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Lange Nacht über die Geheimnisse des Honigstaates
Bienen, Immen, Sumseriche

Die Bienen haben seit der Antike durch ihre Lebensweise und Gaben die Menschen fasziniert und inspiriert. Um sie ranken sich zahlreiche Schöpfungsmythen, sie gaben Anlass zu religiösen Riten, Aberglauben und Wundergeschichten - und sie sind heute massiv bedroht.

Von Käthe Jowanowitsch und Stephanie Rapp |
    Eine Biene im Anflug auf eine geöffnete Finger-Küchenschelle
    Biene im Anflug auf eine geöffnete Finger-Küchenschelle (picture alliance / Winfried Rothermel)
    Seit jeher ziehen Bienen auch Wissenschaftler in ihren Bann - Biologen ebenso wie Neurologen, Agrarwissenschaftler, Verhaltensforscher und Soziologen. Und nicht zuletzt sind sie eine Wirtschaftsmacht par excellence, nicht nur als Lieferanten von Honig und Wachs, sondern vor allem als Bestäuberinnen. Ohne die Honigbiene würde rund ein Drittel der Lebensmittel auf unseren Märkten fehlen.
    Kein Wunder, dass das Bienensterben der letzten Jahre Ökologen und Ökonomen gleichermaßen alarmiert hat. Paradoxerweise hat ausgerechnet der drohende Tod sie zu Medienstars gemacht und ihnen die Aufmerksamkeit gesichert, die sie schon lange verdienen.
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    Wissenswertes über die Honigbiene
    Honigbienen gibt es seit 100 Millionen Jahren auf unserer Erde. Unvorstellbar viel länger als den modernen Menschen, der seit gerade mal 200.000 Jahren die Erde bevölkert. Den ältesten Beleg liefert eine Biene in Bernstein, die im Norden von Myanmar gefunden wurde. Die Bienen haben sich 60 Millionen Jahre mit den Dinosauriern den Lebensraum geteilt. Sie werden wohl auch zukünftige Klimaveränderungen überleben – falls ihnen der Mensch nicht endgültig einen Strich durch die Rechnung macht.
    Ohne Bienen sah die Welt völlig anders aus. Vor Beginn der Kreidezeit gab es Farne, Ginkgos, Nadelbäume und Urblüter wie die Magnolie. Keine bunt leuchtenden Blumenwiesen oder Obstbäume mit duftenden Äpfeln, Birnen und Kirschen. Die Biosphäre, wie wir sie kennen und in der der Mensch entstand, ist erst durch die Biene möglich geworden.
    "Mit der Honigbiene sind die Blütenpflanzen entstanden. Das ist ein Punkt, den man sich mal ganz bewusst machen muss, dass die Welt, so wie wir sie in unseren Breiten kennen – die Natur draußen wird vor allem von Blütenpflanzen dominiert. Und Blütenpflanzen gibt es nur so, weil es die Honigbienen gibt. Auch andere bestäuben, aber die Biene ist mit Abstand die effektivste. " (Jürgen Tautz)
    Über Jürgen Tautz:
    Jürgen Tautz, Imker, Biologe und einer der weltweit anerkanntesten Wissenschaftler auf dem Gebiet der Bienenforschung, hat ein Onlineprojekt an der Universität Würzburg zum Thema Honigbienen initiiert: HOBOS (HOneyBee Online Studies). Dort können mit Mikrochips ausgestattete Bienen live verfolgt und das Innenleben eines Bienenstocks sowie zahlreiche Messwerte aus der Umwelt (Wetter, Vegetation, Boden) beobachtet werden.
