Archiv

Landung von Philae
Bangen um das Minilabor

Erstmals ist mit Philae ein Mini-Labor auf einem Kometen gelandet - ein historischer Tag. Doch die Landung lief anders als geplant und die gesendeten Daten deuten auf ein skurriles Szenario hin. Die Forscher der ESA hatten deshalb eine lange und unruhige Nacht.

Von Dirk Lorenzen | 13.11.2014
    Drei ESA-Mitarbeiter beobachten in Darmstadt die Monitore, auf denen Daten des Mini-Labors Philae angezeigt werden.
    Drei ESA-Mitarbeiter beobachten in Darmstadt die Monitore, auf denen Daten des Mini-Labors Philae angezeigt werden. (picture alliance / ESA / J. Mai)
    "We are there, so we are sitting on the comet, Philae is talking to us, so more data to come."
    Gestern Nachmittag um 17.10 Uhr war die Welt noch in Ordnung. Das Philae-Team war überzeugt, dass der Lander fest auf dem Kometen sitzt und Messdaten vom kosmischen Eisbrocken sendet. Doch der Jubel war etwas voreilig – schnell stellte sich heraus, dass die Landung keineswegs nach Drehbuch verlaufen ist. Philae hat sich eben doch nicht – wie zunächst angenommen – auf der Kometenoberfläche verankert. Mit besorgten Mienen wandten sich die Wissenschaftler und Ingenieure umgehend den Daten zu, die der Lander über die Muttersonde Rosetta zur Erde gefunkt hat:
    "Wir haben jetzt mehr Daten bekommen. Mittlerweile ist der Verbindung zwischen Rosetta und Philae auch geendet, wie erwartet. Weil Philae jetzt auf der anderen Kometenseite geht, am Horizont vorbei. Die wissenschaftlichen Instrumente sind im Moment sehr wichtig, weil die können genau sagen, in welcher Situation befindet sich Philae, und das werten wir im Moment alles aus."
    Koen Geurts ist technischer Projektleiter von Philae beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln. Bis zum Abend bestand noch Funkkontakt zur Sonde, die ebenso interessante wie teilweise verwirrende Informationen zur Erde geschickt hat. Zwar ist unklar, was genau in den entscheidenden Momenten bei und nach der Landung passiert ist - aber zum Glück für die Forscher waren etliche Instrumente an Bord von Philae zumindest in der Lage, automatische Messungen durchzuführen.
    "Der Magnetometer Romap hat sehr wertvolle Daten besonders, weil das korreliert werden kann mit dem Magnetometer am Orbiter. Da kann man die relative Position und die Orientierung, was sehr wichtig ist, bestimmen. Wir haben eigentlich alle Sensoren, die etwas über die Temperatur oder die Bewegung messen, liefern jetzt sehr wertvolle Daten."
    Niemand geht nach Hause
    Mehr als hundert Wissenschaftler und Ingenieure arbeiten fieberhaft daran, aus den vielen Puzzleteilen ein großes Bild zusammenzusetzen. Sie entwickeln und verwerfen mögliche Szenarien. Auch diejenigen, deren Schicht offiziell beendet ist, bleiben und kämpfen die ganze Nacht durch weiter um ihre Sonde.
    "Wir müssen das jetzt mal verstehen. Keiner möchte natürlich nach Hause fahren, ohne zu wissen, was passiert ist.
    Das Philae-Team analysiert genau, wie sich der Datenstrom beim Kontakt mit dem Kometen Tschurjumow-Gerasimenko und danach verändert hat. Dabei geht es auch um vermeintlich profane Dinge wie die Sonneneinstrahlung auf die Solarzellenflächen, aus der sich auf die Orientierung des Landers zur Sonne schließen lässt. Die Daten deuten in Richtung eines recht skurrilen Szenarios, erklärt Hermann Böhnhardt vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen:
    "Wir hatten einen Touchdown, aber möglicherweise im Anschluss daran noch eine kleine Flugphase wieder über der Oberfläche. Das ist eine Vermutung. Die müssen wir bestätigen. Wir hoffen auch, dass wir im Rahmen von Stunden eine Schlussfolgerung ziehen können, dass wir nach dieser kurzen Flugphase - Hypothese vorläufig - eventuell wieder gelandet sind auf der Oberfläche. Dann muss man fairerweise sagen, wir wissen dann vielleicht nicht genau, wo wir gelandet sind."
    Zwei kleine Hüpfer nach dem Aufsetzen?
    Womöglich ist Philae nicht einmal auf dem Kometen gelandet, sondern gleich zwei- oder sogar dreimal. Nach dem ersten Aufsetzen gab es noch zwei kleinere Hüpfer, bis die Sonde zum Stillstand kam. Für die Forscher wäre dies ein Traum, denn dann könnten sie in den kommenden Tagen und Wochen Tschurjumow-Gerasimenko doch noch intensiv untersuchen - und somit das fortsetzen, was bei der gestrigen Stippvisite schon kurz begonnen hatte:
    "Die Massenspektrometer haben schöne Signale gesehen von Gasen, die also an der Oberfläche offenbar herauskommen. Die werden jetzt schon heftig analysiert. Das ist erfolgt. Leider ist unser Landschaftsbild ausgefallen, das wir kurz nach dem Touchdown machen wollten. Das ist ein Verlust, aber das muss man jetzt akzeptieren."
    Vielleicht schickt Philae in einigen Tagen doch noch diese Ansichtskarte von der Kometenoberfläche. Zunächst aber sehnt das Team um Koen Geurts weitere Daten herbei, um das Schicksal des Landers zu klären. Nachdem gestern Abend planmäßig der Funkkontakt abgebrochen war, hat sich erst heute früh wieder die Chance zur Kontaktaufnahme ergeben.
    "Es ist erwartet, wenn sozusagen die Vorhersagen noch bestehen bleiben, dass wir etwa um halb sieben wieder Kontakt haben, also das heißt Philae und Rosetta, und eine halbe Stunde später müssten wir es auf der Erde bekommen."
    Vielleicht erreichen gerade jetzt die Daten den Kontrollraum in Köln, die bestätigen, dass Philae sicher auf der eisigen und staubigen Oberfläche steht. Womöglich ist aus dem Tag der Kometenlandung einer der Kometenlandungen geworden - und die emotionale Berg- und Talfahrt führt doch noch zu einem Happy End:
    "Ich bleibe immer positiv, noch. Obwohl wir nicht sofort haben bestätigen können, dass wir sicher gelandet sind, bin ich noch immer zuversichtlich, dass es weiter gehen wird."