"Wir werden zukünftig im Offshorebereich, also in der Nord- und Ostsee Windparks bauen, wo kein Stromverbrauch ist. Die Lastschwerpunkte in Deutschland liegen in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Ruhrgebiet, natürlich ist Berlin auch ein Lastschwerpunkt, der Hauptstromverbrauch ist eben im Süden."
Für Stefan Kohler, Chef der DENA, der halbstaatlichen Deutschen Energieagentur, steht außer Frage, dass wir neue Stromtrassen brauchen.
"Und deshalb müssen wir, wenn die Windenergie eben in den neuen Bundesländern sehr stark zugebaut wird, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, wo der Verbrauch aber gering ist, müssen wir den Strom dorthin transportieren, wo eben der hohe Verbrauch ist. Dadurch entsteht ein Transportbedarf und dafür sind die heutigen Leitungssysteme nicht ausgelegt."
Der DENA-Chef steht mit seiner Meinung nicht allein. Eigentlich sind sich alle Beteiligten einig, dass ein neues Übertragungsnetz aufgebaut werden muss. Nur: Wie viele Kilometer zusätzlicher Leitungen tatsächlich benötigt werden, darüber wird noch debattiert. Je nach eingesetzter Technik werden 2000 bis 4500 km neue Höchstspannungstrassen gezogen werden müssen. Bekannt, seit Langem erprobt und zuverlässig sind die bisherigen Freileitungen, die 380 KV-Kabel mit Wechselstrom. Weniger Leitungen bräuchte man, wenn man die Kabeltemperaturen überwachte. Bei kühler Witterung können bis zu 50 Prozent mehr Strom durch die Leitungen geschickt werden. Neue Materialien, sogenannte Hochtemperaturleiterseile, verkraften sogar bis zu 100 Prozent mehr Wechselstrom. Auf langen Strecken würde es sich zudem lohnen, statt Wechselstrom Gleichstrom zu übertragen. Diese HGÜ – Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung – hat den Vorteil, dass man durch die üblichen Kabel erheblich größere Strommengen transportieren kann. Doch das lohnt sich nur bei großen Entfernungen, denn die Umformerstationen sind teuer. Egal, welche Kabel letztlich an den hohen Strommasten hängen, sie stören das Landschaftsbild, haben in Naturschutzgebieten nichts zu suchen und sind in Siedlungsnähe unerwünscht. Hier bieten Erdkabel einen Ausweg, denn man sieht sie nicht und das elektrische Feld, das sie umgibt, ist deutlich kleiner als bei Freileitungen. Ihr Nachteil: Sie sind viel teurer als Freileitungen. Angesicht der verschiedenen Fernübertragungstechniken ist Stephan Kohler überzeugt:
"Wir werden eine Mischung haben. In bestimmten Strecken werden wir die normale heutige 380-KV-Technik einsetzen. Wir werden perspektivisch für das Jahr 2020 ein, zwei, drei HGÜ-Strecken haben, also wirklich von Brunsbüttel Schleswig-Holstein rein nach Bayern. Wir werden in bestimmten Bereichen auch Erdkabelsysteme haben, weil eben Landschaftsschutz; oder wenn die Trasse zu nahe an den Siedlungen vorbeigeführt werden, werden wir auch Erdkabelsysteme haben."
Wie das Netz einmal aussehen wird, hängt aber nicht nur von der Übertragungstechnik ab. Entscheidenden Einfluss auf seinen Ausbau wird auch der Stromverbrauch vor Ort haben. Bislang ist das Netz sehr einfach aufgebaut. Großkraftwerke produzieren große Mengen an Strom, der dann über immer kleinere werdende Leitungen verteilt wird, bis er beim Verbraucher aus der Steckdose kommt. Je nach Bedarf der Konsumenten wird viel oder wenig Strom produziert. Mit den erneuerbaren Energien aber ändert sich das Stromaufkommen. Es schwankt je nach Wetter. Mit heftigem Wind, mit viel Sonne drängt viel Strom ins Netz. Die Frage ist jetzt, wie man mit diesem Stromüberangebot umgeht. Die einfachste Variante wäre, die Anlagen einfach auszuschalten. Das passiert bisweilen heute schon mangels Leitungskapazität. Doch dafür sind sie nicht gebaut worden. Sinnvoll wäre es nur, extreme Spitzen zu kappen. Ansonsten jedoch sollte der teuer erzeugte erneuerbare Strom möglichst sofort vor Ort verbraucht werden oder zumindest für spätere Zeiten gespeichert.
