Steinhausen, ein Dorf in der Nähe von Wismar. Michael Brink, der Geschäftsführer der Agrargenossenschaft, steht vor dem kleinen Verwaltungsgebäude, eine Baracke, mittlerweile saniert. Die Agrargenossenschaft ging nahtlos aus der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) hervor, die einst Mittelpunkt und Epizentrum von Steinhausen war.
"Also vor 1990 war es tatsächlich so, dass 80 Prozent der Leute im Dorf auf der LPG gearbeitet haben. Heute ist es so, dass der Anteil der arbeitenden Bevölkerung im Dorf, die dann in unseren Betrieben arbeiten, ist bei, ja, würd ich sagen, maximal ein bis zwei Prozent. Das heißt, wir müssen natürlich auch unsere Rolle und das was wir machen, ständig neu erklären."
Michael Brink hat schon Kindheit und Jugend auf der LPG verbracht. Nach der Wende studierte er Agrarwissenschaft, arbeitete in Westdeutschland. 1997 kehrte er als Geschäftsführer zurück nach Steinhausen. Auch wenn die Bedeutung der Betriebe für die Orte dramatisch abnahm, ist die Entwicklung der Landwirtschaft in Ostdeutschland eine Erfolgsgeschichte. Und das sogar schon vor 1990.
"Der einzige Bereich, der nicht nur konkurrenzfähig war, sondern bessere Effizienzen aufzuweisen hatte, als das im Westen zum großen Teil der Fall war, war der Bereich der Landwirtschaft. Also wir haben ja hier unter besseren Arbeitsbedingungen zum Teil in der Landwirtschaft schon vor der Wende gearbeitet, als es im Westen der Fall war."
Die neu gegründeten Agrargenossenschaften hatten gute Chancen, mit den Betrieben im Westen mitzuhalten – oder sogar, sie zu überholen. "Der späte Erfolg der DDR", so beschreibt es der Soziologe Bernd Martens, der sich mit der Landwirtschaft in Ostdeutschland beschäftigt hat:
"Es gibt einen Größeneffekt in dieser Form der Landwirtschaft. Und größere Betriebe, die möglicherweise dann auch spezialisiert sind, haben bessere Chancen. Schon in der DDR gab es ja diese Riesenfelder, die dann eben mit großen Maschinen bearbeitet werden konnten, und diese Größeneffekte konnten dann nach der Wende sozusagen ausgespielt werden."
Betriebsgröße als Erfolgsfaktor
1989 gab es über 3.800 LPGs. Jede bewirtschaftete im Durchschnitt eine Fläche von deutlich über 1.000 Hektar.
"Wir haben den modernsten Mähdrescher der Welt mal präsentiert, den E512, mit dem ich selber noch gefahren bin", sagt Till Backhaus. Er ist seit 1998 Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern und damit Deutschlands dienstältester Minister. Der studierte Agrarwissenschaftler war bis 1990 selbst in der Landwirtschaft tätig, zuletzt als Abteilungsleiter in der LPG Lübtheen.
"Wir haben den modernsten Mähdrescher der Welt mal präsentiert, den E512, mit dem ich selber noch gefahren bin", sagt Till Backhaus. Er ist seit 1998 Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern und damit Deutschlands dienstältester Minister. Der studierte Agrarwissenschaftler war bis 1990 selbst in der Landwirtschaft tätig, zuletzt als Abteilungsleiter in der LPG Lübtheen.
"Wir haben schon mit zehn Meter Arbeitsbreite zu DDR-Zeiten gearbeitet, um Getreide auszusähen, ja? Der sogenannte Kopplungswagen, der mit dem ZT 303, also mit 100 PS, eine zehn Meter breite Drillmaschine gezogen hat."
