2024 ist ein wichtiges Wahljahr. In den USA wird ein neuer Präsident gewählt. Auch in zahlreichen anderen Staaten stehen Wahlen an – und dann war da noch die Europawahl. In Deutschland finden in diesem Jahr außerdem in der Hälfte der 16 Bundesländer Kommunalwahlen statt. Politisch besonders im Fokus aber stehen drei Landtagswahlen in Ostdeutschland.
Wo wird 2024 in Ostdeutschland ein neuer Landtag gewählt?
In Brandenburg, Thüringen und Sachsen wählen die Bürger 2024 einen neuen Landtag. In Brandenburg findet die Wahl am 22. September statt, in Thüringen und Sachsen wird bereits am 1. September gewählt. In allen drei Bundesländern wird der Landtag für fünf Jahre gewählt.
In Brandenburg regiert derzeit eine Koalition aus SPD, CDU und Grünen unter der Führung von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). In Thüringen regiert Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) mit einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung. Und in Sachsen bilden bislang CDU, SPD und Grüne die Landesregierung. Regierungschef ist dort Michael Kretschmer (CDU).
Wie sehen die Umfragen aus?
Seit Monaten befindet sich die AfD in einem Umfragehoch. Sie ist in Sachsen, Brandenburg und Thüringen aktuell jeweils stärkste Partei in den Umfragen. Die AfD wird vom Bundesverfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft.
In Sachsen bezeichnet das Landesamt für Verfassungsschutz die AfD als "gesichert rechtsextrem" – genauso wie in Thüringen. Die anderen Parteien schließen eine Koalition mit der AfD aus. Vor allem in der CDU wird seit Monaten intensiv über den Umgang mit der AfD diskutiert. Linke, SPD und Grüne warfen der CDU in Thüringen vor, die Brandmauer zur AfD bereits durch gemeinsame Abstimmungen im Landtag eingerissen zu haben.
Welche politischen Folgen könnten die Wahlen in Ostdeutschland haben?
Sollte die AfD bei den Wahlen tatsächlich Ergebnisse im Bereich ihrer derzeitigen Umfrageergebnisse erreichen und in einem oder in mehreren Ländern stärkste Kraft werden, dürfte die Bildung neuer Parlamentsmehrheiten kompliziert werden. Im Grunde geht es dann politisch für die demokratischen Parteien vor allem darum, in den Parlamenten eine stabile Mehrheit gegen die AfD zu bilden.
Abzuwarten bleibt, welche Rolle die neue Wagenknecht-Partei bei den Wahlen im Osten spielen kann. Umfragen prognostizieren ihr in allen drei Bundesländern ein zweistelliges Ergebnis. In Thüringen kämpft sie sogar mit der Union um den zweiten Platz hinter der AfD.
Auf die Frage, ob die Union angesichts der Gefahr für die Demokratie ihren Unvereinbarkeitsbeschluss zur Linken mit Blick auf die Wahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen überdenken müsse, sagte Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, am 12. Januar 2024 im Dlf: "Wenn es Koalitionen gibt zwischen Parteien, die keine inhaltliche Schnittmenge haben, dann wird das nicht zu einem Regierungshandeln und zu Ergebnissen führen, das die Menschen überzeugt."
Deshalb würden dadurch die politischen Ränder weiter gestärkt, sagte Frei. Dies müsse man unter allen Umständen vermeiden. Kritik, wonach sich die CDU nicht deutlich genug nach rechts abgrenze, wies Frei zurück.
Im „Verfassungsblog“ beleuchten Juristen unter anderem die Frage, ob und wie die AfD die Ämter von Landtagspräsidenten für ihre Zwecke ausnützen könnte – falls sie nach der Wahl in diese Ämter gewählt würde. Politiker stellen bereits Planspiele an, wie etwa in Thüringen ein AfD-Ministerpräsident Björn Höcke verhindert werden könnte. Auch die Debatte über ein AfD-Verbot hatte zuletzt an Fahrt gewonnen.
Es sei ein „starker Rechtsruck“ in den drei ostdeutschen Bundesländern zu erwarten, sagt der Soziologe Steffen Mau von der Humboldt-Universität Berlin. Dies bringe langfristig eine „Beschädigung der Demokratie mit sich“.
Mau befürchtet eine „Entzivilisierung von politischen Konflikten“. Die AfD sei „ausgrenzend gegenüber Minderheiten, gegenüber politisch Andersdenkenden“. Da seien Gefahren, dass sich dies „verfestigt und gesellschaftlich weiter durchsetzt“. Mau sieht die AfD in Ostdeutschland „in vielen lokalen Kontexten auf dem Weg zur Volkspartei“. Sie besetze mittlerweile Positionen in der Zivilgesellschaft – etwa in der Freiwilligen Feuerwehr oder in der Wirtschaft. Seit 30 Jahren hätten sich rechte Strukturen im Osten etabliert.
Was wären mögliche Folgen für die Bundespolitik?
Die im Bund regierenden Ampelparteien haben in den drei Bundesländern einen besonders schweren Stand. Die SPD könnte zum Beispiel in Sachsen sogar an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Die Kanzlerpartei will deshalb die Wahlkämpfer vor Ort besonders stark unterstützen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert will das Gefühl von manchen Ostdeutschen, abgehängt worden zu sein, erstnehmen. Die SPD will es mit Zuversicht gegen den drohenden Rechtsruck versuchen. Es ist allerdings fraglich, ob sie damit noch durchdringt.
Für den Fall, dass es im Osten zu einem großen AfD-Erfolg und zu massiven Verlusten der Ampelparteien kommt, wird in Medienberichten seit Monaten über die Folgen für die Bundesregierung spekuliert – selbst über Gerüchte über einen Kanzlerwechsel von Olaf Scholz zu Boris Pistorius (beide SPD) berichtete die „Bild“.
Spannend ist die Frage, was passiert, wenn die AfD in einem oder mehreren ostdeutschen Ländern an die Macht kommt. Der Bund müsste nach Ansicht des Verfassungsrechtlers Franz C. Mayer nicht tatenlos zusehen, wenn eine AfD-Landesregierung gegen die Werte des Grundgesetzes verstößt. So gebe es Grundgesetz-Artikel 28, das sogenannte Homogenitätsgebot, sagte Mayer in einem „FR“-Interview. „Das besagt, dass auch in den Ländern die Grundrechte und die verfassungsmäßigen Grundsätze von Rechtsstaat und Demokratie Anwendung finden müssen.“ Hier habe der Bund das letzte Wort.
Der Jurist weiter: „Es gibt den Bundeszwang nach Artikel 37 Grundgesetz, und es gibt Weisungsmöglichkeiten. In letzter Konsequenz könnte das sogar dazu führen, dass der Bund eine Landesregierung absetzt und das Land durch einen Bundeskommissar regieren lässt. Das ist in unserem Konsensföderalismus noch nie eine Option gewesen. Es ist eine absolute Ultima Ratio, die man aber nicht kleinreden sollte.“ Das Grundgesetz bringe damit klar zum Ausdruck: Wir sind ein Bundesstaat, kein Staatenbund. „Außerdem gibt Artikel 84 Grundgesetz der Bundesregierung die Aufsicht darüber, dass die Länder Bundesgesetze korrekt ausführen. Der Bund kann dazu sogar Beauftragte in Landesbehörden entsenden“, sagte der Verfassungsrechtler.
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