"Agrico" prangt in roten Buchstaben auf einem Eckgebäude in der Fußgängerzone der Kleinstadt Lebork, 30 Kilometer von der polnischen Ostseeküste entfernt. Im zweiten Stock arbeitet Diarmid Johnston. Der gebürtige Schotte ist Geschäftsführer von Agrico Polska. Das ist der polnische Ableger eines weltweit agierenden, holländischen Saatkartoffel-Produzenten und Kartoffel-Vermarkters.
Der Saatkartoffel-Anbau hat hier, nahe der Ostseeküste, Tradition, denn aufgrund des Mikroklimas gibt es hier weniger Pflanzen-Schädlinge. Diarmid Johnson ist bereits Ende der 90er nach Polen gekommen, lange vor dem EU-Beitritt des Landes.
"Wenn ich zurückblicke: Die polnischen Bauern waren diejenigen, die sich am meisten vor dem EU-Beitritt des Landes gefürchtet haben. Sie waren überzeugt, dass das Land mit billigen deutschen oder französischen Waren überflutet wird. Doch es passierte genau das Gegenteil."
Seit dem Beitritt Polens zur EU hat sich der Export landwirtschaftlicher Produkte verfünffacht. Die Einkommen der Bauern sind erheblich gestiegen. Agrico Polska zum Beispiel lässt heute gut die Hälfte seiner Saatkartoffeln von Vertragslandwirten rund um Lebork anbauen.
"Nach dem EU-Beitritt haben viele Bauern investiert, zum großen Teil mit Hilfe der EU-Subventionen. Internationale Supermarkt-Ketten sind im großen Stil ins Land gekommen und verlangen eine bestimmte Menge und Qualität. Auch die Kunden sind anspruchsvoller geworden. Und wir als Saatkartoffel-Produzenten müssen eine entsprechende Qualität liefern."
Der Aufschwung, den die polnische Landwirtschaft in den vergangenen zehn Jahren erlebt hat, sei enorm sagt Diarmid Johnston.
"Die EU-Beihilfen – besonders die für Maschinen und die für Flächen – haben es den Landwirten ermöglicht, ihren Maschinen-Park und ihre Gebäude auf den neuesten Stand zu bringen. Das war wirtschaftlich ein richtiger Sprung nach vorne. So ist es immer, wenn man weit zurückliegt, man investiert in die neueste Technologie – und plötzlich sind viele polnische Landwirte besser ausgestattet als ihre Kollegen im Westen."
Mit dem Agrar-Aufschwung stieg aber auch die Nachfrage nach Ackerland: Polnische Bauern, die ihre Betriebe vergrößern wollten. Ausländische Landwirte, die sich über Strohmänner einkauften. Investoren, die ihr Geld anlegen wollten – sie alle trieben die Preise in die Höhe:
"2003 wurde uns Land zum Kauf angeboten. Der Hektar sollte damals – nach heutigem Wechselkurs – um die 1.500 Euro kosten. Wir haben nicht gekauft, denn damals lag die Landwirtschaft am Boden. Es gab kein Geld zu verdienen. Heute muss man für dieses Land 12.000 Euro pro Hektar zahlen."
Und die Bodenpreise könnten noch weiter steigen: Im Mai 2016 läuft eine EU-Übergangsfrist aus, dann dürfen auch Ausländer landwirtschaftliche Flächen ohne Sondergenehmigung erwerben. Reiche Westeuropäer werden wie Heuschrecken einfallen, um fruchtbares Ackerland zu kaufen, warnen Bauernverbände, aber auch die nationalkonservative Partei PIS, die bei den Sejm-Wahlen am vergangenen Wochenende die absolute Mehrheit errang.
"Der Agrar-Sektor macht viel Druck, um zu verhindern, dass eine Flut westlicher Investoren das Land hier aufkauft. Ich kann das verstehen, zumal als Schotte. Auch in Schottland ist viel Land in ausländischem Besitz. Ich denke allerdings: Es macht keinen Unterschied, wem das Land gehört, so lange er es gut bestellt und die Ortansässigen beschäftigt."
Diarmid Johnston schüttelt den Kopf. Agrico Polska baute seine Saatkartoffeln bislang auf Pachtland an. Kaufen will das Unternehmen nicht, im Gegenteil: Künftig sollen die Saatkartoffeln weitgehend von Vertrags-Landwirte produziert werden.
"Meine persönliche Sorge ist, dass der Wert des Ackerlands in Polen völlig überschätzt wird. Aufgrund der Trockenheit und der sandigen Böden ist der landwirtschaftliche Ertrag begrenzt. Und die Polen haben eine sehr, sehr starke Verbundenheit zum Land – das sorgt für eine, sagen wir mal, eine Überbewertung des Ackerlandes."