Der Ursprung der Genossenschaften geht auf die Bodenreform von 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone zurück. Unter der Devise "Junkerland in Bauernhand" wurden Bauern, die mehr als 100 Hektar besaßen, enteignet. Das Land wurde auf Neubauern verteilt, Landarbeiter oder Flüchtlinge. Wenige Jahre später, in den Anfangsjahren der DDR, wurden die Landbesitzer gezwungen, ihr Land in die Produktionsgenossenschaften einzubringen.
"Bis es dann Ende der 50er-Jahre keine freien Bauern mehr gab. Und sie ist aber nach der Wende durch freiwillige Entscheidung derjenigen, die dann eben in den LPGs beschäftigt waren, aufrechterhalten worden. Die ursprüngliche Planung war, dass diese Agrarstrukturen im Osten den Agrarstrukturen im Westen angeglichen werden sollen. Also die große Ironie besteht darin, auf der einen Seite das, was gegen große Widerstände umgesetzt wurde, ist als freie Entscheidung weitergeführt worden."
Bauern fordern nach der Wende ihr Mandat
Die Bundesregierung in Bonn nahm bald Abstand davon, dem Osten westdeutsche Agrarstrukturen aufzuerlegen. 1992 hatten sich 3.000 ehemalige LPGs umgewandelt, die meisten zur Agrargenossenschaft. Auf dem Weg dorthin haben die Bauern früh ihre Macht ausgespielt. Am 18. Dezember 1989 kam zum zweiten Mal der Zentrale Runde Tisch zusammen, das zwar legitime, aber von der Verfassung der DDR nicht vorgesehene Instrument des Übergangs. Die Bauern fordern lautstark ihr Mandat ein. Und sie bekommen es.
"Können Sie mal kurz zusammenfassen, was passiert ist? Denn ursprünglich war ja schon beschlossen, dass ihre Vertreter nicht teilnehmen."
"Nach weiterer Diskussion hat die SED, vertreten durch Gysi, gesagt, wir verzichten auf einen Platz der SED, damit die Bauern mit einer Million Menschen Platz nehmen können am Runden Tisch. Weil es Gruppen gibt mit wenig Menschen, die hier Platz haben. Ist ein Glück für unsere Bevölkerung. Sonst hätten sie eventuell Weihnachten mal keine Ente, keine Milch, keinen Käse und kein Brot bekommen. Auf dem Rücken der Bauern wird diese Demokratie in dieser Form von wenigen Menschen nicht organisiert!"
"Können Sie mal kurz zusammenfassen, was passiert ist? Denn ursprünglich war ja schon beschlossen, dass ihre Vertreter nicht teilnehmen."
"Nach weiterer Diskussion hat die SED, vertreten durch Gysi, gesagt, wir verzichten auf einen Platz der SED, damit die Bauern mit einer Million Menschen Platz nehmen können am Runden Tisch. Weil es Gruppen gibt mit wenig Menschen, die hier Platz haben. Ist ein Glück für unsere Bevölkerung. Sonst hätten sie eventuell Weihnachten mal keine Ente, keine Milch, keinen Käse und kein Brot bekommen. Auf dem Rücken der Bauern wird diese Demokratie in dieser Form von wenigen Menschen nicht organisiert!"
Volkseigene Güter verschwinden
Vielleicht ist es das große Glück der Landwirtschaft im Osten, dass Landeigentümer ihre Äcker und Felder zwar in die Genossenschaften einbringen mussten, ihr Eigentum an Grund und Boden aber behielten. Dennoch besaß auch der Staat landwirtschaftliche Flächen. Ein Teil davon, etwa 15 Prozent, wurde nicht durch LPGs, sondern durch Volkseigene Güter bewirtschaftet. Der Soziologe Bernd Martens:
"Der Unterschied war, diese volkseigenen Güter – da war das Land in Volkseigentum. Diese volkseigenen Güter sind dann in den Neunziger Jahren von der Treuhand vermarktet worden. Und es gibt kein einziges volkseigenes Gut mehr."
