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Landwirtschaftsministerin Klöckner (CDU) zur "Bauern-Milliarde"
"Das größte Modernisierungsprogramm in der Geschichte unserer Bundesrepublik"

Mit einem Fördertopf von rund einer Milliarde Euro sollen Landwirte ihre Betriebe umweltfreundlich modernisieren. Gefördert werden soll "nur Technik, die spürbare Einsparungen an Dünger und auch Pflanzenschutzmittel garantiere", sagte Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) im Dlf.  

Julia Klöckner im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 10.12.2020
Frau mit einem Schild
In den Augen von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner leistet das Programm viel: Biodiversität erhalten, Ernährung sichern, Tierwohl voranbringen. (picture alliance/dpa | Annette Riedl)
Umwelt- und Klimaschutz machen die Produktionsbedingungen für Landwirte in Deutschland zum Teil schwierig. Dazu gehört unter anderem die neue Düngemittelverordnung. Um die Landwirte bei der Modernisierung ihrer Betriebe zu unterstützen hat die Bundesregierung eine Förderung von einer Milliarde Euro verteilt über die nächsten vier Jahre zugesagt. Wofür diese Mittel eingesetzt werden sollen, erklärt Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU).
Tobias Armbrüster: Frau Klöckner, reicht eine Milliarde wirklich aus, um den Zorn der Landwirte zu stillen?
Julia Klöckner: Es geht nicht um Zorn, der gestillt werden muss, sondern es geht um die Erreichung von Zielen, nicht um entweder/oder, entweder Klimaschutz oder Erntesicherung, sondern es geht darum, dass wir das größte Programm, Modernisierungsprogramm in der Geschichte unserer Bundesrepublik aufsetzen, um Landwirte in die Situation zu versetzen, dass sie Klimaschutz, Umweltschutz erreichen können. Die Düngeverordnung war und ist notwendig, damit unser Grundwasser geschützt wird, aber es ist auch notwendig, dass Ernten gesichert werden, und wir werden jetzt mit jedem Euro nur Technik fördern, die spürbare Einsparungen an Dünger und auch Pflanzenschutzmittel garantieren, und das wird wissenschaftlich begleitet. Dadurch werden Landwirte in die Lage versetzt, ihre Betriebe zu modernisieren, und das ist Fairness gegenüber den Bauern, denn es geht um Klimaschutz, den die Bauern machen – Bauern für Klimaschutz.
"Rund 50 Millionen gehen in Künstliche Intelligenz auf dem Acker"
Tobias Armbrüster: Frau Klöckner, in welche Anschaffungen soll dann diese eine Milliarde genau reinfließen?
Julia Klöckner: Wir haben drei Programme. Einmal gehen rund 140 Millionen Euro noch mal in mehr Insektenschutz. Da fördern wir ganz klassisch das Anlegen von Blühschneisen, von Hecken, von nachhaltigen Obstbeständen. – Dann gehen rund 50 Millionen in zum Beispiel Künstliche Intelligenz auf dem Acker. Was bedeutet das zum Beispiel? Wir haben auf den Feldern ganz konkret kameragesteuerte Hackgeräte, mechanische Unkrautbekämpfung. - Und dann haben wir über 800 Millionen Euro, das ist ein Technikschub zum Beispiel für Gerätschaften, die ganz klar nur dort präzise Pflanzenschutzmittel ausbringen, wo auch nur Schädlinge sind. Ansonsten werden die Düsen geschlossen. Das sind ganz moderne Techniken, wo wir zum Beispiel die Emissionen bei Wirtschaftsdünger massiv reduzieren, um etwa 30, 40 Prozent. Das ist wirklich ein Schub, was sich sonst Landwirte nicht leisten könnten.