    Heute ist die Biene nach Rind und Schwein unser wichtigstes Nutztier. Fast 80 Prozent aller Nutz- und Wildpflanzen werden von der Westlichen Honigbiene – wissenschaftlich apis mellifera – bestäubt. Die restlichen 20 Prozent gehen auf das Konto von Hummeln, Fliegen, Wildbienenarten, Schmetterlingen und anderen Insekten. Die Welternährungsorganisation hat eine Liste mit mehr als 100 Nutzpflanzen veröffentlicht, die fast die gesamte Lebensmittelversorgung sicherstellen. Und mehr als zwei Drittel davon werden von den fleißigen Arbeiterinnen bestäubt. Das heißt: ohne Bienen kein Kürbis oder Weißkohl, keine Erdbeere oder Pfirsich.
    Die westliche Honigbiene ist gerade mal anderthalb Zentimeter groß. Es braucht zehn Tiere, um ein Gramm auf die Waage zu bringen. Dafür ist sie blitzschnell. Sie kann bis zu 30 Kilometer pro Stunde fliegen. Und sie ist ausdauernder als mancher Leistungssportler. An einem Tag legt sie weite Strecken zurück, in ihrem kurzen Leben kommt sie auf rund 8.000 Kilometer. Dabei bestäubt sie pro Minute 15 bis 20 Blüten und damit mehr als ein Mensch jemals leisten könnte – auch wenn in China bereits Obstbäume von Menschenhand bestäubt werden müssen, weil es im Obstanbaugebiet Sichuan keine Bienen mehr gibt. Eine Biene produziert im Laufe ihres Lebens bis zu 17 Gramm Honig. Das klingt wenig. Aber wenn sie allein ein Kilo schaffen wollte, dann müsste sie bis zu dreieinhalb Mal um die Erde fliegen und je nach Pflanzenart bis zu zehn Millionen Blüten besuchen. Das schafft auch die Fleißigste nicht. Möglich ist das nur im Kollektiv, dem Bienenvolk.
    Das Bienenvolk und seine Mitglieder
    Mehrere Zehntausend Bienen leben in einem Bienenvolk. Im Frühjahr und Sommer, wenn die meiste Arbeit zu tun ist, sind es bis zu 60.000. Über den Aufbau eines Bienenstockes haben sich schon die alten Griechen den Kopf zerbrochen. Der Philosoph Aristoteles hat bereits 400 Jahre vor Christus erkannt, dass es inmitten des Gewusels ein besonderes Tier gibt. Wegen seiner Größe hielt er es für ein Männchen und nannte es den Hegemon. Hier irrte der Philosoph. Erst im 18. Jahrhundert entdeckte man das Geschlecht der Bienenkönigin und ihre Rolle im Stock.
    • Königin: Wer sich darunter ein royales Leben vorstellt, täuscht sich. Die einzige Aufgabe der Königin ist es, Eier zu legen, und dieser Aufgabe sind alle ihre Lebensfunktionen untergeordnet. In den Frühlingsmonaten Mai und Juni legt sie bis zu 2000 Eier am Tag. In einem Jahr kann sie rund 200.000 Nachkommen produzieren. Ausgang hat sie nur einmal im Leben: wenn sie zum Hochzeitsflug den Stock verlässt. Dann buhlen bis zu 20.000 männliche Bienen, die sogenannten Drohnen, von Pheromonen angelockt um ihre Gunst. Sie stammen nicht nur aus ihrem eigenen Volk, sondern auch aus anderen Stöcken im Umkreis. Nur die Schnellsten kommen zum Zuge. Bei der Paarung dockt der "Bräutigam" im Flug von hinten an die "Braut" an. Der so gesammelte Samenvorrat reicht für ihr ganzes königliches Leben, etwa sechs Jahre lang.
