Noch schnell werden die Aufkleber in Herzform mit dem Sachsen-Wappen und dem FDP-Schriftzug auf die schweren Maschinen geklebt. Letzte Ansprache vor dem Aufbruch. Parteichef und Motorradfan Holger Zastrow ist ganz in seinem Element.
"Ich bin hier der Chef, ich bin der Holger. Dann stellt ihr anderen euch mal bitte mit vor."
Nicht ganz so cool wie Easy Rider sind sie, aber eine beeindruckende Geräuschkulisse geben sie schon ab, die zwanzig liberalen Biker.
"Das ist für uns eine Möglichkeit, auf eine andere, sichtbare Art und Weise durch Sachsen zu fahren, Leute zu besuchen. Vielleicht etwas cooler, als mit dem Dienstwagen um die Ecke zu kommen."
"Das ist für uns eine Möglichkeit, auf eine andere, sichtbare Art und Weise durch Sachsen zu fahren, Leute zu besuchen. Vielleicht etwas cooler, als mit dem Dienstwagen um die Ecke zu kommen."
Ob sie nicht lieber den schlechten Umfrageergebnissen davonfahren wollen? Bislang deutet vieles darauf hin, dass sie zwar von unten an der Fünfprozentmarke kratzen, aber trotzdem am 31. August den Wiedereinzug in den Landtag verpassen. Von der Regierungsbank in die außerparlamentarische Opposition könnte es für die FDP in Sachsen bald heißen. Eine Wahl mit Symbolwirkung - zwei Wochen später stimmen Brandenburg und Thüringen ab.
AfD "völlig egal"
Noch regiert hier in Sachsen die letzte schwarz-gelbe Koalition Deutschlands, die letzte Regierungsbeteiligung der FDP. Was bei Amtsantritt noch Normalzustand war, gilt heute fast schon als Relikt aus einer lange vergessenen Zeit. Holger Zastrow gibt sich unverdrossen, optimistisch, kämpferisch.
"Sind sehr fleißig. Wir kämpfen wie die Löwen. Die Stimmung ist ganz anders als bei der Bundestagswahl. Jetzt, wo es auf die Zielgerade zugeht, ist es so, dass der Zuspruch ein bisschen wächst."
"Wie blicken Sie denn auf die politische Konkurrenz, vor allem auf die AfD?"
"Gar nicht. Mir völlig egal."
Ob diesen Optimismus alle in seiner Partei teilen? Denn die AfD könnte der FDP genau die Stimmen klauen, die ihr zum Wiedereinzug in den Landtag fehlen. Ein Hauch von Abschiedsstimmung ist im Regierungsviertel schon zu spüren: Einer der letzten FDP-Minister Deutschlands, Wirtschaftsminister Sven Morlok, widmet sich kurz vor der Landtagswahl noch einmal seinem Lieblingsprojekt.
"Wir sind der Auffassung, dass nach Arbeitsplatzauswirkung ein Mindestlohn regional und nach Branchen differenziert sein muss."
Wirtschaftsministerium Dresden: Sven Morlok stellt nur Tage vor der Wahl eine Studie zu den Auswirkungen des von ihm so verhassten Mindestlohns vor. Bei diesem Thema grenzt sich die FPD gern vom Noch-Koalitionspartner CDU ab, der sich das in der Großen Koalition aufs Auge drücken ließ.
"Dann hätte man die Arbeitsplatzverluste von 30.000 bis 60.000 im Freistaat Sachsen vermeiden können. Und weil dies auf der Bundesebene so nicht gesehen wurde, konnten wir den Vorschlägen auch nicht zustimmen."
