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Landwirte in Frankreich
Harte Arbeit, wenig Lohn

Die französische Landwirtschaft befindet sich in einer tiefen Krise. Viele Bauern sind in einer verzweifelten Lage. Sie leiden ähnlich wie ihre deutschen Kollegen etwa unter dem Preisverfall bei Milch und Schweinefleisch. Zu Tausenden gehen sie bei Protesten auf die Straße. Etliche Probleme der französischen Bauern sind aber landesspezifisch.

Von Suzanne Krause |
    Französische Bauern blockieren die Rheinbrücke zwischen Kehl und Straßburg.
    Französische Bauern blockieren die Rheinbrücke zwischen Kehl und Straßburg. (picture alliance / dpa / Uli Deck)
    Mitten in der normannischen Kleinstadt Saint-Lô kippt ein Traktor dampfenden Stall-Dung vom Hänger, direkt vor die Füße der Polizisten, die die Demonstration der Jungbauern überwachen. Wütende Landwirte zerren in einem bretonischen Groß-Supermarkt ausländische Wurstwaren aus den Regalen. Eine Armada von Treckern blockiert in Rennes, der bretonischen Hauptstadt, die Ring-Autobahn, Schweinezüchter und Milchbauern fackeln aufgetürmte Altreifen ab.
    Bilder, die kürzlich durch die französischen Medien gingen. Mehrere Wochen lang haben Landwirte, vor allem in Nord- und Westfrankreich, mit schlagkräftigen Mitteln auf ihre desolate Lage aufmerksam gemacht. Unter ihnen der Züchter Dominique Roger und seine Schwester Marie-Christine.
    "Ich habe eine Schweinemast übernommen, aus Liebe zum Beruf. Heute aber riskiere ich damit, meine Familie zu ruinieren. So kann es einfach nicht weitergehen!"
    "Meinen Bruder in einer so verzweifelten Lage zu sehen, das macht mich fertig. Ich bin bereit, für seine Rettung weiter zu kämpfen."
    Viele Landwirte stehen finanziell am Abgrund
    Der Kampf dauert schon längere Zeit. Die kürzlichen Aktionen sind eine Neuauflage der Protestwelle vom vergangenen Sommer. Die gipfelte im September 2015 darin, dass Bauern aus dem ganzen Land mit 1.500 Traktoren einen Tag lang Paris lahmlegten.
    Die Gründe, die sie auf die Straße trieben, kennen auch deutsche Bauern aus eigener leidvoller Erfahrung: Angesichts der weltweiten Überproduktion sind die Preise für die Erzeuger in den Keller gefallen, Russland verweigert weiterhin den Import europäischer Agrarprodukte, auch der Export nach China ist wegen des dortigen stockenden Wirtschaftswachstums gedrosselt.
    Der Messestand des französischen Landwirtschaftsministeriums am 27.02.2016 auf der Messe im "Salon de l'Agriculture" in Paris, nachdem er von wütenden Landwirten "zerlegt" worden war. Der französische Präsident Hollande war auf der Messe mit Pfiffen und Beschimpfungen wie "tritt zurück", "Mistkerl" oder "Idiot" empfangen worden. Die Bauern protestieren seit Monaten gegen den Preisverfall in der Landwirtschaft. JOEL SAGET / AFP
    Bauern verwüsteten den Messestand des französischen Landwirtschaftsministeriums im "Salon de l'Agriculture" in Paris. (AFP / Joel Saget)
    Darüber hinaus haben die französischen Landwirte allerdings noch ganz eigene Sorgen. Die landesspezifischen Probleme sind vielschichtig. Ein Beispiel dafür gab Thierry Merret bei einer Protestaktion vor einigen Wochen im bretonischen Rennes. Merret leitet den dortigen Regionalverband der FNSEA, der landesweit wichtigsten Bauerngewerkschaft. "Sozial und steuerlich sind wir schlechter gestellt als Bauern in anderen EU-Ländern – damit muss es ein Ende haben."
    Denn erschreckend viele der einheimischen Landwirte stehen finanziell am Abgrund, fügte Merrets Gewerkschaftskollege Didier Lucas an. "20 Prozent unserer Schweinezüchter werden demnächst ihren Betrieb dichtmachen, weitere 20 Prozent ringen ums Überleben. Das Handtuch wirft auch jeder zehnte Milchbauer. Viele von uns kämpfen hier um die letzte Chance, gehört zu werden."
