Katharina Schulze, Spitzenkandidatin der bayerischen Grünen, auf Wahlkampf-Tour:
"Wir sind jetzt vor der Polizei-Inspektion in Starnberg und gehen jetzt gleich mal nei!"
Moment mal: Wird das eine Protest-Kundgebung? Sollen Aktivisten befreit werden? Katharina Schulze lacht – schon wieder diese Vorurteile.
"Mir ist das ganz wichtig, diese albernen Stereotype aufzubrechen. Wir haben auch in der grünen Partei Polizistinnen und Polizisten. Ehrlich gesagt möchte ich eine starke Polizei, damit die auf den Rechtsstaat aufpassen kann."
Die "Polizei-Tussi"
Katharina Schulze, 33, nennt sich selbst eine "Innenpolitikerin aus Leidenschaft". So leidenschaftlich, dass manche in der Grünen Jugend sie die "Polizei-Tussi" nennen. Schulze vertritt die Grünen im Innenausschuss des bayerischen Landtags. "Und in dieser Funktion gehe ich, wenn ich in Bayern unterwegs bin, zur Polizei-Inspektion vor Ort."
Personalmangel, Überstunden-Berg, Gewalt gegen Polizisten – Schulze kennt jede Statistik, jedes Detail. Der Leiter der Inspektion, Polizei-Hauptkommissar Bernd Matuschek, ist beeindruckt:
"Das finde ich gut, das sollte intensiviert werden. Weil so kann man unmittelbar mit denen reden, die vielleicht was ändern können."
"Und welchen Eindruck hatten Sie von Frau Schulze?"
"Ich kannte sie nur aus den Medien. Da kam sie schon sympathisch rüber, und der Eindruck hat sich heute bestätigt. Sehr sympathische Frau."
Die Grünen in Bayern liegen in Umfragen vor der SPD
Das scheinen viele Wähler in Bayern ähnlich zu sehen. In aktuellen Umfragen liegen die Grünen mit 15 Prozent an Position zwei hinter der CSU – und vor der SPD, die nur noch auf 11 Prozent kommt. SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen kämpft tapfer gegen ein historisches Debakel:
"In dem Verhältnis zu den Grünen merkt man natürlich schon – das merken wir als SPD -, dass wir einen gewissen Spagat machen müssen. Wir werden bei diesem ganzen Wahnsinn, den die CSU auf Bundesebene ausgelöst hat, immer mit denen in einer Regierung gesehen."
Natascha Kohnen, 50, ist stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende. Eigentlich sollte dieses Amt sie bekannter machen. Aber man ist halt auch Koalitionspartner in Berlin.
"Und das macht einen manchmal ein bisschen unfrei. Man würde am liebsten der CSU mal richtig ordentlich einen vor den Latz geben. Das werden wir übrigens auch machen. Ich mache das nicht nochmal mit, was die da im Juni veranstaltet haben."
Genossin im Bierzelt
Natascha Kohnen ist heute Bierzelt-Rednerin im oberbayerischen Töging. Am Eingang demonstrieren Mitarbeiter des Nestle-Konzerns, die vor der Kündigung stehen. Kohnen ist in ihrem Element. Sie bittet die Betriebsrätin auf die Bühne:
"Liebe Genossinnen und Genossen, wir werden alles tun, dass wir Euch in Eurem Kampf um Eure Arbeitsplätze unterstützen. Das wird nicht einfach, da brauchen wir uns nichts vormachen. Aber Ihr werdet nicht aufgeben und wir werden alles tun, um die Arbeitsplätze zu erhalten."
Bei den SPD-Mitgliedern im Festzelt kommt das gut an. Allerdings liegt die Arbeitslosigkeit in Bayern bei 2,7 Prozent. Im Freistaat mangelt es nicht an Jobs, sondern an Wohnungen. Für Kohnen sind das Thema Nummer eins im Wahlkampf deshalb hohe Mietpreise und sozialer Wohnungsbau – wofür sie in der Bundes-SPD auch zuständig ist. Der Bund, sagt sie, habe geliefert. Aber Bayerns Ministerpräsident Markus Söder habe gepennt:
"Wisst Ihr, was der damalige bayerische Finanzminister gemacht hat? Während der Bund seine Unterstützung verdreifacht, sagt er: Hey, ich halbiere die Mittel. So geht es nicht, meine Damen und Herren. Verdammt nochmal. Es müssen der Bund, das Land und die Kommunen mitziehen. Alle gemeinsam!"
Image der SPD als Motzverein
Das Problem für Kohnen: Der Wohnungsmangel in Bayern betrifft vor allem Großstädte wie München und Nürnberg. Dort regieren seit Jahrzehnten Oberbürgermeister von der SPD – und nichts sei passiert, klagt ein Bierzelt-Besucher: "Die schimpfen nur auf die CSU. Das ist enttäuschend. Schimpfen allein kommt bei den Zuhörern nicht an und bringt keinen Vorteil."
Dieses Bild der bayerischen SPD als ewiger Motzverein kennt auch die Grüne Katharina Schulze. Sie setzt es strategisch geschickt ein, "weil ich persönlich auch glaube, dass die Bürger keinen Bock mehr haben, ständig zu hören: Üh, der eine hat des g‘macht und der andere des! Sondern die wollen wissen: Für was steht eine Partei und deren Spitzenkandidatin oder Spitzenkandidat? Und wie wollen die Bayern und unsere Gesellschaft voranbringen? Und darum geht’s mir auch!"
Zankapfel Polizeiaufgabengesetz
Schulze scheut keine Auseinandersetzungen. Vor dem bayerischen Verfassungsgericht hat sie gegen das neue, strenge Polizei-Aufgabengesetz (PAG) der CSU geklagt, das die SPD ursprünglich abgenickt hat. In der Polizeidienststelle Starnberg fragt Schulze Polizeihauptkommissar Matuschek nach seiner Meinung:
"Ich finde schon, dass wir’s brauchen!"
Er verstehe gar nicht, so Matuschek, warum das PAG erst so spät zum Zankapfel wurde. Schulze findet instinktsicher die einzige Gemeinsamkeit mit dem Polizei-Beamten:
"Ich gebe Ihnen bei einer Sache Recht: Mich persönlich hat’s auch geärgert, dass das Thema erst bei der zweiten Novelle so hoch gekommen ist. Weil wir Grüne hatten schon im Sommer 2017 gegen die erste Novelle gestimmt. Damals hat es niemanden interessiert. Und ich dachte: Leute, hier ist der Dammbruch passiert, warum verteidigt keiner unseren Rechtsstaat?"
Der Polizeihauptkommissar lächelt versöhnlich. Dann führt er Katharina Schulze in den Hof – für ein gemeinsames Foto mit Streifenwagen.
"Welches Auto wollen Sie denn? Ein blaues oder ein grünes?"
"Nehmen wir das da!"
"Ein grünes!"
Schulze lacht. Die Spitzenkandidatin der bayerischen Grünen mag grün – sogar auf einem Polizeiauto.