Till Backhaus, der langjährige Landwirtschaftsminister Mecklenburg-Vorpommerns, ist 1989 an der Gründung der Sozialdemokratischen Partei der DDR beteiligt. Im März 1990 wird er Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer – und arbeitet am Landwirtschaftsanpassungsgesetz mit, das die Überführung der LPGs in neue Rechtsformen regelt. Gleichzeitig versucht er, die Privatisierung der staatseigenen Agrarflächen zu verhindern:
"Also ich hab noch mit Detlef Rohwedder, der dann leider umgebracht worden ist, noch geredet. Und da hab ich damals gesagt zu ihm: Wir sollten darüber nachdenken, eine eigene Treuhandanstalt Land- und Forstwirtschaft zu entwickeln, mit dem Ziel, dass wenn die Länder gegründet sind und funktionsfähig sind, diese Flächen dann auf die Länder zu übertragen. Und er hatte damals hohes Verständnis dafür, und er hat auch gesagt: Wir werden den Prozess diskutieren und fortführen. Aber dann kam Frau Breuel, und Frau Breuel hat dann mit dem Treuhand-Vorstand und mit der damaligen Bundesregierung die Entscheidung getroffen, es wird auf Teufel komm raus privatisiert."
Agrarbetriebe als Genossenschaften neu gegründet
Breuels Devise: "privatisieren vor sanieren". Die Volkseigenen Güter geraten in den Einflussbereich bundesdeutscher Politik. Und die Investoren und Glücksritter lauern schon.
"Anfang der Neunziger Jahre ist ein Hektar Land in Mecklenburg-Vorpommern zwischen 500 und 800 D-Mark gehandelt worden. Und heute liegen wir im Schnitt bei 22.000 bis 27.000 Euro, je nach Bodengüte. Und das geht bis 50.000. Können Sie sich vorstellen, was hier für ein Kapitaltransfer auch stattfindet, von Ost nach West."
Auch das legt den Schluss nahe: Ein Glück für die Landwirtschaft im Osten, dass der große Teil des Bauernlandes nicht in die Hände der Treuhand geriet.
Zurück in Steinhausen bei Wismar. Die Agrargenossenschaft hält 600 Kühe und bewirtschaftet knapp 1.800 Hektar Land, 300 mehr als vor der Wende. Jede Kuh gibt heute drei Mal so viel Milch wie früher, die Menge an produziertem Silomais hat sich verdoppelt. Bis zur Wende beschäftigte die LPG Steinhausen 80 bis 100 Mitarbeiter, heute sind es noch 20. Und das ist noch relativ viel. Andere Betriebe entließen bis zu 90 Prozent ihrer Mitarbeiter.
1991 gründete sich der Agrarbetrieb Steinhausen neu - als Genossenschaft. Die Genossen sind Landbesitzer und Beschäftigte. Aus dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz, das noch die letzte Volkskammer der DDR erarbeitete, ging der Anteil eines jeden Genossen hervor.
"Der sich zusammensetzte aus dem Anteil der Arbeitsjahre, die man vorher in der LPG gearbeitet hat, und dem Anteil des Grund und Bodens, den man vorher auch in das Unternehmen eingebracht hatte. Daraus errechneten sich die neuen Geschäftsanteile für das neu gegründete oder umgewandelte Unternehmen."
Rationalisierung und Diversifizierung
Die Mitarbeiter und Flächenbesitzer hatten auch die Möglichkeit, sich auszahlen zu lassen - und einen eigenen Betrieb aufzubauen. Doch nur wenige Grundbesitzer entschlossen sich zur dieser so genannten "Ausgründung". Die meisten verpachteten den Nachfolgebetrieben ihren Grund und Boden, der nun wieder wertvoll war.
"Mit der Wende 1989/1990 haben die Flächen einen Wert bekommen, allein über die Pacht. Die Pächter wurden dann ermittelt und jeder wurde dann gefragt, ob er an den Betrieb verpachten möchte, und die, die dann an den neugegründeten Betrieb verpachtet haben, haben einen Pachtvertrag bekommen und eine angemessene Pacht."
