"Wir sind hier auf der ersten schwimmenden Farm der Welt. Es ist eine Milchwirtschaft mit Kühen - auf dem Wasser. Wir sehen hier eine Farm in drei Schichten. Unten haben wir die Schwimmvorrichtung. In der Mitte die Ebene der Prozesse und oben den Stall für unsere Kühe."
Minke van Wingerden betreibt in einem ehemaligen Hafenbecken am Stadtrand von Rotterdam zusammen mit ihrem Mann Europas ersten schwimmenden Milchviehbetrieb.
Ein Erlebnis in New York brachte Ehemann Peter 2012 auf die Idee: Nach einem Hurricane standen Teile von Manhattan unter Wasser. Die Supermarktregale blieben leer, weil die Lastwagen nicht mehr auf die Insel fahren konnten.
"Wir wollen Lebensmittel möglichst nahe am Verbraucher herstellen. Diese leben in der Stadt. Platz dafür haben wir auf dem Wasser. Dort sehen dann die Stadtkinder, wie zum Beispiel eine Tomate wächst oder die Milch gemacht wird."
Landwirtschaft auf dem Wasser spart so Transporte und entlastet das Klima.
Ziel ist ein autarkes Kreislaufsystem
"Wir sind bald bei neun Milliarden Menschen. Da frage ich mich, wie wir die alle satt bekommen. Wir betonieren das Land immer weiter zu, obwohl 70 Prozent der Erdoberfläche aus Wasser besteht und die Meeresspiegel steigen."
Das sagte Peter van Wingerden 2016. Keine zwei Jahre später ging die schwimmende Farm der Wingerdens in Betrieb. 34 Kühe leben auf einem 27 mal 27 Meter großen Ponton, der mit Ebbe und Flut steigend und fallend in einem ehemaligen Hafenbecken schwimmt. In der Etage unter dem Kuhstall wird die Milch direkt verarbeitet.
Minke van Wingerden: "Sie wird nur pasteurisiert und homogenisiert. So entsteht eine Milch mit vollem Fettgehalt. Deshalb schmeckt sie so wunderbar cremig."
Ein feuerroter Roboter fährt im Kuhstall hin und her. Er sammelt den Mist der Kühe ein und leitet ihn in einen Seperator. Dieser trennt den Nass- vom Trockenanteil des Dungs.
"Der Trockenanteil wird dann sterilisiert und in den städtischen Parks und Gärten als Dünger verwendet. Wir arbeiten im Moment an einem Konzept, wie man die Mineralien aus dem Nassanteil des Mists heraus filtern kann. Den Rest könnte man dann ins Abwasser leiten."
Ursprünglich wollten die Wingerdens auf ihrer schwimmenden Farm ein komplett autarkes Kreislaufsystem schaffen. Doch so weit sind sie noch nicht.
"Ursprünglich wollten wir das Gras für die Kühe unter LED-Licht auf der Ebene unter dem Kuhstall wachsen lassen. Leider ist die Fläche nicht ergiebig genug und es wäre sehr teuer. Deshalb haben wir uns in der Stadt umgesehen und dort eine Menge Abfallprodukte gefunden, mit denen wir die Kühe füttern können. Sie upcyceln diese Biomasse sozusagen zu gesunder Milch."
Was die Baristas lieben
Die Kühe bekommen jetzt Gras von Wiesen eines Naturschutzgebiets an Land, Kartoffelschalen eines Pommes-Herstellers und die Bioabfälle einer Rotterdamer Brauerei. 2,7 Millionen Euro haben die Wingerdens in ihre Farm investiert. Mit zehn Angestellten trägt sich das Geschäft, obwohl die Milch mit 1,50 Euro für einen dreiviertel Liter deutlich teurer ist als herkömmliche.
"Die Baristas zum Beispiel lieben unsere Milch, weil sie so gut für Cappuccino ist. Wir verkaufen sie direkt an Restaurants und Cafés. Ein Spediteur liefert unsere Produkte mit Elektroautos außerdem direkt zu Lebensmittelgeschäft überall in der Stadt. Und dann haben wir hier auf dem schwimmenden Bauernhof noch einen kleinen Laden, in dem die Endverbraucher freitags und samstags unsere Milchprodukte kaufen."
Den Kühen scheint es im Stall auf dem Wasser gut zu gehen. Sie sehen gesund und zufrieden aus.
"Unsere Tiere sind MRI Kühe, Maas-Rhein-Ijssel. Das ist eine typisch niederländische Rasse. Sie eignen sich für die Milch-und die Fleischproduktion. Wir haben sie genommen, weil sie einen ruhigen Charakter haben."