Hier nun könnten Smart Grids, also intelligente Netze, zukünftig für einen Ausgleich zwischen Erzeugung und Verbrauch sorgen. Erste Erfahrungen mit solchen klugen Netzen liegen inzwischen vor. Im Rahmen eines Programms namens E-Energy, das vom Bundeswirtschafts- und dem Bundesumweltministerium gefördert wird, sind in mehreren Regionen sogenannte "Smart Grid"-Projekte aufgebaut worden. Zu diesen Regionen gehört auch Cuxhaven. Am dortigen Smart Grid hängen neben 650 Haushalten mehrere Kühlhäuser und Blockheizkraftwerke sowie ein Schwimmbad. Tanja Schmedes, Projektbeauftragte des Energieversorgers EWE:
"Wir nutzen die Kühlhäuser so, dass wir, wenn wir viel Windstrom beispielsweise in Cuxhaven haben, dann fahren wir die Kühlhäuser hoch, das heißt, wir werden kälter in den Kühlhäusern, wir nehmen mehr Energie ab und die Kühlhäuser dienen somit sozusagen als Energiespeicher. Wenn es dann wieder weniger Strom gibt in Cuxhaven, wenn wir zum Beispiel eine Windflaute haben, können wir es so regeln, dass die Kühlhäuser etwas wärmer werden, das heißt, sie bleiben immer noch in einem sehr guten Kälteband von -21 bis -28 Grad, nähern sich der minus 21 Grad an, brauchen in dem Moment wenig Strom bis gar keinen Strom, und wir können halt somit die Flaute zumindest zeitweise ausgleichen."
Auch Blockheizkraftwerke und Wärmepumpen, die mit Warmwasserspeichern arbeiten, sind ideale Puffer, denn Wasser hält die Temperatur lange. So lassen sich Stromflauten über mehrere Stunden ausgleichen. Man kann aber auch die Haushalte animieren, Strom genau dann abzunehmen, wenn er im Überfluss vorhanden ist. Das hat der Energieversorger MVV in seinem Smart-Grid-Versuch in Mannheim ausprobiert. Normalerweise ist der Strompreis Tag wie Nacht gleich. Wann man Strom verbraucht, ist also egal. Nicht in Mannheim. Dort hat man seinen Kunden variable Stromtarife angeboten. Damit die auch genutzt werden, wurde in 200 Haushalten ein sogenannter "Energiebutler" installiert, ein kleines Steuergerät, das Haushaltsgeräte ein- und ausschalten kann. MoMa -Modellstadt Mannheim Sprecher Thomas Wolski:
"Dieser Energiebutler nutzt jetzt die Information, die er vom Energieversorger bekommt, in Form von Preissignalen, also Energie ist viel verfügbar, Energie ist wenig verfügbar. Energie ist viel verfügbar, das heißt billiger Preis, viel erneuerbare Energie ist da: hoher Preis. Wenig erneuerbare Energie ist da und der Energiebutler nimmt jetzt diese Preissignale und übersetzt die für meinen Kühlschrank, für meine Gefriertruhe, meine Spülmaschine, Waschmaschine, für meinen Trockner und sorgt dafür, dass diese Haushaltsgeräte sich optimal verhalten. Das heißt für mich als Privatkunde zum Beispiel: Ich bekomme einen Anreiz, meinen Geschirrspüler nicht morgens anzustellen, wenn ich aus dem Haus gehe und dann verbraucht er Energie genau da zur Spitze morgens, wenn alle verbrauchen, sondern dass die Spülmaschine erst anläuft, wenn Energie gerade sowieso im Überfluss da ist, aber sie trotzdem, wenn ich abends um 19:00 Uhr nach Hause komme, fertig ist."
Ziel dieses angebotsgesteuerten Verbrauchs ist es natürlich auch, den vor Ort erzeugten Strom aus Blockheizkraftwerken, Fotovoltaikanlagen und Windrädern sofort unterzubringen. Thomas Wolski:
"Am effizientesten ist es, wenn ich die Energie direkt verbrauche, die ich da erzeuge, weil jeder Transport von Energie bedeutet Transportverluste. Am idealsten ist es, und das versuchen wir in unserer Architektur auch darzustellen, wir haben das zellular aufgebaut, meine Wohnung optimiert sich erst mal in sich, dann mit dem Haus, dann mit den Nachbarhäusern, dann mit der Zelle drum herum und dann erst mit dem nächsten Stadtteil und dann mit der gesamten Stadt und dann erst noch da drüber hinaus; das heißt wir versuchen, Energie, die lokal erzeugt wird, auch lokal zu verbrauchen."
Nun kostet der Aufbau solcher intelligenten Netze zuerst einmal eine Menge Geld für Mess-, Steuer- und Regeltechnik, für Kommunikationsnetze und IT-Komponenten, dennoch rechnen sie sich für die Unternehmen auf lange Sicht, so Tanja Schmedes vom Energieversorgers EWE:
"Wenn wir Engpässe haben, muss man normalerweise immer gleich neue Leitungen verlegen. Man muss einen neuen Transformator kaufen. Man muss unglaublich viel Geld in die Netze stecken. Das kann man auch nicht immer verhindern, aber man kann versuchen, es zu reduzieren. Und für uns ist natürlich der Vorteil, dass wir versuchen, die Kosten, die wir in das Netz stecken müssen, so gering wie möglich zu halten, indem wir Erzeugung und Verbrauch aufeinander abstimmen. So müssen wir weniger in die Netze investieren."