    • Arbeiterinnen: Rund 50.000 Arbeiterinnen gibt es in einem Stock. Sie leben viel kürzer als die Königin. im Sommer gerade mal sechs Wochen. In dieser knapp bemessenen Spanne übernehmen sie die unterschiedlichsten Aufgaben. Ihre Karriere beginnen sie als Putzbienen. Vier Tage lang sorgen sie dafür, dass der Stock sauber bleibt. Dann steigen sie zu Ammenbienen auf und füttern die Larven, die Nachkommen der Königin, mit dem eigens für sie produzierten Futtersaft – wie die Muttermilch bei den Säugetieren ein eiweißreiches Designerfood. Diesen Powercocktail bekommen normale Bienenlarven nur für kurze Zeit. Ist eine Larve zu Höherem bestimmt, soll sie nicht Arbeiterin, sondern Königin werden, darf sie den wahrhaft königlichen Saft, das Gelée Royale, weiter genießen – über das Schlüpfen hinaus ihr ganzes Leben lang. Nach der Brutpflege kommt das Honigmachen. Die Arbeitsbiene, jetzt zur Produzentin befördert, nimmt den heimkehrenden Sammlerinnen ihren Ertrag ab, Nektar, Pollen oder Honigtau. Sie verteilt und verarbeitet ihn weiter. Bis am Schluss Honig und das sogenannte Bienenbrot entstehen. Im nächsten Lebensabschnitt wird die Arbeiterinnen zur Baubienen. Sie sind nicht nur Architekten und Konstrukteure, die mit enormer Präzision die immer gleichen sechseckigen Waben errichten, sie produzieren auch noch den Baustoff selbst: nämlich das Bienenwachs. Nachdem die Arbeiterinnen im Laufe ihrer Karriere auch noch als Heizerinnen für das Klima im Stock zuständig waren, sind sie endlich so weit, nach draußen zu gehen. Zunächst müssen sie am Flugloch Wachtdienst leisten. Und wenn es zum Äußersten kommt, treiben sie den Angreifer mit ihrem Giftstachel in die Flucht. Nur die erfahrensten Bienen schwärmen aus in die Natur.
    • Drohnen: Männer, sogenannte Drohnen, sind im Bienenstock in der Minderheit. Es sind gerade mal 1.000 von insgesamt etwa 60.000 Bienen. Und sie stehen nicht umsonst im Ruf, Faulpelze zu sein. Wer es im Frühling geschafft hat, beim Hochzeiten eine Königin zu begatten, kehrt nicht mehr zurück, sondern fällt nach der Paarung tot zur Erde. Die anderen werden im Stock weiter durchgefüttert, bis sie im Spätsommer als für das Volk unnützer Ballast von den Arbeiterinnen aus dem Stock geworfen werden.
    Das Verhalten der Bienen
    "Sobald man die Biene nicht mehr als einzelnes Insekt wahrnimmt, sondern in ihrer Gesamtheit als Schwarm, bekommen die Aussage und die Symbolkraft der Unsterblichkeit einen rationalen, nachvollziehbaren Sinn. Der Bienenschwarm gebiert sich immer wieder aufs Neue, ob Königin, Drohn oder Arbeiterin, alle Individuen sind in ihrer Funktion ersetzbar." (Maurice Maeterlinck)
    Video des Bayrischen Rundfunks über die Organisation der Bienen bei Youtube:
    Diese Betrachtung hat Wissenschaftler aller Couleur dazu animiert, ganz unterschiedliche Aspekte des Bienenlebens zu erforschen: Biologen, Neurologen, Soziologen, Verhaltensforscher, Ökonomen.
