Christiane Knoll: Phosphor wird irgendwann knapp. Wir brauchen ihn für die Felder, denn ohne Phosphor wächst nichts. Das ist aber nicht das einzige Problem: Zu viel des Guten schadet. Der Phosphor aus dem Dünger gelangt von den Feldern in die Gewässer. Ein Überangebot an Nährstoffen, das den Seen und Bächen massiv schadet. Deshalb ist das, was gerade in Oberfranken untersucht wird, ziemlich spannend: ein Stoff, der weder knapp noch heikel ist, könnte die Probleme entschärfen: Silizium. Wie das gehen könnte, habe ich Dr. Jörg Schaller von der Universität Bayreuth gefragt. Angenommen es läuft optimal für das Projekt Silizium, wie könnte das Szenario am Ende dann aussehen: Was würden Landwirte auf die Felder streuen?
Jörg Schaller: Die würden entweder Kieselsäure auf die Felder streuen oder amorphe Siliziumstrukturen, die dann Kieselsäure abgeben.
Knoll: Sand wäre keine Option?
Schaller: Sand wäre keine Option, da das Silizium in Sand nicht verfügbar ist.
Knoll: Phosphor ist in den meisten Böden vorhanden, trotzdem haben die Pflanzen oft nichts davon. Warum ist das so?
Schaller: Weil große Mengen des Phosphors als Phosphat zum Beispiel an Eisenmineralien gebunden sind und dann eine feste Bindung eingehen, sodass die Pflanzen nicht auf diesen Phosphor zugreifen können.
Knoll: Das heißt, wie groß ist das Reservoir, das da in den Böden schlummert?
Schaller: Das kann von recht gering bis zu enormen Mengen reichen. Es kommt darauf an, was das für Böden sind.
Knoll: Sagen Sie mal so eine Größenordnung. Wie lange würde der Phosphor eigentlich reichen, wenn er verfügbar wäre?
Schaller: Das kann zwischen wenigen Monaten bis zu Jahren, Jahrzehnten reichen.
Bodenproben aus Spitzbergen und Grönland
Knoll: Und genau da setzt jetzt Ihre Arbeit an. Sie wollen Silizium nutzen, um diesen Phosphor verfügbar zu machen. Dazu haben Sie sich Bodenproben aus der Arktis schicken lassen nach Bayreuth. Warum?
Schaller: Wir wollten Böden, die unverfälscht sind von anthropogenen Aktivitäten, also wirklich noch naturbelassene Böden, und da bieten sich die arktischen Böden doch sehr an.
Knoll: Waren Sie da selber unterwegs und haben gesammelt?
Schaller: Nein, die haben die Kollegen für mich eingesammelt.
Knoll: Also da haben Sie diverse Institute angeschrieben und sich Bodenproben schicken lassen aus Spitzbergen, Grönland.
Schaller: Ja, genau.
Knoll: Was genau haben Sie mit diesen Proben jetzt gemacht?
Schaller: Wir haben die inkubiert mit unterschiedlichen Konzentrationen von verfügbaren Silizium, um dann zu schauen, inwieweit das Silizium den Phosphor von den Bodenmineralen mobilisiert. Das war der eine Teil, und der zweite Teil war, wir haben uns dann nach der Siliziumdüngung am Ende des Versuchs noch die Bodenminerale angeschaut und dann gesehen, wie Silizium die Oberflächen der Bodenminerale verändert hat.
Viel Silizium bringt viel Phosphor
Knoll: Und zu welchem Schluss kommen Sie, was zeigen die Ergebnisse?
Schaller: Die Ergebnisse zeigen recht eindeutig, dass man mit einer Erhöhung der Siliziumverfügbarkeit in Böden große Mengen an Phosphor, festgebundenem Phosphor mobilisieren kann, also Pflanzen verfügbar machen kann.
Knoll: Also genau das, was man sich eigentlich wünschen würde.
Schaller: Genau das, was man sich wünschen würde, ja.
Knoll: Was Sie jetzt so erzählen, klingt doch recht naheliegend. Warum hat man jetzt erst nachgeguckt? Warum sind Sie auf die Idee gekommen, das anzugehen?
Schaller: Ja, das ist recht einfach zu erklären, weil die ganzen Nutzpflanzen Siliziumakkumulatoren sind, das heißt, sie reichern große Mengen Silizium in ihrer Biomasse jährlich an, und durch die Ernte werden dadurch jährlich große Mengen an verfügbarem Silizium exportiert. Das führt dann dazu, dass die Siliziumverfügbarkeit speziell in Agrarböden stark zurückgeht, und genau deshalb haben wir uns das mal angeschaut, was denn wieder auffüllen, ein Erhöhen der Siliziumverfügbarkeit bewirken würde. Wir sind dann auf Hinweise gestoßen aus dem marinen Bereich, die das auch schon mal zeigen konnten, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der marinen Siliziumverfügbarkeit und der marinen Phosphorverfügbarkeit. Das haben wir dann quasi auf die landwirtschaftlichen oder auf die Böden übertragen.
Knoll: Auch Silizium kann man nicht ganz unbedenklich in frei verfügbarer Menge auf die Felder bringen. Was genau muss man da jetzt beachten?
Schaller: Wir müssen genau wissen, welche Mengen wir auf die Felder bringen müssen. Wenn wir jetzt einen Boden haben, wo sehr viel Phosphor fest gebunden ist, und wir steigern die Siliziumverfügbarkeit zu schnell, dann mobilisieren wir zu viel Phosphor, das zum einen nicht von den Pflanzen genutzt werden kann, also die Pflanzen nehmen nur einen gewissen Teil auf, und der Rest kann ausgewaschen werden und führt dann wieder zu Problemen in den Gewässern. Also die zukünftige Forschung muss herausfinden, bei welchen Phosphorverfügbarkeiten in welchen Böden wir welche Mengen an Silizium zugeben müssen, um den gewünschten Effekt zu erzielen.
Phosphorpreise werden steigen
Knoll: Gibt es denn heute schon Produkte, die man nutzen könnte?
Schaller: Ja, man könnte verschiedenste Gesteinsmehle nehmen. Es gibt auch noch Kieselsäure so zu kaufen, aber das ist alles nicht für die Mengen ausgelegt, die derzeit in der Landwirtschaft benötigt werden.
Knoll: Wie würde sich das dann mit den Kosten darstellen? Wäre das Ganze viel günstiger als die Phosphordünger?
Schaller: Das ist jetzt gerade noch nicht abschätzbar. Das kommt drauf an, welche Verfahren in der Industrie sich dann durchsetzen.
Knoll: Aber das heißt, es ist noch nicht gesagt, ob dieser Ansatz, den Sie jetzt gerade verfolgen, auch tatsächlich zu einer praktikablen Lösung auf den Feldern führen würde.
Schaller: Ja, ich denke doch, dass das schon praktikabel sein wird, da Gesteinsmehle dann doch recht günstig produziert werden können und ich auch davon ausgehe, dass der Phosphorpreis in den nächsten Jahren, Jahrzehnten auch immer sich mehr erhöhen wird, je knapper der Ressource wird.
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