Landwirtschaft
Warum die Schweinebauern in der Krise stecken

Branchenverbände schlagen Alarm: Wegen mehrerer Krisen geben immer mehr Schweinezucht-Betriebe auf. Das könnte auch Folgen für die ohnehin gestiegenen Lebensmittelpreise haben. Agrarminister Özdemir will den Landwirten bei anstehenden Veränderungen helfen - und ein Tierhaltungssiegel für Schweinefleisch einführen.

    Ein Landwirt füttert Schweine auf einem Bauernhof
    Immer mehr Schweinebauern geben ihren Betrieb auf (picture alliance / dpa Themendienst / Florian Schuh)
    Steigende Preise als Folge des Ukraine-Kriegs, ein zurückgehender Fleischkonsum, neue staatliche Vorgaben: Die Schweine-Landwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland steckt in einer Krise - immer mehr Bäuerinnen und Bauern hören auf.

    Wie ist die Lage der Schweinebauern?

    Es gibt im Moment so wenig Schweine wie seit gut 30 Jahren nicht mehr. In Deutschland werden derzeit noch rund 650.000 Schweine pro Woche geschlachtet - früher waren es fast doppelt so viele.
    Kleinbetriebe ächzen schon länger und viele haben den Betrieb bereits aufgegeben. Jetzt klagen teilweise auch größere Betriebe über zunehmend schwierige Rahmenbedingungen. Die Schweinezucht lohne sich nicht mehr, wenn ein Bauer ein Schwein für 150 bis 180 Euro verkaufen kann, aber für Futter, Impfungen und Heizen schon 200 Euro bezahlt.
    Viele Landwirte geben auf: Das macht Schweinefleisch teurer - sorgt aber auch für mehr Importe aus dem Ausland. Das Branchenmagazin "Agrar Heute" berichtete bereits Ende 2021, dass die Zahl der Schweine in einem Jahr um zehn und die der Bauern um acht Prozent gesunken sei. In der Schweinehaltung "schrillen die Alarmglocken", hieß es. Die Anzahl der Betriebe mit Schweinehaltung geht immer weiter zurück - auf derzeit knapp 18.000. Vor 20 Jahren hatte ein Bauer im Durchschnitt etwa 200 Schweine - heute sind es sechs Mal so viele.
    Nach Angaben des Statistischen Bundesamts von Mitte November 2022 sind die Preise für Schlachtschweine zuletzt um gut 63 Prozent gestiegen. Dies sei im Wesentlichen auf das geringe Angebot schlachtreifer Schweine bei gleichbleibender Nachfrage zurückzuführen, erklärte das Statistikamt. Doch diese jüngsten Preissteigerungen kommen offenbar bei vielen Bauern nicht an.

    Was sind die Ursachen?

    Es sind gleich mehrere Krisen, die die Branche plagen. Erst brachen wegen der Corona-Pandemie viele Restaurants als Abnehmer der Schweinebauern weg. In der aktuellen Inflations- und Energiekrise kosten zudem das Futter und das Heizen mehr.
    Hinzu kommen die Folgen der Schweinepest. China und Südkorea haben entschieden, keine deutschen Schweine mehr zu kaufen. Das ist ein großes Problem, denn Asien war ein Riesen-Absatzmarkt für deutsche Landwirte. Dort wurden zum einen auch jene Teile vom Schwein nachgefragt, die es hierzulande meist nur verarbeitet als Wurst ins Kühlregal schaffen: Ringelschwänzchen, Pfoten und Ohren. Gut die Hälfte der Exporte nach China vor Ausbruch der Schweinepest machte außerdem wertvolles Muskelfleisch aus.
    Ob sich der chinesische Exportmarkt jemals wieder deutlich belebt, gilt als fragwürdig. Denn Chinas Regierung hat mittlerweile eigene Megaställe zur Produktion von Schweinefleisch aufgebaut, deren Kapazitäten die europäischen weit übertreffen.
    Ein weiteres Problem: das negative Image der Fleischindustrie wegen der schlechten Behandlung und Bezahlung von osteuropäischen Arbeitskräften. Die Massentierhaltung hat das öffentliche Ansehen der Schweinehaltung ebenfalls ramponiert: Die allermeisten Schweine in Deutschland haben nur wenig Platz und sehen nie das Tageslicht. Immer wieder gab und gibt es Skandale wegen Tierschutz-Missständen in der Schweinehaltung. Hinzu kommt, dass der Fleischkonsum der Bevölkerung in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Und ein anderer Teil der Bevölkerung kauft gerade in der Inflation vor allem billiges Fleisch.
    Fleischverbrauch in Deutschland pro Kopf in den Jahren 1991 bis 2020(in Kilogramm)
    Fleischverbrauch in Deutschland pro Kopf in den Jahren 1991 bis 2020(in Kilogramm) (Statista)

    Was plant die Politik?

    Schon lange debattiert die Politik darüber, dass die Landwirtschaft moderner und ökologischer werden soll - im Einklang mit Klimaschutzzielen und Tierschutzvorgaben.
    Ein großes Problem ist etwa die hohe Nitrat-Belastung der Böden in Regionen mit Intensivschweinehaltung. Viele Tiere bedeuten auch viel Gülle, die entsorgt werden muss. Böden können aber nur begrenzt Gülle aufnehmen, der Überschuss landet im Grundwasser und führt zu erhöhter Nitratbelastung im Trinkwasser. Eine neue Düngeverordnung und strengere Kontrollen sollen die Verschmutzung eindämmen - die Entsorgung der Gülle wird damit aber auch teurer für die Bauern.
    Die Ampel-Regierung im Bund bereitet neue Regeln für die Schweinebauern vor. Die verpflichtende Kennzeichnung für inländische Erzeugnisse soll nach Plänen von Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) im ersten Schritt 2023 mit frischem Schweinefleisch starten. Geplant ist ein System mit fünf Kategorien. Es beginnt bei der Haltungsform "Stall" mit den gesetzlichen Mindestanforderungen. Es gibt weitere Kategorien bis hin zu "Bio". Damit die Schweinehalter ihrer Ställe umbauen können, um eine höhere Kategorie zu erhalten, sollen eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt werden - damit auch laufende Kosten in den kommenden 10 Jahren gefördert werden können, so der Agrarminister im Dlf am 19.01.2023. Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter forderte im Sommer 2022 von der Politik "ein Auflagenmoratorium, um die Schweinehalter nicht noch zusätzlich zu belasten".
    Im Dlf-"Interview der Woche" sagte der grüne Agrarminister den Bauern Unterstützung zu: "Zusammengefasst lässt sich sagen, der Gedanke ist: Wir brauchen weniger Tiere: Beitrag zum Klimaschutz. Den Tieren mehr Platz geben: Beitrag zum Tierschutz. Ein staatlich verbindliches Label, sodass Ihre Zuhörerinnen und Zuhörer beim Einkaufen sehen: Wie ist das Tier gehalten worden? Eine bewusste Entscheidung treffen können und gleichzeitig eine Hilfe für die Landwirtinnen und Landwirte, dass sie das alles stemmen können." Zudem gibt es vom Ministerium Hilfsprogramme für die Landwirtschaft wegen Folgen des Ukraine-Kriegs.
    Onlineredaktion, Martin Teigeler, Sandra Pfister, dpa, Reuters