    Machtlos gegen den Preisdruck
    Thierry Sagory zählt zu den Verlierern. Seit 20 Jahren produziert der Bretone Schweinefleisch; 2014 übernahm er zudem eine Ferkelzucht. Seit Januar nun ist Sagory zahlungsunfähig, das Insolvenzverfahren läuft, allmonatlich verliert der Züchter 18.000 Euro. "In spätestens drei Monaten steht hier keine einzige Sau mehr im Stall. Ich hatte mal 500 Tiere. Jeden Tag werden Säue abtransportiert. Personal habe ich auch keines mehr. Ich bin gezwungen, den Betrieb einstellen."
    Bekäme er pro Kilo Schweinefleisch nur 30 Cent mehr, könnte sein Betrieb überleben, sagt Thierry Sagory. Die Bank und die Kooperativen haben sein Restrukturierungsprojekt anfangs unterstützt. Dann ließen sie ihn fallen.
    Nun kämpft der Schweinebauer um den Erhalt des Mastbetriebs, den er vor zwei Jahrzehnten aufbaute. Doch unumwunden gibt er zu, machtlos zu sein. Der Preis für Schweinefleisch sei so niedrig, dass er, der Produzent, bei der Betriebsführung nichts mehr im Griff habe. "Ich dachte, von meinem Beruf einigermaßen gut leben zu können. Seit zwanzig Jahren züchte ich Schweine, mir scheint es nun, als hätte ich zwanzig Jahre meines Lebens verloren."
    Schweine in der Massentierhaltung.
    Schweine in der Massentierhaltung. (imago)
    Sagorys Schicksal ist trauriger Alltag. Die Zahl der französischen landwirtschaftlichen Betriebe ist in den letzten Jahrzehnten, ähnlich wie im restlichen Europa, zurückgegangen. Im traditionellen Agrarstaat Frankreich jedoch drastischer als andernorts. Denn während es in Deutschland 228.000 bäuerliche Höfe gibt, zählt das Nachbarland noch rund 450.000 Höfe. Das sind grob gesprochen halb so viele wie vor zwanzig Jahren. Darunter befinden sich zahllose kleine Betriebe. Ein französischer Schweinezüchter zum Beispiel hat durchschnittlich 200 Tiere im Stall – in Deutschland sind es 560. In Spanien gar 1.200.
    Viele Agrar-Betriebe sind beim Export nicht wettbewerbsfähig
    In Frankreich kranken viele Agrar-Betriebe an mangelnder Wettbewerbsfähigkeit beim Export, von landwirtschaftlichen Produkten ebenso wie bei veredelten Esswaren, fasst Hervé Guyomard zusammen. Guyomard ist wissenschaftlicher Direktor beim nationalen Agrarforschungsinstitut INRA. "Diejenigen, die heute leiden, sind natürlich die Betriebe, die wirtschaftlich am wenigsten leistungsstark sind. Entweder, weil sie hoch verschuldet sind – also die Berufseinsteiger, oder weil die Produktionsstruktur zu klein ist, um Sparmaßnahmen durchführen zu können. Auch die einheimischen Veredelungsbetriebe müssen an Wettbewerbsfähigkeit zulegen: Schlachthöfe und Unternehmen, die Tierprodukte verarbeiten, müssen modernisiert werden."
    Um den aktuellen Stand der französischen Landwirtschaft zu beleuchten, zieht Agrar-Experte Hervé Guyomard den Vergleich mit dem Nachbarland. "Deutschland hat zur Jahrtausendwende große Anstrengungen im Bereich Restrukturierung unternommen, beim Agrarwesen wie im gesamten Wirtschaftsbereich. Das ist der Grund, warum die deutsche Wirtschaft heute so leistungsstark ist. Im Agrarsektor betrifft dies zuallererst die Bauern im Norden des Landes. Für die Landwirte in Bayern zum Beispiel trifft das weniger zu. Die dortigen Betriebe ähneln noch mehr dem französischen Modell. Deshalb leiden heute auch die bayerischen Milchbauern unter der wirtschaftlichen Lage."
    Allerdings sollte man nun nicht glauben, sagt Hervé Guyomard, dass es in Frankreich oder auch in Deutschland nur ein einziges Agrarmodell gäbe. "Jedes Land verfügt über mehrere unterschiedliche Modelle. Beide Länder leiden heute darunter, dass die Preise für die Erzeuger zu niedrig sind. Aber dank der im vergangenen Jahrzehnt unternommenen Anstrengungen widersteht Deutschland der Krise eventuell besser als die französische Landwirtschaft."
