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Laotisch langsam

Laos ist ein Staat im Wandel: Eine sozialistische Diktatur herrscht, aber die Marktwirtschaft erhält Einzug und bringt überall Aufschwung.

Von Dieter Jandt |
    "In diesem Topf hier wird die blaue Farbe in die Baumwolle eingekocht. Ich kann da nicht viel zu sagen, der Chef ist nicht da. Der ist in Thailand und kommt erst am Montag wieder."

    Eine Weberei in der südlaotischen Provinzstadt Paksé. Noy, ein junger, schüchterner Mann, wuselt zwischen abgehängten Baumwollbündeln und Krügen voller Farbe herum. Lange Spinnweben hängen von der Decke herab. Die kleine, staubige Fabrik scheint schon zur Kolonialzeit der Franzosen hier gestanden zu haben, nur einen Steinwurf entfernt vom Mekong, der breit und ruhig daher fließt, wie zu allen Zeiten.

    "Also erstmal wird die Baumwolle gekocht. Und dann geben wir jeweils die Farbe hinzu. So wie hier diese blaue. Die rote Farbe dort drüben kommt vom Baum Khii Khrang, die grüne in den Fässern ist ein Extrakt aus Blättern, Huu Kwang heißen die. Und das Gute ist: Die grüne Farbe muss man nicht einkochen, die rote aber doch."

    Noy fingert unbeholfen an den Baumwollbündeln herum, die auf einem der Tische übereinander liegen. Er ist soeben aus Bangkok zurückgekehrt, weil es auch dort für ihn keine Arbeit gab. Nun langweilt er sich in der laotischen Provinz. Sicher, er würde gerne aushelfen in der Fabrik, aber irgendwie scheint er fehl am Platz. Niemand sagt ihm, was er tun soll, während am Nebentisch eine junge Frau an der Nähmaschine sitzt und all die langen Stoffbahnen neben ihr mit einem Saum versieht.

    "Und wenn die Stoffe eingefärbt sind, werden die Tuchballen erstmal in eine andere Fabrik gebracht. Dort wird die Baumwolle weiterverarbeitet. Und die Ballen kommen dann wieder hierher zurück. Und wir schneiden und nähen die Stoffe dann zurecht. Dann kann die Ware verkauft werden."

    In einem wackligen Holzregal liegen dicke Tuchballen mit roten und blauen Karomustern, vor allem für große Tragetaschen, die die Händler auf den Märkten für ihre Produkte benutzen. Die junge Frau zieht geschickt den Stoff über die Stichplatte der Nähmaschine, während ein kleines Kofferradio so etwas wie eine Samstag-Nachmittag-Atmosphäre schafft, wo alles etwas gemütlicher zugeht.

    "Wir schneidern auch Kleidung aus diesen Stoffen. Und Schals, die da drüben zur Demonstration aufgehängt werden. Und wenn sie den Leuten gefallen, kaufen sie direkt, ab Fabrik, so wie diese hier, die hat ein Inder schon bestellt."

    Laos goes international. Auch wenn es nicht so aussieht zwischen all den Spinnweben und in den staubigen Ecken. Laos entwickelt sich. Daran können auch die beiden Porträts nichts ändern, die an der Wand hinter dem jungen Mann auf zwei Postern verewigt sind: Lenin und Ho tschi minh.

    "Die kenne ich beide nicht. Tut mir leid. Ich glaube, der eine da kommt aus Vietnam, aber mehr kann ich dazu auch nicht sagen."

    Mit Sozialismus kann Noy nichts anfangen in diesem offiziell noch sozialistischen Land, das sich rasant in Richtung Fortschritt zu bewegen scheint. Eine Entwicklung, bei der viele Menschen nicht mitkommen, noch nicht.

    "Aber ja, der Fortschritt zeigt sich hier in allen möglichen Bereichen. Hier, das sieht man doch: überall neue Bauten, Hotels und so weiter. Vorher war da nur Wald, Brachland, nichts als Gestrüpp. Das ist alles weg. Überall wird gebaut, und es gibt jetzt viele reiche Leute."

