Große Ställe voll mit tausenden von Legehennen oder Masthühnern – der Kampf gegen Krankheiten ist in solchen Großbetrieben immer wieder ein Thema. Im nordwestlichen Niedersachsen soll das Internet-Portal "aniplus" künftig den Landwirten bei diesem Kampf helfen – mit dem Ziel, den Einsatz von Antibiotika weiter zu reduzieren. Den Tierarzt werde das Onlineportal aber nicht ersetzen, betont Projektleiterin Maria Gellermann.
"Was wir keinesfalls sein wollen ist ein 'Net-Doktor" – ein Selbst-Diagnosetool. Das haben wir verhindert, indem wir auf jeder Web-Site nicht die eine Lösung zeigen, sondern immer auch viele weiterführende Lösungen gleichzeitig zeigen."
Tiergesundheit stärken
Massenhafter Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung – egal ob bei Hühner oder Puten, Schweinen oder Ferkeln – lasse sich eben am besten verhindern, indem die Ursachen für Krankheiten – so weit wie möglich – ausgeschaltet werden. Haltungsbedingungen optimieren, und zwar mit dem Focus auf eine nachhaltige Tiergesundheit – das sei die beste Medizin, erläutert der ehemalige niedersächsische Landwirtschaftsminister und Vorsitzende des Agrar- und Ernährungsforums Oldenburg Münsterland, Uwe Bartels.
"Das oberste Ziel ist, die Tiergesundheit sozusagen präventiv zu erhalten und zu stärken. Wenn dann Krankheiten auftreten, das frühzeitig zu erkennen, Sensibilität zu haben auf den Tierhalter kommt es an, und dann kann er agieren – das ist das Ziel."
Aniplus soll dabei eine Art Anleitung sein für die Landwirte – im Prinzip ist es eine große Sammlung von Fachartikeln über verschiedene Krankheiten und ihre Ursachen. Darüber hinaus soll das Onlineportal aber auch Hilfestellungen, Ratschläge anbieten – den Landwirten helfen die Krankheitsursachen frühzeitig zu erkennen und zu beseitigen. Der Idealfall wäre, "dass der Landwirt frühzeitig merkt, hier wäre es besser, wenn ich mein Haltungssystem an der und der Stelle verändere. Wenn ich den Tieren meinetwegen mehr Platz geben, wenn ich den Tieren mehr Einstreu gebe, wenn die Futterzusammensetzung eine andere ist – und das führt präventiv, bevor irgendetwas passiert ist, möglicherweise auch zu Veränderungen in der Tierhaltung."
Bundesweit müssen Nutztierhalter seit gut zwei Jahren halbjährlich ihren Antibiotika-Einsatz melden – wer deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt, muss einen Plan vorlegen, der am Ende den Antibiotika-Einsatz verringern soll. Bei der Ausarbeitung dieses Maßnahmenplans wolle man den Landwirten zusätzliche Hilfe anbieten, betont Niedersachsens grüner Agrarminister Christian Meyer.
"Wir sind das Zentrum der Nutztierhaltung – allein bei uns sind 21.000 Betriebe, die dem Antibiotika-Gesetz unterliegen. 6.000, immer das schlechteste Viertel, muss halbjährlich einen Maßnahmenplan machen, und da unterstützt diese neue Plattform die Betriebe dabei, wirklich sinnvolle Maßnahmen zu machen, die sowohl der Tiergesundheit dienen, als auch der Reduktion des Antibiotika-Einsatzes."
Reduktion des Antibiotika-Einsatzes
Die Initiative für das neue Onlineportal "aniplus" ist dabei von den Landwirten selbst ausgegangen – für den Agrarminister ein Indiz für ein gewisses Umdenken in der Branche.
"Das finde ich eigentlich sehr gut, dass wir nicht mehr groß rum lamentieren, ob es überhaupt ein Problem gibt, sondern ich glaube, die Bereitschaft der Landwirte, diese konkreten Vorschläge, die für die Landwirte sehr praxistauglich sind – mal zu schauen was ist mit der Lüftung, was ist mit der Einstreu, welche Tränke-Einrichtungen, Empfehlungen, gibt es dort – das zu verbessern, das ist glaube ich sehr praxisnah und wird ja auch mit den Landwirten zusammen erarbeitet."
Nicht der Weisheit letzter Schluss
Um 30 bis 50 Prozent – je nach Tierart – habe man in Niedersachsen in den vergangenen eineinhalb Jahren den Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung bereits reduziert, betont Minister Meyer – "aniplus" könne sicher helfen, die von der Landesregierung angestrebte Halbierung innerhalb von fünf Jahren zu erreichen. So ganz kann die Euphorie des grünen Agrarministers allerdings nicht jeden überzeugen – Vertreter von Tier- und Umweltschutzorganisationen erwarten deutlich mehr. Ein Online-Beratungsportal sei sicher nicht der Weisheit letzter Schluss, kritisiert Tilmann Uhlenhaut vom BUND Niedersachsen.
"Nein, es ist ein Schritt, einer von vielen, die auch ausprobiert werden. Wir begrüßen, dass sich die Massentierhaltungsaktiven, die Lobbyisten dort, auch gesellschaftlichen Forderungen langsam öffnen, aber wir sehen noch nicht darin die große Agrarwende, die erforderlich ist, um Mensch, Tier, Umwelt zu schützen!"