    Deutschland hat schneller reagiert
    Berlin, resümiert der Experte, habe die EU-Agrarpolitik und all ihre Reformen viel proaktiver umgesetzt als dies in Paris der Fall sei. "Frankreich hat sich für eine ziemlich konservative Umsetzung der Reform entschieden. Man wollte den bisherigen Stand beibehalten. Deutschland hingegen setzte auf den Gedanken, dass die neue europäische Agrarpolitik dabei helfe, den landwirtschaftlichen Sektor zu restrukturieren. Das unterstützte auch den dynamischen Aufschwung. Gerade rechtzeitig, denn das brauchte Deutschland angesichts der Wiedervereinigung. Frankreich hingegen stand nicht vor einer solchen Herausforderung. Es stimmt, die Früchte dieser Restrukturierung zeigen sich heute in der Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft im Agrarsektor, vor allen bei der Tierproduktion.
     Frankreich - Lavendel
    Frankreich - Lavendel (picture alliance / dpa / Lars Halbauer)
    Jahrzehntelang galt Frankreich beim Agrar-Export als europäischer Champion. Für Weinbau und Getreide gilt dies weiterhin. Doch in anderen Bereichen hat Deutschland seinen Nachbarn seit drei Jahren überrundet.
    Hervé Guyomard nennt einen weiteren Punkt, der französische Bauern seit Jahren auf die Palme treibt: Die Dumpinglöhne, die bis Kurzem in deutschen Schlachthöfen und weiterverarbeitenden Betrieben gezahlt wurden. Für drei Euro Stundenlohn darf niemand in Frankreich arbeiten, auch kein polnischer Schlachtgehilfe.
    Kritik an der Bürokratie
    Überhaupt bietet der Job der Bauern in Frankreich täglich neue Herausforderungen. Und zwar über stark fluktuierende Weltmarkt-Preise und Wetter-Kapriolen hinaus. Davon können Thibault Guilvert und sein Vater ein Lied singen. Gerade basteln die beiden Getreidebauern an der riesigen Drillmaschine. Im Februar hat der 25-Jährige eine knappe Hälfte des Ackerbaubetriebs übernommen, 120 von 270 Hektar.
    Damit ist der Hof, im Dörfchen Soisy-Bouy, eineinhalb Autostunden östlich von Paris gelegen, nunmehr in fünfter Generation in Familienhand. Darauf ist Thibault Guilvert stolz. "Bis ich in den Betrieb einsteigen konnte, ist ein Jahr Vorlauf draufgegangen. So lange hat es gebraucht, um alle administrativen Hürden zu nehmen, alle Anlaufstellen abzuklappern. Dazu musste ich mein Projekt für die nächsten fünf Jahre ausfeilen. Grob gesagt muss ich also heute schon wissen, was ich in fünf Jahren an Ausgaben und an Einnahmen haben werde."
    Dass es ihnen im Vergleich mit anderen landwirtschaftlichen Sparten noch gut gehe, gibt Vater Pascal Guilvert offen zu. Zur Weißglut bringt ihn allerdings die tägliche Betriebsführung. "Als ich vor 30 Jahren Landwirt wurde, gab es fast keinerlei Auflagen. Es war keineswegs Pflicht aufzuschreiben, was und wie viel wir an Dünger und Pflanzenschutzmitteln ausbrachten. Damals hat man uns einfach machen lassen. Heute allerdings ist Frankreich Weltmeister im Bereich der Normen. Und auch, was die Soziallasten anbelangt. Wir unterliegen den europäischen Normen und auch noch anspruchsvolleren einheimischen Vorgaben. Darauf könnten wir gerne verzichten."
    Regierung reagiert mit Notmaßnahmen
    Auch der Hof der Guilverts hängt am Tropf der Brüsseler Agrarhilfe. Wie fast alle Bauern im Land. Laut Zahlen des Agrarministeriums in Paris verdiente ein französischer Landwirt 2014 im Schnitt 25.200 Euro. Weit unter dem Durchschnittseinkommen deutscher Bauern im selben Zeitraum: das belief sich pro Betrieb auf 63.380 Euro. Wobei: Im Pariser Zahlenspiegel wurden nur die Unternehmen berücksichtigt, die jährlich mehr als 25.000 Euro umsetzen. Das ist bei lediglich sechs von zehn Bauernhöfen der Fall. De facto, schreibt die Tageszeitung Le Monde, verfügt jeder dritte französische Landwirt über gerade mal 7.700 Euro pro Jahr.