Doch trotz guter Voraussetzungen Schritt zu halten, mussten auch die Steinhausener sich der neuen Zeit anpassen. Konkret hieß das: In Landtechnik investieren, Gebäude sanieren und vor allem: Arbeitskräfte reduzieren – und dabei gleichzeitig angesehener Partner im Ort bleiben. Um beides zu erreichen, setzt die Agrargenossenschaft Steinhausen auch auf Kürbis - Bio-Kürbis. Denn wichtig, um zukunftsfest zu sein, ist für Michael Brink: Rationalisierung, zum Beispiel bei der konventionellen Milcherzeugung, und Diversifizierung - mit dem Bio-Kürbis.
"Jeder macht sich ja für seinen Betrieb dann seine Gedanken. Und für uns war das eine Idee. Wir haben geguckt, ob das funktioniert, ob der Kürbis überhaupt bei uns wächst, in Mecklenburg. Das war ja auch eine spannende Geschichte, da mussten wir auch ein bisschen dran feilen. Das war auch nicht ganz klar, zum Anfang."
Um das Steinhausener Kürbisfeld wachsen bunte, große Blumen, ein kleines Idyll. Seit zehn Jahren wird der Kürbis angebaut und Biomärkten in Hamburg und Berlin zum Kauf angeboten. Michael Brink machte die Erfahrung, dass mit Biohändlern wertschätzende Geschäfte auf Augenhöhe möglich sind. Die Preisdrückerei großer Ketten hat er sich zuvor genau einmal gefallen lassen. Für das Dorf organisiert die Agrargenossenschaft jedes Jahr ein großes Kürbisfest.
"Wir haben Eishersteller, die dann aus unserer Milch mit unserem Kürbis spezielle Eissorten produzieren, wir haben ganz viele tolle Sachen, die wir aus dem Kürbis herrichten und auch den Leuten zum Verzehr anbieten. Und es gibt auch immer ne schöne Kürbisbowle, das ist eigentlich immer so der Renner."
Gesellschaftliche Stellung hat sich gewandelt
Die Ernte der Kürbisse übernehmen Schulklassen aus der Umgebung. Das hat in Steinhausen mittlerweile Tradition. Die Agrargenossenschaft transportiert die Schüler zum Kürbisfeld, es gibt Kuchen und Getränke und Geld für die Klassenkasse. Brink will so bei den Schülern gleichzeitig Interesse für die Landwirtschaft wecken – denn auch hier werden mittlerweile die Arbeitskräfte knapp.
"Wir wollen ja auch, dass wir ein schönes, intaktes Dorf haben. Wir wollen ja auch nette Menschen im Dorf haben. Also müssen wir mit den Leuten ja auch vernünftig umgehen. Wir wollen ja auf der anderen Seite auch, dass die nett zu uns sind."
So oder so, die gesellschaftliche Stellung von einst haben die Betriebe heute nicht mehr. In der DDR organisierten die LPGs über Brigaden Betriebsfeiern, Kinderbetreuung, das organisierte Ferienwesen bis hin zu Winterdienst und Wegebau im Dorf. Die gesellschaftliche Bedeutung der Betriebe hat sich dem neuen System angepasst – auch wenn die Strukturen ähnlich geblieben sind. Ein wirtschaftliches Erfolgsmodell also – allerdings mit einer schwerwiegenden Hypothek:
"Das kann man auch an offiziellen Zahlen sehen, dass die Wertschöpfung in der ehemaligen DDR-Landwirtschaft höher ist als im Westen, die Produktivität ist höher – aber man stößt an Grenzen. Und eine Grenze ist: Einkauf von Finanzinvestoren. Man kann auch sagen: Das ist der normale kapitalistische Gang der Dinge. Wenn es sich eben lohnt, in Landwirtschaft zu investieren, dann macht man das."