    Schon die alten Griechen haben sich systematisch mit dem Bienenvolk befasst. Der Philosoph Aristoteles schrieb im 4. Jahrhundert vor Christus das erste Fachbuch über die Bienenzucht. Seine "Historia animalium", zu Deutsch Tierkunde, enthält ein umfangreiches Kapitel über die Bienen. Der Bienenforscher Randolf Menzel: "Da wundert sich Aristoteles. Ein attischer Imker hat ihn zu einem seiner Bienenkörbe geführt, um ihm ein eigentümliches Schauspiel vorzuführen. Auf dem Weg zu den Bienenkörben durch die blühenden Wiesen beobachtet er das muntere Treiben der kleinen Tierchen auf den Blüten. So eine Biene lande ja nicht beliebig auf jeder beliebigen Blüte, sondern suche sich immer die gleiche Blüte aus. Die eine Biene die blauen Veilchen, die andere den gelben Hahnenfuß, wieder eine andere bleibt nur den Kirschblüten und noch eine andere beschäftigt sich nur mit Löwenzahnblüten. Der Imker scheint gelangweilt. Das wusste er längst, und er kann nicht sehen, warum das den Philosophen so aufregt. Etwas viel Eigentümliches will er ihm zeigen. Der Imkerfreund hat einen Korb ausgesucht, bei dem besonders viel Flugverkehr herrscht und sich außerdem viele Bienen vor dem Einflugschlitz versammelt haben. Beim genaueren Hinsehen beobachtet Aristoteles ein merkwürdiges Verhalten: Eine Biene dreht sich im Kreis, wackelt hin und her, und wird dabei von zahlreichen anderen Bienen genau beobachtet. Sie tasten mit ihren Fühlern nach ihr und weichen nur ein Stückchen zurück, wenn sich die "tanzende" Biene um sich selbst dreht."
    Es sollte fast 2500 Jahre dauern, bis der Zoologe und Verhaltensforscher Karl von Frisch das Geheimnis um den Bienentanz entschlüsselte. 1973 wurde er dafür mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Der Bienentanz ist ein Wunder der Natur. Bienen haben nur rund zehn Millionen Gehirnneuronen – wir Menschen rund hundert Milliarden. Und doch können sie miteinander über komplexe Sachverhalte kommunizieren. Bienen tanzen, um sich Informationen über Futterstellen, Wasservorräte und Nistplätze mitzuteilen.
    Seit den Entdeckungen von Karl von Frisch haben Verhaltensforscher noch ganz andere Erkenntnisse gewonnen. Einer der bekanntesten ist Thomas D. Seeley, Imker, Verhaltensbiologe und Professor an der amerikanischen Cornell University. Er hat untersucht, wie sich schwärmende Bienen darüber verständigen, welcher Nistplatz am geeignetsten ist.
    Die Geschichte der Imkerei
    Peter Simonischek liest für den österreichischen Bienenschutzgarten aus Maeterlincks Buch "Das Leben der Bienen" (Youtube):
    -> Weitere Infors im Bienen-Blog des Bienenschutzgartens
    "Die Biene überragt alle übrigen Lebewesen, die dem Menschen unterworfen sind. Obwohl sie winzig ist in ihres Körpers Kleinheit, gewaltige geistige Kräfte wälzt sie in ihrer engen Brust, an Körperlichkeit schwach, aber stark an geistiger Fähigkeit." (sogenanntes Bienenlob, Teil der christlichen Liturgie zur Osternacht"
    "Die Geschichte der Zivilisation ist untrennbar mit der Geschichte der Imkerei verbunden. Die Bienenhaltung ist so alt wie der Getreideanbau." (Imker Miljen Bobic)
    • Die erste Abbildung der Begegnung von Mensch und Biene ist eine spanische Felsmalerei, die in den Cuevas de la Araña bei Valencia gefunden wurde. Sie entstand vor rund 12.000 Jahren und zeigt, wie ein Honigjäger inmitten von Bienen aus einem Baumstamm wilden Honig raubt.
      In Zentralanatolien gab es die früheste Bienenhaltung vermutlich um 7000 vor Christus. Auch dort hat man Wandmalereien mit Bienenmotiven entdeckt.
    • Ihre erste Blütezeit erlebte die Imkerei im Alten Ägypten um 3000 vor Christus. Im Reich der Pharaonen galt Honig als "Speise der Götter". Die Bienen selbst, so glaubten die alten Ägypter, entstanden aus den Tränen des Sonnengotts Re.
