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Alternsforschung
Die Gene langlebiger Fische

Manche Arten von Felsenbarschen leben über 200 Jahre, andere nur elf. Diese beachtliche Spannbreite hat Forscher der Harvard Unviersität auf die Spur der verantwortlichen Gene geführt. Einige der neuen Alternsgene finden sich auch beim Menschen.

Von Volkart Wildermuth |
Die damals älteste Frau der Welt Emma Morano sitzt am 29. November 2016 in ihrer Wohnung und feiert den 117. Geburtstag
Die Italienierin Emma Morano war von Mai 2016 bis April 2017 die älteste lebende Frau der Welt. Welche Rolle spielen die Gene? (imago / Xinhua)
Der Rotbarsch gehört zur Fischgattung Sebastes. Erstmal wirken diese Felsenbarsche gar nicht aufregend, meint der Bioinformatiker Stephen Treaster.
“Aber was cool ist, sie leben viel länger als man denken würde, manche Arten über 200 Jahre. Andere Arten aus derselben Gattung haben nur knapp ein Dutzend Jahre. Solche Unterschiede gibt es sonst nirgendwo im Baum des Lebens. Für uns sind sie ein aufregendes Modell, um die Evolution der Lebensspanne zu studieren.“
Das Alter dieser Fische kann an ihren Gehörsteinchen abgelesen werden. Der Rotbarsch erreicht hier hundert Jahresringe, liegt also im Mittelfeld. Die Forschenden von der Harvard Medical School haben sich den Stammbaum dieser Untergruppe der Felsenbarsche angesehen. Entstanden sind sie vor acht Millionen Jahren, der Urahn hatte wohl einen sicheren Lebensraum gefunden, entwickelte sich langsam und lebte bereits sehr lang.
Kleiner Rotbarsch, Norwegischer Rotbarsch (Sebastes viviparus) im Meer
Die Geschlechtshormone Östrogen und Testosteron beeinflussen die Geschlechtsreife und darüber auch die Lebensstrategie und Lebenserwartung bei Felsenbarschen (picture alliance / WILDLIFE / F.Graner)
Nicht alle seine Nachkommen setzen auf diese Strategie. Einige wagten sich in gefährlichere Nischen vor. Im Laufe der Zeit veränderten sich auch die Gene für die Lebenszeit, die Fische wurden schneller geschlechtsreif, starben dafür früher. Zwischen acht und elf Mal innerhalb der Evolution haben Sebastes-Arten diese schnellere aber kürzere Lebensstrategie eingeschlagen.
“Weil das mehrmals passiert ist, können wir verfolgen, welche Gene sich parallel zur Lebenserwartung verändern.“
Der genetische Vergleich der kurzlebigsten und langlebigsten Felsenbarscharten führte die Forschenden auf die Spur von zwei Gengruppen. Die erste beeinflusst die sogenannten Insulin-ähnlichen Wachstumsfaktoren. Es war bereits bekannt, dass diese die Alterung in Fadenwürmern, Fruchtliegen und Mäusen beeinflussen, wohl auch in Zusammenhang mit der Ernährung. Dass diese Gene in der neuen Analyse auffallen zeigt: die Methode funktioniert.
“Aber die zweite Gruppe war ganz neu. Niemand hatte den Flavonoid-Stoffwechsel mit dem Altern in Zusammenhang gebracht. Das ist aufregend.“

Geschlechtshormone beinflussen vielleicht die Lebenserwartung

Flavonoide sind Stoffe, die in Obst und Gemüse vorhanden sind. Der nach ihnen benannte Stoffwechselweg ist im Körper aber vor allem für den Auf-, Um- und Abbau von Steroidhormonen zuständig. Dazu gehören zum Beispiel das Stresshormon Cortison und die Geschlechtshormone Östrogen und Testosteron. Letztere beeinflussen die Geschlechtsreife und darüber vielleicht Lebensstrategie und Lebenserwartung generell, zumindest bei Felsenbarschen.
Stephen Treaster und der Rest des Teams haben nun auch gezielt vorhandene genetische Studien an Menschen mit Blick auf die Flavonoid-Gene analysiert.
Stephen Treaster, Harvard Medical School
Stephen Treaster, Harvard Medical School (Michael Goderre, Boston Children’s Hospital)
“In den humanen Daten springen uns nicht einzelne Gene entgegen, so wie bei den Felsenbarschen. Aber das Flavonoid-Gen-Set als Ganzes ist häufiger bei Leuten zu finden, die extrem alt werden. Diese Menschen haben besondere Veränderungen in diesem Stoffwechselweg.“

Flavonoid-Gen-Set auch bei extrem Hochbetagten

Dabei ist der Stoffwechselweg nicht nur für Steroidhormone, sondern auch für die Umsetzung bestimmter Pflanzeninhaltsstoffe zuständig. Stephen Treaster hofft, dass sich hier vielleicht neue Möglichkeiten ergeben, den Alternsprozess zu beeinflussen. Aber das ist noch eine Theorie, die Experimente laufen gerade erst an.
“Wir kennen jetzt diese Gen-Set von Felsenbarschen und Menschen. Wir werden untersuchen, ob wir über sie die Lebensspanne und die Gesundheitsspanne verlängern können. Flavonoide gelten als gesund. Aber noch kann ich den Zuhörern hier nichts Konkretes sagen.“