund um Berlin kein Bus mehr fährt und kein Arzt mehr kommt, fühlen sich die Menschen abgehängt, von der rot-roten Landesregierung im schicken Potsdam im Stich gelassen. Besonders stark ist die AfD in der Lausitz im Süden des Bundeslandes: Dort steht der Braunkohle-Ausstieg an, Tausende bangen um ihre Jobs. Derweil leugnet die AfD die Klimakrise, nennt die Energiewende Blödsinn.
"Ja, meine Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, auch von meiner Seite ein ganz, ganz herzliches Willkommen. Das Jahr hat ja für uns Bündnisgrüne wirklich super gut angefangen, am 2.1. diese schöne Prognose, wo wir endlich mal zweistellig wurden bei der Prognose für die Landtagswahl mit zwölf Prozent. Das ist schon für uns ein ziemlicher Erdrutsch und ein ziemliches Ausrufungszeichen."
Grüne werden als Schutzmacht gegen AfD angesehen
Ursula Nonnemacher, Fraktionschefin der Grünen beim Neujahrsempfang im Landtag. Die jüngste Umfragesieht die Grünen bei 17 Prozent. Fast stündlich treten neue Mitglieder ein. Wen man diese nach ihren Motiven fragt, steht der Kampf gegen die bedrohliche Erderwärmung ganz oben auf der Liste. Bei Janine Nyuken zum Beispiel, Vizepräsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder:
"Das ganze Thema Klima liegt mir natürlich sowieso schon lange am Herzen, aber meine Kinder kommen gerade in das Fridays-for-Future-Alter. Und da kommen noch mal ganz neue Diskussionen und für mich noch mal so der Anstoß, mich stärker zu engagieren."
Doch viele sehen in den Grünen auch eine Schutzmacht gegen die AfD. Und nicht in der SPD, obwohl die einen Anti-AfD-Wahlkampf macht. Der Grünen-Landesvorsitzende Clemens Rostock bestätigt:
"Wir beobachten verstärkt bei unseren Neumitgliedertreffen, zu denen wir regelmäßig einladen, dass viele Menschen sagen: Die AfD-Wahlergebnisse haben sie stark erschreckt. Und wir werden als die Partei wahrgenommen, die die klare Kante zieht."
CDU-Landeschef Ingo Senftleben bei der Vorstellung des Wahlprogrammes. Er will den ersten Machtwechsel seit der Wende schaffen, kann sich dafür auch ein Bündnis mit der Linken vorstellen. Im Gegensatz zu allen anderen Parteien hat Senftleben angekündigt, im Falle eines Wahlsieges mit der AfD sprechen zu wollen. "Aus Respekt vor dem Wähler", wie er meint. Eine Koalition mit der AfD allerdings, die schließt auch CDU-Chef Ingo Senftleben aus.