      In Griechenland gab es bereits 600 vor Christus eine voll entwickelte und gesetzlich geregelte Imkerei. Bienen galten als Boten der Götter, Honig als Quelle der Weisheit und Dichtkunst. Die Hellenen glaubten, dass sich die Götter auf dem Olymp von Nektar und Ambrosia ernährten und dadurch unsterblich wurden.
    • Für die Juden war das "gelobte Land" das Land, wo "Milch und Honig fließen". Wie es im 2. Buch Mose heißt. Und dass das wörtlich gemeint war, haben Archäologen der Hebräischen Universität in Jerusalem nachgewiesen. In der historischen Stadt Tel Rehov, vor 3000 Jahren ein bedeutendes Zentrum im Nordosten Israels, fanden sie ein Bienenhaus mit mehr als 30 Bienenstöcken.
    • In unseren Regionen kam die Imkerei im Mittelalter zu erster Blüte. Bienen waren hochgeschätzt. Wer sich an ihnen oder ihrem Honig vergriff, musste mit schweren Strafen rechnen. So steht es in der Lex Salica aus dem Jahr 510, einem der ältesten erhaltenen Gesetzbücher. Zeidler nannten sich die Imker damals. Der Name kommt vom lateinischen Wort für schneiden und beschreibt, wie sie den Honig ernteten. Anders als heute hielten sie die Bienen nicht in Körben oder Kästen, sondern legten für sie künstliche Höhlen – sogenannte Beuten – in alten Bäumen an, aus denen sie die Waben als Ganzes herausschnitten.
    • Seit dem vierten Jahrhundert gehört das Lob der Kerze zur Liturgie der Osternacht. Die Kerze aus Bienenwachs ist Sinnbild für die menschliche Natur Christi, der sich für uns verzehrt. Die Flamme steht für seine göttliche Natur, die die Dunkelheit erhellt.
      Über Jahrhunderte war das Imkern schwere Arbeit. Sie wurde leichter, als im 18. und 19. Jahrhundert das bewegliche Holzrähmchen und die Honigschleuder erfunden wurden. Damit wurde es möglich, von einem Volk immer wieder Honig zu ernten, ohne den Stock und die Bienen zu zerstören.
    • 1769 richtete die österreichische Erzherzogin Maria Theresia in Wien die weltweit erste staatliche Imkerschule ein, die vom Slowenen Anton Janscha geleitet wurde. Ab 1838 erschien in Deutschland erstmals regelmäßig eine Imkerzeitung, das "Monatsblatt für die gesamte Bienenzucht". Es enthielt Tipps und Hinweise, aber auch allgemeine Überlegungen.
    • Ein begeisterter Imker war auch Wilhelm Busch. Vor seinem Erfolg als Dichter und Zeichner spielte er 1857 sogar mit dem Gedanken, nach Brasilien auszuwandern, damals ein Eldorado für Bienenzüchter. Mehrfach schrieb er Texte für eine Fachzeitschrift, das "Bienenwirthschaftliche Centralblatt": "Sinnig vertieft, steht der Bienenfreund inmitten seiner Scharen und lässt mit harmlosem Stolze die furchtsame Welt an sich vorüberziehen. Er sieht mit Befriedigung unter seinen Augen die wohlgeordneten Staaten aufblühen, in denen Haupt und Glieder, durch innige Bande vereint, in schöner Harmonie zusammenwirken."
    • Einen drastischen Einschnitt brachte die industrielle Herstellung von Zucker aus Zuckerrüben zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die erste Rübenzuckerfabrik entstand 1801 in Schlesien. Zucker – zuvor mühsam aus Zuckerrohr gewonnen und als Luxusartikel von den westindischen Inseln importiert – wurde für die breiten Massen erschwinglich und verdrängte den Honig.