Smart Grids, die variable Tarife anbieten, setzen voraus, dass der Stromverbrauch der Kunden genau festgehalten wird. Dazu sind die derzeitigen Stromzähler nicht in der Lage. Es wird also, wie übrigens auch von der EU verlangt, zukünftig sogenannte "smart meter" geben, das heißt intelligente Stromzähler, die in kurzen Zeitintervallen automatisch festhalten, wie viel Strom verbraucht wird. In einem Feldtest der Telekom in Friedrichshafen, bei dem in 3000 Haushalten intelligente Stromzähler installiert wurden, hat sich allein schon durch diese Information das Verhalten der Verbraucher verändert. Über ein Webportal können sie detailliert viertelstündlich aufgelistet ihren Stromverbrauch einsehen. Das hatte bisweilen unerwartete Folgen. Telekom-Experte Andreas Bentz nennt unter anderem das Beispiel eines Arztehepaares, das alle seine Geräte in seinem Mietshaus ausgeschaltet hatte.
" ... und irgendwo immer noch einen gewissen Restverbrauch hatten, den sie sich nicht erklären können. Dann sind sie also wirklich mit einem iPhone bewaffnet, auf dem sie das Portal gesehen haben, durch das Haus gezogen und haben dann nach und nach einen Verbraucher nach dem anderen ausgeschaltet und sind dann am Ende des Tages fündig geworden, nämlich in einem Abstellraum unter der Kellertreppe, den sie vorher noch gar nicht bemerkt hatten, stand eine Kühltruhe drinnen, die seit fünf Jahren unbemerkt Strom verbraucht hat."
Sicherlich ein Ausnahmefall. Eher typisch: Die einen haben ihren Wäschetrockner ausgeschaltet, wenn die Sonne schien und die Wäsche rausgehängt. Ein anderer hat einfach den Warmwasserboiler ein paar Grad niedriger eingestellt und so 100 Euro im Jahr gespart.
"Was man feststellen kann, ist, dass im Prinzip jeder, der ein bisschen bewusster mit der Energie umgeht, ohne dass er wirklich größere Einsparungen oder größere Einschnitte beim Komfort macht, doch durchaus im Bereich so um die zehn Prozent Energie weniger verbraucht und damit eben auch Kosten sparen kann."
Die intelligenten Stromzähler sind der Einstieg in das automatisierte Heim, bei dem sich viele Funktionen zukünftig über Webportale regulieren lassen sollen. Dann kann man über sein Smartphone oder den Computer verschiedene Geräte ein- oder ausschalten. Der genaue Einblick in den Stromverbrauch hat aber nicht nur Vorteile. Ein smart meter gewährt demjenigen, der die Daten sammelt und aufbereitet, einen tiefen Einblick in die Privatsphäre seiner Kunden, wie Ulrich Greveler, Professor für Elektrotechnik und Informatik an der Fachhochschule Münster bei einem Smart Meter-Test in Nordrhein-Westfalen festgestellt hat. Das dort eingesetzte Gerät maß alle zwei Sekunden den Stromverbrauch und sendete die Daten an eine zentrale Datenbank.
"Wir konnten beispielsweise feststellen, wann sind die Personen aufgestanden, wann gehen sie zur Arbeit, ist Besuch gekommen, wurde der Besuch hereingelassen, wird mittags warm oder kalt gegessen, oder ob auch jemand nachts vielleicht einmal heraus muss. Das kann man bei den modernen Smart Metern daran erkennen, dass jedes elektrische Gerät ein spezielles Profil aufweist. Das gilt auch für die Türklingel oder den Türöffnermechanismus. Das gilt auch für das Telefon. So kann ich zum Beispiel auch sehen, ob das Telefon geklingelt hat und ob jemand das Gespräch angenommen hat. Wir können sogar Personen anhand ihres Verhaltens unterscheiden. Beispielsweise wenn die Personen morgens aufstehen und duschen, unterscheiden sie sich schon in ihrem Verhalten."
Es ist in der Tat verblüffend und sicherlich auch erschreckend, was sich alles aus einer sekundengenauen Strommessung ablesen lässt:
"Wir können anhand des Stromverbrauchsprofils nicht nur erkennen, dass ein Fernseher läuft und wie viel Strom dieser Fernseher verbraucht. Wir können sogar zurück schließen, welches Fernsehprogramm eingeschaltet war. Die Möglichkeit ergibt sich daraus, dass bei einem modernen Fernseher, das sind dann LCD Geräte mit einem sogenannten LED-backlight, die Bildhelligkeit korreliert mit dem Stromverbrauch, das heißt je heller das Bild ist, was der Fernseher darstellt, desto größer ist der Stromverbrauch und einer gesamten Sendung oder auch einem auf DVD verfügbaren Film kann man auf diese Art und Weise eine vorhersagbare Stromverbrauchskurve zuordnen. Konkret genügen meistens fünf bis 15 Minuten eines abgespielten Films, um tatsächlich auf die DVD zurückzuschließen oder auch nur fünf Minuten, um das Fernsehprogramm aus einer Auswahl von zum Beispiel 30 oder 40 Programmen heraus zu identifizieren."
Es droht der gläserne Mensch. Wenn in jedem Haushalt intelligente Stromzähler installiert sind, erlauben ihre Daten, detaillierte Nutzungsprofile zu erstellen. Wirtschaft und Politik haben großes Interesse an solchen Daten, um gezielt Verbraucher anzusprechen. Google, eBay, Facebook und andere Internetdienste erstellen solche Nutzerprofile bereits. Noch ist solches Datenfischen über Smart Meter allein schon mangels Masse noch nicht möglich, aber Kommunikationsexperte Ulrich Greveler warnt:
"Allerdings zeigt die Erfahrung, dass Daten, die gesammelt werden und ungeschützt zur Verfügung stehen, dann doch früher oder später von jemandem missbraucht werden. Das können harmlose Dinge sein, dass jemand zum Beispiel gezielt Werbung an eine Person bringen will. Sie können ja anhand der Stromverbrauchsdaten beispielsweise sehen, wer benutzt eine Kaffeepad-Maschine und können speziell an diese Haushalte Werbung für Kaffeepads verteilen."