    Der alte Fährmann hockt über dem steilen Ufer auf einem Plastikschemel. Gleich nebenan reihen sich am langen Boulevard über dem Mekong die Restaurants, die am Abend mit bunten Lichterketten locken. Die dünne Mittelschicht schlägt sich hier den Bauch voll mit Klebreis, Saucen aus Knoblauch an dünnen weißen Nudeln und mit gebratenen Hühnerfüßen, die aus der Suppe ragen.

    Der Alte kann sich kein Restaurant leisten. Zahnlos und vogelgrau ist er im Zwiespalt. Hinter ihm die riesigen Hotelkomplexe, die in die Höhe schießen und später leer stehen werden. So viele Handelsreisende verirren sich nicht nach Laos. Aber für die Menschen hier verkörpern die Betongerippe Fortschritt, auf den man stolz ist. So sitzt der Fährmann gemeinsam mit einigen anderen zum Schutz vor der Hitze unter einer Plastikplane und wartet darauf, dass noch ein paar Fahrgäste hinzukommen.

    "Nur 10 Passagiere sind das bislang. Das ist mal so, mal so. Sein Haus hier liegt zum Beispiel auf der anderen Seite des Mekongs. Da könnte er eigentlich auch gut mit dem Auto oder mit dem Bus über die Brücke fahren. Seit die da ist, gehen auch viele einfach zu Fuß hinüber oder sie nehmen das Motorrad anstatt wie früher die Fähre."

    Vor einigen Jahren wurde eine neue Brücke über den Mekong gebaut. Und daran anschließend eine Schnellstraße, die Richtung Thailand führt und dem Alten das Geschäft verdirbt. Wer will da noch mit der Fähre herumtuckern, stundenlang? 20.000 Kip, rund zwei Euro, kostet die Fahrt. Das ist nicht gerade wenig. Nun schaut der Alte zu, wie unten die blauen Boote mit Warenballen vor sich hindümpeln, darunter auch seines. Und wie ein Fischer im schmalen Kahn hockt und an den Knoten des Netzes nestelt. Einer der Fahrgäste mischt sich ein.

    "Das ist nun mal einfacher als früher. Und der Vorteil ist auch, wenn die Menschen mit dem Bus fahren, können sie sich auch nett anziehen, nicht wie auf der Fähre mit all dem Wind und Wetter."

    Drüben ergiest sich der Xe Don gemächlich in den Mekong, strömt breit hinein in die Mutter aller Flüsse, wie der Mekong in Laos genannt wird. Und ist dabei auch nicht gerade von schlechten Eltern, bei so viel Wasser, das er von den Bergen im Osten her mit sich führt. Weit hinter der Brücke erheben sich am Horizont die Berge von Kambodscha, ein Land, dem sich sogar die Laoten überlegen fühlen. Der Fahrgast wartet weiter mit aufgestützten Ellbogen und schaut auf die Uferböschung, wo die letzten Quadratmeter genutzt werden, um ein wenig Basilikum anzubauen. Kleinhändler ist er, mehr schon nicht.

    "Nein, die Geschäfte gehen nicht gut. Die meisten fahren nach Thailand zum Einkaufen. Überhaupt: Nur die alten Leute bleiben noch hier, die jungen Leute sind alle fort, um Arbeit zu suchen in den thailändischen Gummiplantagen oder als Haushaltshilfe oder sonstwas. Ich habe jetzt zwei Stunden Bootsfahrt vor mir, bis ich zu Hause bin. Das ist ganz schön weit. Frau und Kinder warten schon auf mich. Jetzt habe ich hier auf dem Markt ein paar Kleinigkeiten besorgt, Haushaltswaren. Die will ich dann bei uns im Ort weiter verkaufen, aber viel bringt das nicht ein."