    Die Erzeugnisse der Biene und ihre Wirkung
    Honigglas und Honiglöffel 
    "Dein Herr gab der Biene ein: ‚Mach dir Häuser in den Bergen, in den Bäumen und in dem, was die Menschen errichten! Dann iss von allen Früchten, und folge den gebahnten Wegen deines Herrn!‘ Aus dem Leib der Bienen kommt ein Saft, verschiedenartig in den Farben. In ihm liegt Heilkraft für die Menschen."
    So steht es im Koran, dem Heiligen Buch des Islam, in der Sure 16, die "Bienensure" genannt wird. Honig als Nektar der Götter, als Stärkungsmittel und Medizin – viele antike Kulturen kannten die Heilkraft des flüssigen Goldes.
    • Bei den Germanen galt der Honig als "Götterspeise". Ihr verdankte Gottvater Odin seine Unsterblichkeit, Kraft und Weisheit. Das einfache Volk berauschte sich an Met - dem Honigwein. Die germanischen Stammesfürsten schätzten das süße Gold so sehr, dass sie von ihren Untertanen einen Teil der Honigernte als Steuer einforderten.
    • Besonders hoch entwickelt war die Heilkunde im alten Ägypten. Das Wissen wurde in wertvollen Papyrusrollen bewahrt. Sie enthielten Lehrtexte für Ärzte, Rezepte, anatomische Abhandlungen und magische Schriften. Neben Kräutern und anderen Ingredienzien spielt darin Honig eine herausragende Rolle. In rund 500 altägyptischen Rezepten wird er erwähnt. Eingesetzt wurde er zur Wundversorgung, bei Geschwüren und Magen-Darm-Erkrankungen, vor allem aber auch zum Einbalsamieren der Mumien.
    • Hippokrates, der berühmteste Arzt der Antike und Begründer der Medizin, schwor im 4. Jahrhundert vor Christus auf die fiebersenkende Kraft des Honigs und setzte ihn gegen eiternde Wunden ein. Den olympischen Athleten empfahl er Honigwasser als Stärkungsmittel – antikes Doping auf natürlicher Basis.
    • Der römische Gelehrte Plinius Secundus schrieb in seiner um 77 nach Christus erschienenen "Naturalis historia": "Dann ist der Honig selbst so beschaffen, dass er das Faulen der Körper verhindert; sein Geschmack ist angenehm und nicht herb, von anderer Art als die des Salzes. Er ist daher auch für Hals und Mandeln, bei Angina und allen Bedürfnissen des Mundes, auch beim Fiebern der Zunge, gekocht vollends bei Lungenentzündung und Seitenstechen, ebenso bei Wunden durch Schlangenbiss, auch gegen Gifte, auch Pilze, bei Lähmungen in mulsum genehmigt, obgleich der mulsum schon für sich allein seine anerkannten Vorzüge aufweist. Honig träufelt man mit Rosenöl in die Ohren, Läuse und ekelhafte Tiere auf dem Kopfe tötet er."
    Und nicht nur der Honig, sondern auch andere Produkte aus dem Bienenstock sollen Heilwirkung haben: Propolis, bekannt als Kittharz mit antibakterieller und antiviraler Wirkung, Wachs, Blütenpollen, Bienengift und Gelée royale. Das Gelée Royale umgibt eine fast mythische Aura. Dem "Designerfood" der Bienenkönigin werden magische Kräfte nachgesagt. So findet es sich nicht nur in Kosmetikprodukten, die jünger und schöner machen sollen. Es wird auch als potentes Stärkungsmittel eingesetzt.
    Apitherapie heißt die Methode, die Heilkraft der Bienen präventiv und kurativ einzusetzen. Das heißt zur Vorbeugung, Behandlung und Gesunderhaltung. Sie hat eine jahrhundertelange Tradition. In unserem Kulturkreis ist sie allerdings fast in Vergessenheit geraten. Ganz anders in Ländern wie China, Russland, Japan oder Korea. In Europa sind es vor allem die Balkanländer, in denen mit der Heilkraft aus dem Bienenstock therapiert wird. In Rumänien, Bulgarien, Slowenien und Serbien wird die Apitherapie von Ärzten empfohlen und angewendet.