Noch ist kein Kunde gegen solche Datenweitergabe geschützt, so Moritz Karg von der Hamburger Datenschutzbehörde:
"Wenn der Stromversorger, entgegen meinem ausdrücklich erklärten Willen, er möge bitte die Energieverbrauchsdaten nicht zu Marketingzwecken verwenden, es doch tut: Wie gehe ich dann mit dieser Situation als Staat, als Aufsichtsbehörde um; und da fehlen derzeit Handlungsinstrumentarien, die effektiv eingreifen würden, um einen solchen Verstoß ahnden zu können. Es gibt zwar eine gesetzliche Vorgabe, wie mit personenbezogenen Daten, also Energieverbrauchsdaten, umzugehen ist, aber das Gesetz hat keine eigenen Sanktionsmechanismen vorgesehen, was bei einem Verstoß eigentlich zu passieren hat."
Auch der Staat selbst könnte zum Datendieb werden und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aushebeln. Ulrich Greveler:
"Man könnte natürlich solche gesammelten Stromverbrauchsdaten beispielsweise von den Einwohnern einer ganzen Stadt verwenden, um diese nach Verhaltensprofilen zu rastern. Also wenn Sie beispielsweise einen Täter suchen, der nachts um Vier ein Auto in Brand gesteckt hat, könnten sie - rechtsmissbräuchlich allerdings heutzutage - anhand der Stromverbrauchsdaten herausfinden, welche Personen denn alles in der Stadt kurz nach Vier nach Hause gekommen sind."
Wenn man weiß, dass die Polizei die letzten Jahre in Berlin bei der Suche nach Autobrandstiftern Millionen Handydaten überprüft hat, dann braucht man nicht viel Fantasie, um sich entsprechende Fahndungswünsche in Zukunft vorzustellen. Eine ganz neue Form der Schleppnetzfahndung könnte uns drohen.
Das automatische Messen und die Übertragung dieser Daten durch Funk oder Kabel bietet zudem zahlreiche Angriffsflächen für Hacker - Ulrich Greveler:
"Das liegt daran, dass das Stromnetz aus intelligenten Komponenten zusammengesetzt wird. Jedes dieser eingebetteten Systeme bietet grundsätzlich eine Angriffsmöglichkeit, so wie man es von anderen Computersystemen auch kennt. Das heißt, für das moderne Stromnetz sind besondere Sicherungsmechanismen zu treffen, um zu verhindern, dass jemand beispielsweise über das Internet in das Stromnetz eindringt und dort Sabotage verursacht, Stromverbrauchsdaten fälscht oder ähnliche Angriffe vornimmt."
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, Daten zu manipulieren, wie eine gerade erschienene Studie des VDE, des Verbandes der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik zur 'Informationssicherheit im Smart Grid' aufzählt. So können Hacker falsche Identitäten annehmen, um sich bei der Basisstation oder einzelnen Knotenpunkten als Teilnehmer im Netz anzumelden. Wie ein Spion erhalten sie so vertrauliche Informationen. Die Angreifer können dann Daten aus Datenpaketen entfernen oder hinzufügen; Daten können zurückgehalten werden, um dann zeitverzögert verschickt zu werden. Da die intelligenten Netze zur Steuerung von Stromverbrauch und -Erzeugung auf korrekte Daten angewiesen sind, können Verfälschungen im schlimmsten Fall zum Zusammenbruch des Stromnetzes führen. Eine Albtraumsituation, die sich durch intelligente Verschlüsselungs- und Kontrollsysteme vermeiden lässt. Auf diesem Gebiete herrscht noch viel Nachholbedarf. Auch der Hamburger Datenschützer Moritz Karg sieht noch viele offene Fragen:
"Es geht schon beim Messen im Haus los und schon da stellen sich die ersten Fragen, in welchem Detailgrad müssen diese Informationen überhaupt gespeichert werden, das heißt gibt es vielleicht schon technische Möglichkeiten, diese Daten am Ursprung schon zusammenzufassen, bezogen auf den Zweck, der verfolgt werden soll. Der zweite Schritt ist: Es ist erforderlich, die Frage zu beantworten, wer eigentlich für diese Daten verantwortlich ist, wenn sie aus dem Haus des Einzelnen ausgehen und wo sie hingehen. Wer empfängt sie, wer darf mit diesen Daten etwas anfangen und wir müssen in irgendeiner Weise auch sicherstellen, wie der Verbraucher selber die Transparenz erhält, zu wissen, wo seine Daten überall hingegangen sind."
Noch befinden sich die klugen Netze in der Testphase, noch ist also genügend Zeit, sie gegen alle möglichen Angriffs- und Manipulationsmöglichkeiten zu sichern. Ihre Vorteile sind unbestreitbar. Die Energiewende braucht sie dringend. Doch die Bürger werden nur mitmachen, wenn sie nicht fürchten müssen, ausgespäht zu werden.