Ausverkauf des Ostens in der Landwirtschaft
30 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche der DDR waren staatliches Eigentum. 1,7 Millionen Hektar Volkseigentum, das die Treuhand dem Markt überließ. Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Backhaus:
"Der kardinale Fehler der Deutschen Einheit war der Zwang der Privatisierung von Grund und Boden. Und das fällt uns jetzt verdammt auf die Füße. In den neuen Ländern, insbesondere auch hier in Mecklenburg-Vorpommern. Sie haben das Stichwort angedeutet, nämlich: Der Ausverkauf des Ostens in der Landwirtschaft. Der findet zurzeit massiv statt – warum? Weil Großkonzerne natürlich sagen: Worin investiere ich in der Zukunft? Grund und Boden ist nicht vermehrbar, Lebensmittel werden wir auch für die Zukunft benötigen, also investiert man in Grund und Boden."
Dazu kommt, dass auch bestehende Betriebe, GmbHs und Genossenschaften - beziehungsweise deren Anteile - von Hedgefonds aufgekauft werden. Auch das hätte, so Till Backhaus, verhindert werden können. Und müssen.
"Hier gibt’s große Strukturen, die Betriebe haben tausend, zweitausend, bis 5.000, 8.000 Hektar. Und dann kauft man ganze Betriebe auf - und nutzt diese dann als Wertanlage. Das hat mit bäuerlich geprägter Landwirtschaft nichts zu tun. Ich hab das seit 20 Jahren gepredigt, dass man das verändern muss. Leider sind wir da auf Bundesebene bis heute nicht weitergekommen, solche außerlandwirtschaftlich Vermögenden vom Kauf von landwirtschaftlichen Nutzflächen in Deutschland auszuschließen."
"Das führt zu einer Landwirtschaft, die unter Umweltaspekten hoch problematisch ist, also verengt auf ganz wenige Kulturen, mineralische Düngung", sagt Alexander Gerber, Vorstandsmitglied für Landwirtschaft beim "Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft". "Da kommen auf dem Tieflader einmal im Jahr die Spritzmaschinen, dann die Erntemaschinen. Ansonsten ist da niemand, und die Dörfer bluten aus. Da ist niemand mehr, der im Winter den Schnee räumt oder ähnliches. Diese Situation haben wir im Osten noch vielfach."
Bio-Boom ohne Betriebe im Osten nicht möglich
Die Bodenpreise sind explodiert. Und die großen Flächen im Osten ziehen reiche Investoren an, denen Natur und Umwelt einerlei sind. Was nicht heißt, dass man dort nicht ökologisch wirtschaften kann. Im Gegenteil: Den großen Bio-Boom der letzten 20 Jahre hätte es ohne die großen Betriebe im Osten kaum gegeben – weil mit jeder Betriebsumstellung von konventionell auf Bio gleich enorme Flächen ökologisch bewirtschaften werden.
"Wir haben tatsächlich die Situation gehabt, dass wir durch die Umstellung zahlreicher Betriebe auf ökologischen Landbau im Osten natürlich deutlich mehr Ware hatten als vorher im Markt, und dass das tatsächlich einherging, zeitgleich, mit dem Einstieg von Discountern und konventionellen Supermärkten in den Biomarkt und dadurch tatsächlich die Ware, die benötigt wurde, auch im größeren Maßstab da war."
Auch wenn man sich unter Biobauernhöfen gerne kleine Familienbetriebe vorstellt: Die Betriebsgröße, sagt Gerber, sei kein Kriterium. Und so hat vielleicht die Landwirtschaft im Osten eine doppelte Chance - und eine doppelte Verantwortung. Denn die Debatte um den Klimawandel und seine Folgen dürfte die Nachfrage steigern. Und die Bewirtschaftung der ohnehin trockenen Böden in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern muss sich dringend ändern, sagt Alexander Gerber:
"Dafür ist eine ganz wichtige Voraussetzung, dass der Humusgehalt im Boden steigt, dass der Boden mehr Wasserhaltekapazität hat, dass die Fruchtfolgen diverser werden, dass man auch mit Mischkulturen anfängt, um das Risiko zu streuen, und dass man beispielsweise auch Baumhecken oder Baumreihen zwischen die Felder pflanzt, um einfach ein Mikroklima zu schaffen, dass die Hitzeperioden abpuffert. Da werden Herausforderungen auf die Landwirtschaft zukommen."