"Es geht nicht nur um Gülle"
Armbrüster: Frau Klöckner, das heißt, wenn ich das richtig sehe, von der eine Milliarde Euro gehen 800 Millionen in genau diesen Bereich? Das heißt, beim Thema Dünge, Düngemittel und vor allen Dingen Gülle, da ist einer der Hauptschwerpunkte? – Wenn ich mir das ansehe mit der Gülle, ist das Problem ja nicht unbedingt das Ausbringen der Gülle, sondern dass die Gülle so deutlich entsteht, dass es in Deutschland so viel davon gibt auf deutschen Bauernhöfen, und das entsteht natürlich durch die Massentierhaltung. Können Sie dafür denn auch etwas tun mit dieser Bauern-Milliarde?
Klöckner: Jetzt haben Sie ein bisschen arg verkürzt was dargestellt, was in der Logik sich schön anhört, aber leider so wissenschaftlich nicht nachvollzuziehen ist. Es geht in Deutschland nicht darum, dass wir zu viel Gülle haben. Der Tierbestand ist massiv kontinuierlich in Deutschland zurückgegangen.
Es ist folgendes: Gülle ist ja ein wichtiger Düngebeitrag, ein natürlicher. Es ist ja so, dass zum Beispiel Gülle aus dem Ausland importiert worden ist. Da, glaube ich, müssen wir die Bilanz ordentlich aufmachen.
Uns geht es um etwas Anderes. Es wird zum Teil falsch gedüngt und da geht es auch um anderen Dünger, nicht nur um Gülle, sondern es gibt ja auch chemischen Dünger. Wir wollen nicht, dass zum Beispiel zu viel Nitrat oder zu viel schlichtweg ins Grundwasser gelangt. Deshalb gibt es die Düngeverordnung. Passgenauigkeit ist wichtig. Aber es müssen auch Pflanzen ernährt werden. Dazu gibt es gute präzise Techniken.
Der zweite Punkt ist: Wir haben in der Tat Hotspots von Tierhaltungen. Durch die Düngeverordnung wird sich da etwas ändern. Übrigens auch durch mein Stallumbauprogramm für tierwohlgerechtere Ställe. Das heißt, die Ställe müssen mehr Platz für Tiere bereithalten, ohne dass der Tierbestand erweitert wird, und das wird auch zum Rückgang, zum Abbau von großen Tierhaltungen führen. Aber am Ende geht es darum, dass Landwirte von ihrer Arbeit leben können und das Fleisch nicht verramscht wird, dass Fleisch keine Lockangebote sind, sondern das mit Wertschätzung und Wertschöpfung auch verbunden ist.
Am Ende ist es so: Mit der Anschaffung dieser Technik, die wir haben, wird es den Landwirten ermöglicht, dass sie die politischen, die gesellschaftlich gewollten Ziele für Umwelt-, Klima- und Naturschutz auch erreichen können, ohne dass sie zurückgehen in Zeiten, wo wir Ernten nicht sichern konnten.
"Das Problem ist, dass Gülle importiert worden ist"
Armbrüster: Frau Klöckner, Sie müssen uns das mit der Gülle noch einmal kurz erklären. Ich habe jetzt verstanden, dass Sie Projekte fördern wollen, dass weniger Gülle auf den Feldern ausgebracht wird. Das ist nötig, damit die Nitratwerte niedrig bleiben und damit das Grundwasser geschützt wird. Aber die Gülle ist ja da. Wie wollen Sie denn den Güllebestand in Deutschland reduzieren, den Güllebestand auf deutschen Bauernhöfen?