Für Stefan Kohler, Chef der DENA, der halbstaatlichen Deutschen Energieagentur, steht außer Frage, dass wir neue Stromtrassen brauchen.
"Und deshalb müssen wir, wenn die Windenergie eben in den neuen Bundesländern sehr stark zugebaut wird, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, wo der Verbrauch aber gering ist, müssen wir den Strom dorthin transportieren, wo eben der hohe Verbrauch ist. Dadurch entsteht ein Transportbedarf und dafür sind die heutigen Leitungssysteme nicht ausgelegt."
Der DENA-Chef steht mit seiner Meinung nicht allein. Eigentlich sind sich alle Beteiligten einig, dass ein neues Übertragungsnetz aufgebaut werden muss. Nur: Wie viele Kilometer zusätzlicher Leitungen tatsächlich benötigt werden, darüber wird noch debattiert. Je nach eingesetzter Technik werden 2000 bis 4500 km neue Höchstspannungstrassen gezogen werden müssen. Bekannt, seit Langem erprobt und zuverlässig sind die bisherigen Freileitungen, die 380 KV-Kabel mit Wechselstrom. Weniger Leitungen bräuchte man, wenn man die Kabeltemperaturen überwachte. Bei kühler Witterung können bis zu 50 Prozent mehr Strom durch die Leitungen geschickt werden. Neue Materialien, sogenannte Hochtemperaturleiterseile, verkraften sogar bis zu 100 Prozent mehr Wechselstrom. Auf langen Strecken würde es sich zudem lohnen, statt Wechselstrom Gleichstrom zu übertragen. Diese HGÜ – Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung – hat den Vorteil, dass man durch die üblichen Kabel erheblich größere Strommengen transportieren kann. Doch das lohnt sich nur bei großen Entfernungen, denn die Umformerstationen sind teuer. Egal, welche Kabel letztlich an den hohen Strommasten hängen, sie stören das Landschaftsbild, haben in Naturschutzgebieten nichts zu suchen und sind in Siedlungsnähe unerwünscht. Hier bieten Erdkabel einen Ausweg, denn man sieht sie nicht und das elektrische Feld, das sie umgibt, ist deutlich kleiner als bei Freileitungen. Ihr Nachteil: Sie sind viel teurer als Freileitungen. Angesicht der verschiedenen Fernübertragungstechniken ist Stephan Kohler überzeugt:
"Wir werden eine Mischung haben. In bestimmten Strecken werden wir die normale heutige 380-KV-Technik einsetzen. Wir werden perspektivisch für das Jahr 2020 ein, zwei, drei HGÜ-Strecken haben, also wirklich von Brunsbüttel Schleswig-Holstein rein nach Bayern. Wir werden in bestimmten Bereichen auch Erdkabelsysteme haben, weil eben Landschaftsschutz; oder wenn die Trasse zu nahe an den Siedlungen vorbeigeführt werden, werden wir auch Erdkabelsysteme haben."
Wie das Netz einmal aussehen wird, hängt aber nicht nur von der Übertragungstechnik ab. Entscheidenden Einfluss auf seinen Ausbau wird auch der Stromverbrauch vor Ort haben. Bislang ist das Netz sehr einfach aufgebaut. Großkraftwerke produzieren große Mengen an Strom, der dann über immer kleinere werdende Leitungen verteilt wird, bis er beim Verbraucher aus der Steckdose kommt. Je nach Bedarf der Konsumenten wird viel oder wenig Strom produziert. Mit den erneuerbaren Energien aber ändert sich das Stromaufkommen. Es schwankt je nach Wetter. Mit heftigem Wind, mit viel Sonne drängt viel Strom ins Netz. Die Frage ist jetzt, wie man mit diesem Stromüberangebot umgeht. Die einfachste Variante wäre, die Anlagen einfach auszuschalten. Das passiert bisweilen heute schon mangels Leitungskapazität. Doch dafür sind sie nicht gebaut worden. Sinnvoll wäre es nur, extreme Spitzen zu kappen. Ansonsten jedoch sollte der teuer erzeugte erneuerbare Strom möglichst sofort vor Ort verbraucht werden oder zumindest für spätere Zeiten gespeichert.
Hier nun könnten Smart Grids, also intelligente Netze, zukünftig für einen Ausgleich zwischen Erzeugung und Verbrauch sorgen. Erste Erfahrungen mit solchen klugen Netzen liegen inzwischen vor. Im Rahmen eines Programms namens E-Energy, das vom Bundeswirtschafts- und dem Bundesumweltministerium gefördert wird, sind in mehreren Regionen sogenannte "Smart Grid"-Projekte aufgebaut worden. Zu diesen Regionen gehört auch Cuxhaven. Am dortigen Smart Grid hängen neben 650 Haushalten mehrere Kühlhäuser und Blockheizkraftwerke sowie ein Schwimmbad. Tanja Schmedes, Projektbeauftragte des Energieversorgers EWE:
"Wir nutzen die Kühlhäuser so, dass wir, wenn wir viel Windstrom beispielsweise in Cuxhaven haben, dann fahren wir die Kühlhäuser hoch, das heißt, wir werden kälter in den Kühlhäusern, wir nehmen mehr Energie ab und die Kühlhäuser dienen somit sozusagen als Energiespeicher. Wenn es dann wieder weniger Strom gibt in Cuxhaven, wenn wir zum Beispiel eine Windflaute haben, können wir es so regeln, dass die Kühlhäuser etwas wärmer werden, das heißt, sie bleiben immer noch in einem sehr guten Kälteband von -21 bis -28 Grad, nähern sich der minus 21 Grad an, brauchen in dem Moment wenig Strom bis gar keinen Strom, und wir können halt somit die Flaute zumindest zeitweise ausgleichen."