    "Ich verkaufe richtig gut. Das ist eine tolle Stelle hier, schön wie im Himmel."

    Eine Straßenverkäuferin in der Innenstadt von Paksé. Sie hat auf dem Bürgersteig einen Klapptisch aufgebaut, auf dem Töpfe, Gläser und Schüsseln mit Gemüse, Obst und allerlei Gewürzen stehen. Mit einem Stößel zerkleinert sie rote Chilischoten. Eine junge Frau ist mit dem Motorrad vorgefahren und wartet auf Papayasalat, der selbst für Einheimische sehr scharf ist.

    "- "Soll ich die Nudeln noch mal waschen?"
    - "Nein, das brauchst du nicht."
    - "Willst du vorher mal probieren, mal abschmecken?"
    - "Nein, ist schon gut.""

    Gleich um die Ecke hat man vor wenigen Jahren ein neues Department Store mitten in das Stadtzentrum gebaut, nach thailändischem Vorbild. Immerhin mit drei Etagen und einer Fast-Food-Filiale. Doch schon das Obergeschoss glänzt durch Ladenleerstand. Die Menschen kaufen lieber bei den kleinen Händlern an der Straße.

    "Ich habe hier alles dabei, auch einen Wasserkocher. Es schauen sogar Ausländer vorbei und kaufen bei mir ein, jeden Tag, viele Ausländer. Und wollen meinen Papayasalat. Manche kommen mit der Fahrradrikscha extra vom Busbahnhof und was weiß ich woher. Ich kenne sie alle schon. Manchmal habe ich hier mehr Ausländer als Laoten."

    Der Fremdenverkehr hat deutlich zugenommen. Laos gilt im Vergleich zu Thailand als beschaulicher als der große, manchmal hektische Nachbar. Und die Märkte sind noch exotischer, allein die gerösteten Hirschkäfer! Immer wieder aber stößt man auf ein kulinarisches Relikt aus der französischen Kolonialzeit: Baguettes, und die finden allemal noch reißenden Absatz.

    "Ich backe immer noch mit Kohle und per Hand. Andere machen das ja mittlerweile maschinell, die haben ja auch Strom. Und jetzt, wo der Preis für das Mehl wieder gestiegen ist, haben wir natürlich zu kämpfen."

    Drei junge Baguettebäckerinnen hocken in den Markthallen am Boden, große Säcke voller Stangenbrote neben sich. Khao tjii heißen die hier. Der Markt oberhalb des Stadtzentrums ist neu eingerichtet. Hier findet man alles, was die Neugier weckt und auch gewöhnungsbedürftig ist: Da hauchen Frösche in Bastkörben ihr Leben aus, Krabben und Karpfen zappeln so lange, bis sie einer wegfischt und in dünne Plastiktüten versenkt. Tabak wartet in großen, derben Säcken darauf, dass er von Männern mit gelben Fingern inhaliert wird. Und zwischen den Säcken sitzen breitbeinig die Frauen auf Schemeln und palavern über Saucen, neue Nudelgerichte und ihre alten Männer, mit denen sich nichts mehr ändern wird.

    "Dieser Markt hier ist ja neu. Da ist es am Anfang ein bisschen schwierig, rauszufinden, wo der beste Platz zum Verkaufen ist. Das muss sich erst noch einspielen. Immerhin hat der Leiter des Marktes uns von hier noch nicht weggejagt."

    Wer in diesem Labyrinth eine Standgenehmigung hat, bleibt unerfindlich. Der Textilhändler mit seiner Chinaware? Der Obstverkäufer, der im Schneidersitz zwischen seinen Früchten hockt? Oder der CD-Laden mit Raubkopien aus Burma? Die Baguettebäckerinnen kommen täglich her, sie müssen, die Familie braucht jede Unterstützung.