Klöckner: Der Güllebestand auf deutschen Bauernhöfen ist für ganz Deutschland gesehen in der Quantität ja nicht das Problem, Herr Armbrüster. Das Problem ist, dass zum Beispiel Gülle importiert worden ist aus Holland, von woanders her importiert worden ist, weil aufgrund der geographischen Nähe das möglich war. Wir haben zum Beispiel im Osten von Deutschland kaum Tierhaltung, aber man muss dort natürlich auch Nährstoffe auf die Felder bringen. Es ist aber nicht so, dass die Gülle gleichmäßig in Deutschland verteilt worden ist, weil Sie sie schlecht transportieren können oder ungünstig transportieren können. Es geht zum Beispiel um Techniken der Separierung von Gülle, auch Trennung von der Flüssigkeit. Es geht aber auch am Ende darum, dass sie passgenau aufgebracht wird. Es geht aber auch um Pflanzenschutzmittel, also nicht nur um Gülle, und es geht am Ende darum, Herr Armbrüster, dass das, was da ist, bedarfsgerecht aufgebracht wird, und das heißt nicht automatisch, dass grundsätzlich in Deutschland so viel Gülle produziert wird, sondern die Frage ist doch, müssen wir Gülle aus Holland importieren und selber Probleme importieren, nur weil man Gülle sonst nicht so gut dorthin transportieren kann, wo sie gebraucht wird. Das sind zwei Paar Schuhe, die wir ein bisschen auseinanderhalten müssen. Unabhängig davon brauchen wir einen Umbau der Tierhaltung und die gehen wir an, wie das noch keine Bundesregierung je gemacht hat.
Tierwohlkriterien und Produktinformationen
Armbrüster: Das müssen Sie uns erklären. Soll Deutschland nicht länger abhängig bleiben, oder die deutsche Landwirtschaft, von der Massentierhaltung?
Klöckner: Sie müssten dann erklären, was Sie unter Massentierhaltung verstehen. Es gibt Ökobetriebe, die haben über 10.000 Stück Geflügel. Es gibt ganz kleine konventionelle Betriebe, die haben noch nie den Stall umgebaut, kaum Außenluftkontakt, aber nur ein paar Tiere. Das ist jetzt hier nicht die Frage, ob mehrere Tiere im Stall sind, sondern wie sie gehalten werden, ob sie Auslauf haben, ob sie Frischluftkontakt haben, ob sie mehr Platz haben, wie der Transport ist, wenn überhaupt. Deshalb geht es mir darum, dass wir die Tierwohlkriterien, die europaweit am anspruchsvollsten sind, wie wir sie definiert haben, dass die auch umgesetzt werden, dass das erkennbar ist auf dem Produkt und dass dafür auch mehr gezahlt wird. Wir helfen beim Umbau dieser Ställe mit etwa 300 Millionen Euro jetzt zum Beispiel.
Klöckner: Biodiversität erhalten, Ernährung sichern
Armbrüster: Können wir dann sagen, wenn diese Bauern-Milliarde aufgebraucht ist in vier Jahren, diese eine Milliarde Euro, wenn die weg ist, wenn die Gelder alle abgerufen wurden, dass es dann solche Betriebe nicht mehr gibt, wie Sie sie gerade geschildert haben, in denen seit Jahren kein Umbau mehr stattgefunden hat, in denen die Tiere unter Zuständen leben wie vor 10 oder 20 Jahren?
Klöckner: Sie werfen wieder zwei Sachen durcheinander. Das was wir jetzt gerade machen mit unserem Investitionsprogramm "Bauern für Klimaschutz", da gehen wir an auch das Thema Ackerbau. Da geht es nicht um Tierhaltung, nicht in allen Bereichen, sondern es geht darum, dass Pflanzenschutzmittel so eingesetzt werden, so präzise und so reduziert, dass Biodiversität erhalten wird, aber dennoch unsere Ernährung gesichert wird, weil gegen Schädlinge vorgegangen wird. Und es geht auch darum, dass die Emission zum Beispiel von Gülle reduziert wird, was für unser Klima gut ist.
Dann haben wir das andere Programm. Das ist unser Stallumbauprogramm, Herr Armbrüster, das angelegt ist bis 2022 und zusammen kombiniert wird mit den Ergebnissen der Borchert-Kommission, dass wir Ställe umbauen wollen, dass wir mehr Wert und Wertschöpfung für die Produktion auch haben wollen und dass Landwirte auch in Deutschland bleiben. Wir bringen den Tierschutz voran, im Übrigen auch mit einem europäischen Tierwohlkennzeichen, das wir nächste Woche zum Beispiel beim Europäischen Agrarrat in Brüssel behandeln.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.