Auch Blockheizkraftwerke und Wärmepumpen, die mit Warmwasserspeichern arbeiten, sind ideale Puffer, denn Wasser hält die Temperatur lange. So lassen sich Stromflauten über mehrere Stunden ausgleichen. Man kann aber auch die Haushalte animieren, Strom genau dann abzunehmen, wenn er im Überfluss vorhanden ist. Das hat der Energieversorger MVV in seinem Smart-Grid-Versuch in Mannheim ausprobiert. Normalerweise ist der Strompreis Tag wie Nacht gleich. Wann man Strom verbraucht, ist also egal. Nicht in Mannheim. Dort hat man seinen Kunden variable Stromtarife angeboten. Damit die auch genutzt werden, wurde in 200 Haushalten ein sogenannter "Energiebutler" installiert, ein kleines Steuergerät, das Haushaltsgeräte ein- und ausschalten kann. MoMa -Modellstadt Mannheim Sprecher Thomas Wolski:
"Dieser Energiebutler nutzt jetzt die Information, die er vom Energieversorger bekommt, in Form von Preissignalen, also Energie ist viel verfügbar, Energie ist wenig verfügbar. Energie ist viel verfügbar, das heißt billiger Preis, viel erneuerbare Energie ist da: hoher Preis. Wenig erneuerbare Energie ist da und der Energiebutler nimmt jetzt diese Preissignale und übersetzt die für meinen Kühlschrank, für meine Gefriertruhe, meine Spülmaschine, Waschmaschine, für meinen Trockner und sorgt dafür, dass diese Haushaltsgeräte sich optimal verhalten. Das heißt für mich als Privatkunde zum Beispiel: Ich bekomme einen Anreiz, meinen Geschirrspüler nicht morgens anzustellen, wenn ich aus dem Haus gehe und dann verbraucht er Energie genau da zur Spitze morgens, wenn alle verbrauchen, sondern dass die Spülmaschine erst anläuft, wenn Energie gerade sowieso im Überfluss da ist, aber sie trotzdem, wenn ich abends um 19:00 Uhr nach Hause komme, fertig ist."
Ziel dieses angebotsgesteuerten Verbrauchs ist es natürlich auch, den vor Ort erzeugten Strom aus Blockheizkraftwerken, Fotovoltaikanlagen und Windrädern sofort unterzubringen. Thomas Wolski:
"Am effizientesten ist es, wenn ich die Energie direkt verbrauche, die ich da erzeuge, weil jeder Transport von Energie bedeutet Transportverluste. Am idealsten ist es, und das versuchen wir in unserer Architektur auch darzustellen, wir haben das zellular aufgebaut, meine Wohnung optimiert sich erst mal in sich, dann mit dem Haus, dann mit den Nachbarhäusern, dann mit der Zelle drum herum und dann erst mit dem nächsten Stadtteil und dann mit der gesamten Stadt und dann erst noch da drüber hinaus; das heißt wir versuchen, Energie, die lokal erzeugt wird, auch lokal zu verbrauchen."
Nun kostet der Aufbau solcher intelligenten Netze zuerst einmal eine Menge Geld für Mess-, Steuer- und Regeltechnik, für Kommunikationsnetze und IT-Komponenten, dennoch rechnen sie sich für die Unternehmen auf lange Sicht, so Tanja Schmedes vom Energieversorgers EWE:
"Wenn wir Engpässe haben, muss man normalerweise immer gleich neue Leitungen verlegen. Man muss einen neuen Transformator kaufen. Man muss unglaublich viel Geld in die Netze stecken. Das kann man auch nicht immer verhindern, aber man kann versuchen, es zu reduzieren. Und für uns ist natürlich der Vorteil, dass wir versuchen, die Kosten, die wir in das Netz stecken müssen, so gering wie möglich zu halten, indem wir Erzeugung und Verbrauch aufeinander abstimmen. So müssen wir weniger in die Netze investieren."
Smart Grids, die variable Tarife anbieten, setzen voraus, dass der Stromverbrauch der Kunden genau festgehalten wird. Dazu sind die derzeitigen Stromzähler nicht in der Lage. Es wird also, wie übrigens auch von der EU verlangt, zukünftig sogenannte "smart meter" geben, das heißt intelligente Stromzähler, die in kurzen Zeitintervallen automatisch festhalten, wie viel Strom verbraucht wird. In einem Feldtest der Telekom in Friedrichshafen, bei dem in 3000 Haushalten intelligente Stromzähler installiert wurden, hat sich allein schon durch diese Information das Verhalten der Verbraucher verändert. Über ein Webportal können sie detailliert viertelstündlich aufgelistet ihren Stromverbrauch einsehen. Das hatte bisweilen unerwartete Folgen. Telekom-Experte Andreas Bentz nennt unter anderem das Beispiel eines Arztehepaares, das alle seine Geräte in seinem Mietshaus ausgeschaltet hatte.