Ludolf von Maltzan ist Geschäftsführer des Ökodorfes Brodowin. Bereits 1990 hat die LPG in Brodowin im nordöstlichen Brandenburg entschieden, sich der ökologischen Landwirtschaft zu widmen. Und zwar nach den besonders strengen Kriterien des Anbauverbandes "Demeter".
"Die Bürger des Dorfes, und das sind eben im Wesentlichen alte Bauernfamilien, haben sich nach der Wende zusammengesetzt und haben sich gefragt: Was machen wir mit unserem Schicksal? Oder mit der Chance, muss man eigentlich sagen, die die Wende bringt. Und so kam dann eigentlich die Idee, ökologische Landwirtschaft zu machen."
Ökologische Landwirtschaft auf dem Vormarsch
Aus der LPG wurde zunächst eine Agrargenossenschaft, aber noch im selben Jahr – mit dem Einstieg eines Geldgebers aus Westberlin – eine GmbH. Heute arbeiten in Brodowin 140 Mitarbeiter, fast drei Mal so viele wie 1990. Sie bewirtschaften 1.600 Hektar Land, versorgen 220 Milchkühe, 300 Ziegen und 1.800 Legehennen. Inzwischen unterhält das Ökodorf auch eine eigene Molkerei.
"Also 1990 war einfach noch nicht das Jahr der ökologischen Landwirtschaft. Die Nachfrage hat sich erst über die Jahre wirklich dahin entwickelt, wo sie heute ist. Aber das konnte man damals so nicht erahnen. Insofern kann man diese Idee der Brodowiner und diesen Schritt eigentlich auch als sehr prophetisch betrachten."
Brandenburg gehört unter den Bundesländern mittlerweile zur Spitzengruppe: Gut zwölf Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche werden ökologisch bewirtschaftet. In Mecklenburg-Vorpommern ist der Anteil ähnlich hoch. Allein im vergangenen Jahr haben in seinem Land über 100 Betriebe auf ökologische Landwirtschaft umgestellt, sagt Agrarminister Backhaus.
"Ich persönlich glaube, dass zukünftige neue Bio ist Regionalität und nachhaltige Landwirtschaft. Eine möglichst CO2-neutral ausgerichtete Landbewirtschaftung mit der ganz klaren Maßgabe, in der Region verflochten zu sein. Ich spreche immer davon, wir brauchen eine Art von neuem Gesellschaftsvertrag. Nämlich zwischen Stadt und Land. Die Landwirte sind bereit, die Städte zu versorgen, aber die Stadtbevölkerung muss auch bereit sein, für die Qualität, die wir in Deutschland produzieren, auch einen fairen Preis zu bezahlen. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt - die Partnerschaft in der Region."
"Ich persönlich glaube, dass zukünftige neue Bio ist Regionalität und nachhaltige Landwirtschaft. Eine möglichst CO2-neutral ausgerichtete Landbewirtschaftung mit der ganz klaren Maßgabe, in der Region verflochten zu sein. Ich spreche immer davon, wir brauchen eine Art von neuem Gesellschaftsvertrag. Nämlich zwischen Stadt und Land. Die Landwirte sind bereit, die Städte zu versorgen, aber die Stadtbevölkerung muss auch bereit sein, für die Qualität, die wir in Deutschland produzieren, auch einen fairen Preis zu bezahlen. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt - die Partnerschaft in der Region."