    Biomarkt in Paris
    Eine Biomarkt in Paris. ( imago/McPHOTO)
    Auf die Notschreie der Bauern vor einigen Wochen reagierte die französische Regierung mit Notmaßnahmen. Sie forderte die großen Einzelhandelsketten, Buhfiguren der Landwirte, einmal mehr auf, den Erzeugern höhere Preise zu zahlen. Der Pariser Notplan sieht auch vor, im laufenden Jahr die Sozialversicherungsbeiträge für landwirtschaftliche Betriebe zu senken. Geringverdienern werden 2016 die Beiträge sogar komplett gestundet. Notleidende Betriebe sollen Kredite erhalten. Des Weiteren hat Paris Fortschritte betreffs der Etikettierung versprochen: Bei Fertiggerichten soll künftig das Herkunftsland des verarbeiteten Fleischs angegeben werden.
    Mit dieser Kennzeichnung sollen Lebensmittel herausgestellt werden, die vollständig in Frankreich produziert wurden. Frischfleisch, von Rind über Geflügel bis hin zu Kaninchen und Pferd, wird schon unter dem Label 'Französisches Fleisch' angeboten. Auch Keksfabrikanten zum Beispiel setzen neuerdings auf den Aufdruck: "Aus einheimischer Produktion". Solche Ware gilt als Qualitätsware – und als Garant für den Erhalt einheimischer Arbeitsplätze, wie Medien und Verbraucherorganisationen im Land regelmäßig hervorkehren. Für eine Herkunftsnachweis-Pflicht von Fleisch in Fertiggerichten solle Paris auch Brüssel begeistern, wünschen sich die französischen Erzeuger. Wohl wissend, dass die EU dem Gedanken sehr ablehnend gegenübersteht.
    Rechnung ohne den Verbraucher
    Die französischen Fleischproduzenten und die Veredelungsindustrie versprechen sich von den blau-weiß-roten Labeln einen Wettbewerbsvorteil. Denn heute überschwemmen Fleisch und Wurst aus Deutschland den französischen Markt, stehen die Kunden Schlange vor den Theken einer Fleischhandelskette, die Billigware von der anderen Rheinseite verkauft.
    Die Billigkonkurrenz allerdings ist nicht der einzige Grund, warum französische Fleischproduzenten die Rechnung ohne den Wirt, respektive den Verbraucher machen, sagt Hervé Guyomard vom nationalen Agrarforschungsinstitut INRA. "In Frankreich sinkt der Verzehr tierischer Produkte. Milchprodukte verzeichnen keinen Einbruch, Fleisch und Wurstwaren hingegen deutlich. Wenn aber im Inland die Nachfrage zurückgeht, ist es schwierig, hier auf wirtschaftlichen Zuwachs zu hoffen."
    Der Trend hin zu einer fleischärmeren Ernährung ist auch in Deutschland zu beobachten. In Frankreich allerdings ist die Nachfrage weitaus deutlicher gesunken. Daran sind nicht nur die Lebensmittel-Skandale der letzten Jahrzehnte schuld, vom Rinderwahn über Dioxin-Hühner bis zu Pferdefleisch-Lasagne, sondern auch die generelle Krise, in der die französische Wirtschaft steckt, sowie ein geschärftes Bewusstsein für ökologische Fragen und für das Tierwohl.
    Veganes Essen aus Linsen, Kürbis, Zwiebeln und Tomaten auf einem Teller
    Veganes Essen. In Frankreich ist der Trend zum Verzicht auf Fleisch noch stärker als in Deutschland. (picture alliance / ZB / Jens Kalaene)
    Die Bürger träumen vom bäuerlichen Idyll
    Auf ihrem Teller wünschen sich viele Franzosen Lebensmittel aus traditioneller Herstellung: hochwertige Agrarprodukte von kleinen Familienbetrieben. Ihre Weltsicht sei ein wenig naiv, sagt Bauer Thibault Guilvert. "Ich glaube, die Franzosen hängen sehr an den familiären Höfen. Sie wollen weiterhin in den Feldern spazieren gehen, die Landschaft soll idyllisch sein, hier ein paar Hecken, da ein paar Kühe. Sie träumen davon, Pilze und Blumen zu pflücken. Das aber steht komplett im Widerspruch zu dem, wohin der Markt heute tendiert: Höfe nach amerikanischem Vorbild, mit riesigen Feldern."
    Schlechte Weltmarktpreise, gesunkene Exportmöglichkeiten, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, unzählige Normen und Auflagen, Bürger, die von bäuerlichem Idyll träumen! Angesichts all dessen wirken die von der Regierung kürzlich beschlossenen Notmaßnahmen wie ein kleines Pflaster auf einer riesigen Wunde.
