Einspieler aus der Doku: "Am 15. Juni 2018 scheint die Sonne über Helsinki 20 Stunden lang. Es verspricht ein heißer Tag zu werden Bald feiern Lovisa und Rakel Midsommer."
Lovisa und Rakel sind zwei von 60 Protagonistinnen und Protagonisten, deren Tag die Kamera beim Mammutprojekt "24 Stunden Europa" begleitet hat. Gedreht an einem einzigen Tag, mit 260 Teams und insgesamt 700 Stunden Material. Und - das ist das Besondere, nur mit Akteuren vor der Kamera, die alle ausschließlich junge Menschen unter 30 sind. Aus diesem Grund heißt das Format im Untertitel "The Next Generation".
"Weil ich der Meinung war, dass das ja die sind auf die Europa, die nächsten 30, 40, 50 Jahre zukommt und nicht meine Generation."
Sagt Volker Heise, der die Idee und das Konzept von "24 Stunden Europa" entwickelt hat.
"Und zweitens sind wir aber in der Mehrheit, überall sind die Alten in der Mehrheit, und die bestimmen über die Zukunft dieser jungen Leute, und deswegen wollte ich sagen: Okay, das ist jetzt exklusiv, wir gehen wirklich nur unter 30, um deren Leben zu erzählen."
Von Digitalisierung bis zu Migration
Heise und sein Filmteam haben ganz offensichtlich viel Aufwand und Mühe in die Auswahl der Themen und Protagonisten gesteckt. "Was brennt den Jungen unter den Nägeln?" war die Frage, die sich die Macher gestellt haben. Heraus kamen: Themen wie Digitalisierung, Migration, Genderfragen, die Rolle der Frau, all diese Fragen. Fast alle der 60 Akteure haben eine besondere Eigenschaft, einen besonderen Beruf, oder ihr Leben steht vor einem bedeutenden Umbruch. So ist es beispielsweise bei Verica, eine 26-jährige Ärztin aus Belgrad, die für eine bessere berufliche Perspektive nach Deutschland geht, aber das nur notgedrungen:
"Tatsache ist, Du kannst nicht wissen, was passieren wird. Ich will dort eine zeitlang hingehen, aber was dann passieren wird. Vielleicht wird Serbien ein prosperierendes Land mit vielen Möglichkeiten für seine Jugend?"
Interessant ist es zu sehen, wie sich verschiedene Perspektiven auf ein Thema, wie Migration eröffnen. Eine junge Frau arbeitet auf dem Rettungsschiff SeaWatch, der Pole Czeremy ist angestellt bei "Frontex", der europäischen Agentur für Grenz- und Küstenwache. Die eine hilft Flüchtlingen nach Europa, der andere sitzt in einem Seminar, in dem man lernt, Passfälschungen besser zu erkennen.
Schnitt. Nächste Szene: Ein junger Ire betreibt zusammen mit seinem Vater einen Bauernhof, der sich über die Grenze zwischen Nordirland und Irland erstreckt. Sein Wunsch für die "Next Generation"?
"Ein paar Jahre zurückgehen und die Brexit-Abstimmung wiederholen. Ich schätze, viele Leute haben ihre Meinung schon geändert, und der Brexit ist noch nicht mal da. Sie merken, dass die Leute, die wissen sollten, was sie tun, es nicht wissen."
Manchmal sind die ausgewählten Beispiele vielleicht etwas speziell.
Kein "Hi-tai-tai Europa"
Doch das Prinzip hat Methode: "24h Europa" soll keine "Schönwetter-Dokumentation" sein, sagt Volker Heise, sondern will durchaus auch die Probleme der jungen Generation thematisieren, etwa wie schwer zuweilen die Arbeitssituation ist, zum Beispiel in Griechenland.
Oder auch: wie junge Europäer sich zunehmend für Nationalismus begeistern: "Wir haben immer gesagt, wir kommen um die nicht drumherum, wir können nicht so ein "Hi-ti-tai Europa" erzählen, das geht auf keinen Fall, sondern wir müssen schon dahin, wo es weh tut, und wo die Fliehkräfte sind, und wo dieses Europa auch auseinander zu fallen droht."
Nach mehreren Stunden "24h Europa" stellt sich das Gefühl ein: alles ist im Fluss. So vielfältig der Kontinent, so vielfältig und unterschiedlich die Leben der Protagonisten der Dokumentation. Nur wenige Gemeinsamkeiten gibt es: Allenfalls die Suche nach einem guten, sicheren Leben, die Hoffnung auf Frieden und Wohlstand – immerhin war das die Kernidee der EU.
Da die Doku 60 Protagonisten zeigt, kommt man manchen von ihnen nicht richtig nahe, zumal sich die Reporter der verschiedenen Teams sehr zurückhalten und nicht immer nachfragen. Doch der Blick in 26 Länder Europas war die Mühe wert. Die Doku gibt jungen Europäerinnen und Europäern eine Stimme. Sie werden schon in wenigen Jahren diejenigen sein, die über die Richtung des Kontinents bestimmen werden.
Die Echtzeit-Doku "24h Europe - The Next Generation" läuft am Samstag ab 6 Uhr zeitgleich in mehreren Programmen - bei Arte, im RBB und SWR und beim Bildungskanal ARD-alpha.