    In Deutschland ist sie nicht offiziell anerkannt. Trotzdem werden Bienenprodukte auch in der Schulmedizin eingesetzt. Zum Beispiel der sogenannte Medihoney. Die Universitätskinderklinik Bonn war Vorreiter bei der Behandlung schwer heilender Wunden mit Honig.
    "Zum einen spielt dabei die Osmoralität eine Rolle. Das ist eine gesättigte Zuckerlösung, die den Bakterien und dem umliegenden Gewebe Flüssigkeit entzieht. Dieser Effekt auf das umgebende Gewebe ist wichtig, weil die Flüssigkeitsansammlung im Gewebe zu einer Schwellung und zu Schmerzen führt. Der zweite wichtige Wirkungsmechanismus ist, dass im Honig ein Enzym enthalten ist, das von den Bienen dem Honig zugesetzt wird. Dieses Enzym heißt Glukoseoxydase. Wenn Honig mit Flüssigkeit in Kontakt tritt, wird an dieser Grenzfläche permanent Wasserstoffsuperoxyd in kleinen Mengen gebildet. Und das ist auch antibakteriell wirksam." (Kinderarzt Arne Simon, Pionier der klinischen Anwendung von Honig zur Wundbehandlung)
    Bekannt ist auch die Verwendung von Blütenpollen zur Desensibilisierung bei Heuschnupfen. Viele Geplagte schwören auf Honig aus der Region.
    Die kleinen bunten Kügelchen, die die Bienen aus dem Blütenstaub zusammenkleben, sind darüber hinaus eine reiche Quelle an Vitalstoffen. Sie enthalten Vitamine, Mineralien, Proteine, Aminosäuren, Enzyme und Spurenelemente.
    Selbst Bienengift hat heilende Wirkung: Im antiken Ägypten und China wurden damit rheumatische Erkrankungen behandelt. Ende des 19. Jahrhunderts hat der in Slowenien praktizierende Arzt Philipp Terc die Bienengift-Therapie wiederentdeckt. Seine Studie an 700 Patienten war der erste moderne wissenschaftliche Nachweis ihrer Wirkung. Heute weiß man, dass das Gift die Ausschüttung des körpereigenen Kortisons anregt und gegen Entzündungen wirkt.
    Das Bienensterben und die Folgen
    Vor einigen Jahrzehnten fiel Imkern zum ersten Mal auf, dass ganze Bienenstöcke verwaisten. Die Bienen verschwanden, ohne dass die Imker wussten, was ihnen zugestoßen war. Verluste im Winter von fünf bis zehn Prozent gelten als normal. Nicht normal aber ist der Kollaps ganzer Kolonien.
    Das Bienensterben ist mittlerweile ein globales Phänomen. In den USA, China und Ägypten berichteten Biologen von einem regelrechten Massensterben. In Europa sieht es nur wenig besser aus. Und es steht außer Zweifel, dass der Mensch selbst die Ursache des Problems ist.
    Was die genaue Ursache für das Bienensterben ist, weiß die Wissenschaft trotz intensiver Forschung immer noch nicht. Es ist wohl ein ganzer Strauß von Gründen. Vermutlich spielt ein kleiner Schmarotzer die größte Rolle. Die Varroa-Milbe wurde Mitte des 20. Jahrhunderts aus Asien nach Europa eingeschleppt. Das winzige Spinnentier ist der Todfeind der Bienen. Wie ein Vampir saugt es sie aus, schwächt ihren Organismus und macht sie anfällig für weitere Krankheiten. Die Kolonie kollabiert, das Summen verstummt. Aber den Bienen droht nicht nur Gefahr durch den tückischen Parasiten.