    Vor eineinhalb Jahren hat Paris das "Gesetz für die Zukunft der Landwirtschaft" verabschiedet. Unter dem Schlagwort "Agrar-Ökologie" wollte Landwirtschaftsminister Stéphane Le Foll darin eine Reform verankern, um Agrar-Betrieben zu ermöglichen, ökologische und ökonomische Leistungsfähigkeit miteinander auszusöhnen. Ein ambitioniertes Projekt, das von Lobbygruppen verwässert wurde. Vor allem vom mächtigen Bauerngewerkschaftsverband FNSEA, Hochburg der Getreidezüchter. Einmal mehr wehrte sich dieser gegen weitere Maßnahmen zum Umweltschutz.
    Ein Auskommen in der Nische
    Um Auswege aus der Dauerkrise zu finden, gibt es kein neues Standardmodell, keine Allzwecklösung, sagt Hervé Guyomard, Wissenschafts-Direktor der INRA: "Um die Umwelt besser zu schützen und gleichzeitig den Betrieb wirtschaftlich tragfähig zu machen, braucht es Forschung, Innovation, Entwicklung, Wissens-Transfer, die wirklich den lokalen Eigenheiten der Höfe angepasst sind."
    Ein Lebensmittelgeschäft in Riquewihr, Elsass, Frankreich.
    Regionale Produkte werden immer gefragter. Ein Lebensmittelgeschäft in Riquewihr, Elsass, Frankreich. (picture alliance / dpa / Lars Halbauer)
    Michel Kerangueven hat seinen Ausweg aus der Krise gefunden. 1979 hatte der Bretone im tiefsten Westen eine konventionelle Schweinezucht aufgemacht, als Quereinsteiger, aus Leidenschaft für das Metier. Doch der Druck, mehr und mehr produzieren zu müssen, führte Kerangueven direkt in den Konkurs.
    Mittlerweile züchtet der Bauer zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn erneut Schweine, allerdings stehen nur noch sieben Tiere im Stall. Dafür aber im Bio-Betrieb. Wie die zehn Kühe auf der Weide. Das Fleisch verarbeitet er selber, zu Pasteten und Wurst – Waren, die er auf den umliegenden Märkten feilbietet. Und für die Michel Kerangueven bei der gigantischen Landwirtschaftsmesse warb, die immer im Februar in Paris stattfindet.
    "Sie wenden sich dem Schlimmsten zu, den Rechtsextremen"
    "Auf der Messe habe ich dieses Jahr viele Kollegen getroffen, die alle in ihrer Ecke ein Auskommen und ein Savoir-faire bei der Verarbeitung ihrer Agrarprodukte entwickelt haben. Sie produzieren lokale Qualitätsware. Ich denke, wir müssen näher an die Verbraucher herankommen, indem wir unsere Produkte selbst verarbeiten und veredeln. Damit kann der Bauer seinen Stolz wiedergewinnen."
    Der Mann neben Kerangueven nickt: seit Jahren ist er Stammkunde am Marktstand. "Meine Frau und ich stehen voll hinter dieser Philosophie. Wir als Verbraucher stehen ja ganz am Ende der Ernährungskette. Und wir kaufen mehr und mehr bei Kerangueven und ähnlichen Erzeugern ein. Denn Billigware hat man uns nun lang genug aufgeschwätzt. Davon haben wir jetzt die Nase voll. Wir möchten nun authentische Ware verzehren, lokale Produkte mit unverwechselbarem Charakter, um damit auch die Wirtschaft unserer Region zu unterstützen."
    Michel Kerangueven kann von seinem winzigen Bio-Hof leben. Damit geht es ihm besser als vielen anderen Bauern im Land. Sorgen bereitet dem Schweinezüchter allerdings, in welche politische Richtung sich sein Berufsstand entwickelt. "Bei der Landwirtschaftsmesse vor einigen Wochen war etwas Neues spürbar: Die Leute haben die Richtung verloren. Sie sind nun bereit, sich dem Schlimmsten zuzuwenden. Das Schlimmste für mich, das sind die Rechtsextremen. Die Buhrufe, mit denen die Bauern François Hollande bei der Messeeröffnung empfangen haben, die hätten sie sich eher für die aufsparen sollen, die sie hinters Licht führen wollen– also Marine Le Pen. Sie wurde bei ihrem Messebesuch von vielen mit offenen Armen empfangen.