" ... und irgendwo immer noch einen gewissen Restverbrauch hatten, den sie sich nicht erklären können. Dann sind sie also wirklich mit einem iPhone bewaffnet, auf dem sie das Portal gesehen haben, durch das Haus gezogen und haben dann nach und nach einen Verbraucher nach dem anderen ausgeschaltet und sind dann am Ende des Tages fündig geworden, nämlich in einem Abstellraum unter der Kellertreppe, den sie vorher noch gar nicht bemerkt hatten, stand eine Kühltruhe drinnen, die seit fünf Jahren unbemerkt Strom verbraucht hat."
Sicherlich ein Ausnahmefall. Eher typisch: Die einen haben ihren Wäschetrockner ausgeschaltet, wenn die Sonne schien und die Wäsche rausgehängt. Ein anderer hat einfach den Warmwasserboiler ein paar Grad niedriger eingestellt und so 100 Euro im Jahr gespart.
"Was man feststellen kann, ist, dass im Prinzip jeder, der ein bisschen bewusster mit der Energie umgeht, ohne dass er wirklich größere Einsparungen oder größere Einschnitte beim Komfort macht, doch durchaus im Bereich so um die zehn Prozent Energie weniger verbraucht und damit eben auch Kosten sparen kann."
Die intelligenten Stromzähler sind der Einstieg in das automatisierte Heim, bei dem sich viele Funktionen zukünftig über Webportale regulieren lassen sollen. Dann kann man über sein Smartphone oder den Computer verschiedene Geräte ein- oder ausschalten. Der genaue Einblick in den Stromverbrauch hat aber nicht nur Vorteile. Ein smart meter gewährt demjenigen, der die Daten sammelt und aufbereitet, einen tiefen Einblick in die Privatsphäre seiner Kunden, wie Ulrich Greveler, Professor für Elektrotechnik und Informatik an der Fachhochschule Münster bei einem Smart Meter-Test in Nordrhein-Westfalen festgestellt hat. Das dort eingesetzte Gerät maß alle zwei Sekunden den Stromverbrauch und sendete die Daten an eine zentrale Datenbank.
"Wir konnten beispielsweise feststellen, wann sind die Personen aufgestanden, wann gehen sie zur Arbeit, ist Besuch gekommen, wurde der Besuch hereingelassen, wird mittags warm oder kalt gegessen, oder ob auch jemand nachts vielleicht einmal heraus muss. Das kann man bei den modernen Smart Metern daran erkennen, dass jedes elektrische Gerät ein spezielles Profil aufweist. Das gilt auch für die Türklingel oder den Türöffnermechanismus. Das gilt auch für das Telefon. So kann ich zum Beispiel auch sehen, ob das Telefon geklingelt hat und ob jemand das Gespräch angenommen hat. Wir können sogar Personen anhand ihres Verhaltens unterscheiden. Beispielsweise wenn die Personen morgens aufstehen und duschen, unterscheiden sie sich schon in ihrem Verhalten."
Es ist in der Tat verblüffend und sicherlich auch erschreckend, was sich alles aus einer sekundengenauen Strommessung ablesen lässt:
"Wir können anhand des Stromverbrauchsprofils nicht nur erkennen, dass ein Fernseher läuft und wie viel Strom dieser Fernseher verbraucht. Wir können sogar zurück schließen, welches Fernsehprogramm eingeschaltet war. Die Möglichkeit ergibt sich daraus, dass bei einem modernen Fernseher, das sind dann LCD Geräte mit einem sogenannten LED-backlight, die Bildhelligkeit korreliert mit dem Stromverbrauch, das heißt je heller das Bild ist, was der Fernseher darstellt, desto größer ist der Stromverbrauch und einer gesamten Sendung oder auch einem auf DVD verfügbaren Film kann man auf diese Art und Weise eine vorhersagbare Stromverbrauchskurve zuordnen. Konkret genügen meistens fünf bis 15 Minuten eines abgespielten Films, um tatsächlich auf die DVD zurückzuschließen oder auch nur fünf Minuten, um das Fernsehprogramm aus einer Auswahl von zum Beispiel 30 oder 40 Programmen heraus zu identifizieren."
Es droht der gläserne Mensch. Wenn in jedem Haushalt intelligente Stromzähler installiert sind, erlauben ihre Daten, detaillierte Nutzungsprofile zu erstellen. Wirtschaft und Politik haben großes Interesse an solchen Daten, um gezielt Verbraucher anzusprechen. Google, eBay, Facebook und andere Internetdienste erstellen solche Nutzerprofile bereits. Noch ist solches Datenfischen über Smart Meter allein schon mangels Masse noch nicht möglich, aber Kommunikationsexperte Ulrich Greveler warnt:
"Allerdings zeigt die Erfahrung, dass Daten, die gesammelt werden und ungeschützt zur Verfügung stehen, dann doch früher oder später von jemandem missbraucht werden. Das können harmlose Dinge sein, dass jemand zum Beispiel gezielt Werbung an eine Person bringen will. Sie können ja anhand der Stromverbrauchsdaten beispielsweise sehen, wer benutzt eine Kaffeepad-Maschine und können speziell an diese Haushalte Werbung für Kaffeepads verteilen."