    "Wir haben eine klare Korrelation zwischen Winterverlusten und dem Maß des Varroa-Befalls. Das ist aber keine kausale Beziehung. Die Frage ist, wodran gehen die Bienen eigentlich zugrunde. Da gibt es inzwischen eine Reihe hochsignifikanter Ergebnisse von Studien, die zeigen, dass durch die Anwendung von Pestiziden, insbesondere Neonicotinoiden die Empfindlichkeit gegenüber diversen Erregern drastisch steigt." (Thomas Radetzki von der Aurelia-Stiftung, Imkermeister und Sachverständiger für Tierseuchen)
    Neonicotinoide heißt eine Gruppe hochwirksamer Nervengifte, die in über 100 Ländern der Welt zugelassen sind. Sie sollen Pflanzenschädlinge bekämpfen, greifen aber auch Nützlinge wie die Honigbienen an. Die Neonicotinoide wirken auf ihre Gehirnprozesse und stören ihre Kommunikations-, Lern- und Orientierungsfähigkeit. Die Folge: Sie finden nur schwer in ihren Bienenstock zurück oder kehren gar nicht mehr heim.
    Video des Bayrischen Rundfunks über das Volksbegehren Artenvielfalt auf Youtube:
    "Es stellt sich heraus, dass dann ihre Navigation und Tanzkommunikation beeinträchtigt sind. Sie brauchen höhere Konzentration an Zuckerlösung, um überhaupt wieder an ihre Futterstelle zurückzukommen. Also all das, was gut eingespielt ist, was eine kompliziertere Hirnstruktur möglich macht, ist massiv geschädigt." (Neurobiologe Randolf Menzel, der seit vielen Jahren die kognitiven Leistungen der Bienen erforscht.)
    Unbestritten ist, dass die Neonicotinoide auch die Fortpflanzung stark beeinträchtigen. Die Zusammenhänge sind also klar: Die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit hat die Risiken für Bienenvölker identifiziert. Aber über die Konsequenzen wird weiter gestritten. Zwar dürfen seit 2018 in Deutschland einige Wirkstoffe nicht mehr im Freien angewendet werden. Umweltschützern geht das nicht weit genug.
    Intensive Landwirtschaft braucht Bienen, um den Ertrag zu steigern, nimmt aber gleichzeitig keine Rücksicht auf ihre Physiologie. Monokulturen schränken den Speiseplan der Bienen stark ein. Riesige gelbleuchtende Rapsfelder sind schön für das Auge. Aber sobald die Pflanzen verblüht sind, droht den Bienen der Hungertod.
    Paradoxerweise hat ausgerechnet ihr Sterben die Bienen zu Medienstars gemacht. Und ihnen die Aufmerksamkeit gesichert, die sie schon lange verdienen. Summte es früher vor allem in Schrebergärten oder der freien Natur, stehen die Bienenstöcke heute auf Bürohäusern, Balkonen und sogar auf dem Dach des Deutschen Bundestages. Stadthonig ist zur Marke geworden, das Imkern hat sein muffiges Image verloren.
    2018 dann erneut eine Hiobsbotschaft: Die Insektenpopulation ist in Deutschland um 75 Prozent zurückgegangen. Betroffen sind vor allem Naturschutzgebiete. Nicht nur die Bienen sind gefährdet, sondern auch Schmetterlinge, Käfer, Fliegen und Mücken. Im Frühjahr des Jahres 2019 hatte das Volksbegehren "Artenvielfalt" unter dem Slogan "Rettet die Bienen" Erfolg. Mehr als 1,7 Millionen Menschen haben in Bayern für einen besseren Naturschutz votiert. Der Bayerische Landtag hat reagiert und im Sommer 2019 den Gesetzentwurf des Volksbegehrens angenommen.
    Über diese Lange Nacht:
    Autorinnen: Käthe Jowanowitsch und Stephanie Rapp, Redaktion: Dr. Monika Künzel, Regie: Uta Reitz, Webbegleitung: Jörg Stroisch
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