Durchsichtiges taktisches Manöver
Die Botschaft ist klar: die Liberalen hätten das so nicht durchgehen lassen. Ein taktisches Manöver, aber so kurz vor der Wahl, doch ein sehr durchsichtiges. Morloks Lieblingsfeind Nummer zwei ist die Windkraft - er will größere Mindestabstände der Windparks zur Wohnbebauung durchsetzen und die Errichtung neuer Anlagen stark begrenzen. Jedweder Vergleich mit dem Kampf gegen Windmühlen verbietet sich natürlich.
"Die FDP ist in der Regierungsverantwortung in Sachsen nicht sonderlich aufgefallen, weder im Guten, noch im Schlechten, von daher kann sie von landespolitischem Fett nicht zehren."
Trotz Schulschließungsstopp und der Einführung von Heimatkennzeichen kann die FDP nach fünf Jahren Regierungsbeteiligung zu wenige substanzielle Erfolge nachweisen. Auch diejenigen, die die sächsische Landespolitik aus dem Eeffeff kennen, wie der Politikwissenschaftler Werner Patzelt von der Technischen Universität Dresden, sprechen der FDP wenig Erfolgschancen zu. Ja, es gibt eine milde Aufwärtsbewegung, aber die wird möglicherweise nicht reichen.
Die FDP zieht in Sachsen derweil kampagnentechnisch alle Register. Besuch bei der sogenannten Sommertour in der Kleinstadt Grimma, in der Nähe von Leipzig. Mitglieder der Jugendorganisation haben auf dem Marktplatz eine blau-gelbe Hüpfburg aufgebaut, daneben steht ein ufo-förmiges Zelt mit vielen bunten Tiegeln. Alles ist bereit fürs Kinderschminken. Als Motive gibt es Piraten, Schmetterlinge oder Einhörner.
"Beim Kinderschminken hat man ja die Möglichkeit, sich mit den Eltern ein Stück weit zu unterhalten. Was sind so die Probleme, was haben sie so für Vorstellungen?",
"Beim Kinderschminken hat man ja die Möglichkeit, sich mit den Eltern ein Stück weit zu unterhalten. Was sind so die Probleme, was haben sie so für Vorstellungen?",
erklärt Tourleiter Philipp Junghähnel die Wahlkampfstrategie. Auch er glaubt fest daran: Die FDP wird es schaffen! Bei den Grimmaer, die an diesem Ferientag zum Markt gekommen sind, halten sich Mitgefühl oder Mitleid und Häme ungefähr die Waage:
"Also ich wähl sie nicht."
"Ich würde einschätzen, dass es knapp wird. Könnte aber gelingen. Ich wünsche es. Ich habe nichts gegen die FDP."
Werbung mit schönen Frauen
Bei der Plakatkampagne setzt die FDP auf Abgrenzung. "Sachsen ist nicht Berlin" steht in dicken Lettern auf dem schwarz-gelben Plakat. Will sagen: hier im Freistaat könne man anders als im Bund die FDP schon noch wählen.
Fast schon ein Klassiker im sächsischen FDP-Wahlkampf ist die Abbildung attraktiver Frauen auf großformatigen Plakaten. 2009 sorgte eine üppige Plakat-Blondine für bundesweites Aufsehen. In diesem Jahr ist die Dame brünett. Lisa Strassberger war im Jahr 2011 das Dresdner Stollenmädchen. Jetzt posiert sie mit Victory-Zeichen auf den FDP-Plakaten. Darunter der Slogan "Verliebt in Sachsen." Ein bisschen was fürs Gefühl müsse schon sein, findet Landeschef Holger Zastrow und lächelt zuversichtlich.
"Dass wir dieses Land lieben, für dieses Land da sind, ist das für einen geborenen Sachsen wie mich einfach selbstverständlich."
Ob mit Zastrowschen Zweckoptimismus, Einhorn-Schminke oder Stollenmädchen, die FDP lässt in Sachsen derzeit nichts unversucht, um die Sitze im Parlament zu retten. Aber ob es reicht? Am 31. August um 18 Uhr schlägt die Stunde der Wahrheit für die sächsischen Liberalen.