Noch ist kein Kunde gegen solche Datenweitergabe geschützt, so Moritz Karg von der Hamburger Datenschutzbehörde:
"Wenn der Stromversorger, entgegen meinem ausdrücklich erklärten Willen, er möge bitte die Energieverbrauchsdaten nicht zu Marketingzwecken verwenden, es doch tut: Wie gehe ich dann mit dieser Situation als Staat, als Aufsichtsbehörde um; und da fehlen derzeit Handlungsinstrumentarien, die effektiv eingreifen würden, um einen solchen Verstoß ahnden zu können. Es gibt zwar eine gesetzliche Vorgabe, wie mit personenbezogenen Daten, also Energieverbrauchsdaten, umzugehen ist, aber das Gesetz hat keine eigenen Sanktionsmechanismen vorgesehen, was bei einem Verstoß eigentlich zu passieren hat."
Auch der Staat selbst könnte zum Datendieb werden und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aushebeln. Ulrich Greveler:
"Man könnte natürlich solche gesammelten Stromverbrauchsdaten beispielsweise von den Einwohnern einer ganzen Stadt verwenden, um diese nach Verhaltensprofilen zu rastern. Also wenn Sie beispielsweise einen Täter suchen, der nachts um Vier ein Auto in Brand gesteckt hat, könnten sie - rechtsmissbräuchlich allerdings heutzutage - anhand der Stromverbrauchsdaten herausfinden, welche Personen denn alles in der Stadt kurz nach Vier nach Hause gekommen sind."
Wenn man weiß, dass die Polizei die letzten Jahre in Berlin bei der Suche nach Autobrandstiftern Millionen Handydaten überprüft hat, dann braucht man nicht viel Fantasie, um sich entsprechende Fahndungswünsche in Zukunft vorzustellen. Eine ganz neue Form der Schleppnetzfahndung könnte uns drohen.
Das automatische Messen und die Übertragung dieser Daten durch Funk oder Kabel bietet zudem zahlreiche Angriffsflächen für Hacker - Ulrich Greveler:
"Das liegt daran, dass das Stromnetz aus intelligenten Komponenten zusammengesetzt wird. Jedes dieser eingebetteten Systeme bietet grundsätzlich eine Angriffsmöglichkeit, so wie man es von anderen Computersystemen auch kennt. Das heißt, für das moderne Stromnetz sind besondere Sicherungsmechanismen zu treffen, um zu verhindern, dass jemand beispielsweise über das Internet in das Stromnetz eindringt und dort Sabotage verursacht, Stromverbrauchsdaten fälscht oder ähnliche Angriffe vornimmt."
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, Daten zu manipulieren, wie eine gerade erschienene Studie des VDE, des Verbandes der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik zur 'Informationssicherheit im Smart Grid' aufzählt. So können Hacker falsche Identitäten annehmen, um sich bei der Basisstation oder einzelnen Knotenpunkten als Teilnehmer im Netz anzumelden. Wie ein Spion erhalten sie so vertrauliche Informationen. Die Angreifer können dann Daten aus Datenpaketen entfernen oder hinzufügen; Daten können zurückgehalten werden, um dann zeitverzögert verschickt zu werden. Da die intelligenten Netze zur Steuerung von Stromverbrauch und -Erzeugung auf korrekte Daten angewiesen sind, können Verfälschungen im schlimmsten Fall zum Zusammenbruch des Stromnetzes führen. Eine Albtraumsituation, die sich durch intelligente Verschlüsselungs- und Kontrollsysteme vermeiden lässt. Auf diesem Gebiete herrscht noch viel Nachholbedarf. Auch der Hamburger Datenschützer Moritz Karg sieht noch viele offene Fragen:
"Es geht schon beim Messen im Haus los und schon da stellen sich die ersten Fragen, in welchem Detailgrad müssen diese Informationen überhaupt gespeichert werden, das heißt gibt es vielleicht schon technische Möglichkeiten, diese Daten am Ursprung schon zusammenzufassen, bezogen auf den Zweck, der verfolgt werden soll. Der zweite Schritt ist: Es ist erforderlich, die Frage zu beantworten, wer eigentlich für diese Daten verantwortlich ist, wenn sie aus dem Haus des Einzelnen ausgehen und wo sie hingehen. Wer empfängt sie, wer darf mit diesen Daten etwas anfangen und wir müssen in irgendeiner Weise auch sicherstellen, wie der Verbraucher selber die Transparenz erhält, zu wissen, wo seine Daten überall hingegangen sind."
Noch befinden sich die klugen Netze in der Testphase, noch ist also genügend Zeit, sie gegen alle möglichen Angriffs- und Manipulationsmöglichkeiten zu sichern. Ihre Vorteile sind unbestreitbar. Die Energiewende braucht sie dringend. Doch die Bürger werden nur mitmachen, wenn sie nicht fürchten müssen, ausgespäht zu werden.