    "- "Ich wohne außerhalb von Paksé. Wir haben ein eigenes Haus dort, mein Kind und ich. Einen Mann habe ich nicht mehr, der hat zu viel getrunken, da habe ich ihn verlassen."
    - "Ich lebe mit meiner Mutter zusammen. Ich habe auch einen Mann. Der arbeitet aber woanders. Der ist in einer Brotfabrik beschäftigt, backt also auch Baguettes.""

    Immerhin hat er Arbeit, im Gegensatz zu vielen anderen, vor allem jungen Menschen.

    Zum Reisen in Laos braucht es Zeit und Geduld. Der Bus ist alt und gut gefüllt mit Passagieren, aber nicht nur mit ihnen: Riesige Pakete mit leeren Plastikflaschen werden hinzugeladen, oben auf das Dach gepackt und verschnürt, aber auch in die Gänge des Busses und ins Heck gestopft, sodass einige Fahrgäste den Kopf seitlich halten oder über die Pakete klettern müssen, falls sie auf die Idee kommen, auszusteigen. Die Strecke zwischen Paksé und Savannakhet, der nächsten kleinen Provinzstadt weiter im Norden, ist eine der wenigen gut ausgebauten Straßen des Landes. Daher braucht man auch nur zehn Stunden für die rund 250 Kilometer lange Strecke.

    Und so ziehen die Landschaften an den Fenstern des Busses vorbei. Grüne Reisfelder bis zum Horizont, kleine Weiher, schwarze Büffel, die sich im Schlamm wälzen, sodass nur Mäuler und Hörner aus dem Tümpelwasser ragen. Ab und an schmächtige Bauern unter Strohhüten, die, sobald sie sie brauchen, die Büffel am Strick aus dem Wasser ziehen.

    Dann endlich Halt am Busbahnhof von Savannaketh. Der liegt ein wenig außerhalb der Stadt, aber gleich nebenan steht ein unscheinbarer Flachbau, der so richtig interessant ist für Menschen, die mit Nachrichten handeln.

    "Ja, dieses Tonstudio steht schon lange hier. Das haben die Franzosen noch gebaut. Auch mein Mann arbeitet schon seit vielen Jahren hier als Journalist. Der ist jetzt irgendwo in einem Landwirtschaftsbetrieb. Aber ansonsten habe ich keine Ahnung. Mein Mann kann da besser Auskunft geben."

    Es ist, als hätte der laotische Rundfunk einen Tag der offenen Tür. In den Studios veraltete Technik, die aber vermutlich funktioniert, wenn sie jemand bedienen würde, doch niemand ist da. Nur die Frau des Journalisten findet sich schließlich im Garten. Sie baut auf einer kleinen Fläche Brokkoli an. Der Staatsfunk sendet irgendwie dennoch. Und ihr Mann schafft neue Meldungen heran.

    "Ach, das sind eigentlich immer Nachrichten von der Regierung. Wie die Reisernte war, ob man gute oder schlechte Erträge hatte, ob sich die Ernte gut verkauft hat und so weiter. Mein Mann fährt dann immer dort hin, schaut sich an, wie das Gemüse und der Salat steht, ob alles gut wächst. Und da muss er eben immer eine nette Geschichte daraus machen."

    Hauptsache nett und Hauptsache unverfänglich. Das passt zu dem Land und den Menschen mit ihrer Sanftmütigkeit und dem Bedürfnis nach Harmonie. Aber das kann auch umschlagen. Laos ist eine Diktatur. Und wer sich den offiziell noch immer sozialistischen Verlautbarungen widersetzt oder zu neugierig nachfragt, der hat schnell ein Problem. Gerade hier im sensiblen Bereich des Journalismus. Und wenn es um den neuen Fünfjahresplan geht.

    Ansonsten sehen und hören die Laoten Thai TV und Schlager aus dem Nachbarland, auch wenn die gute Frau das nicht so recht zugeben mag. Kaum jemand kann sich für den staatlichen Rundfunk erwärmen. Thailändisches Fernsehen ist frei empfangbar, prickelnder und schriller mit seinen bunten und oftmals kitschigen Shows.

    "Naja, da sind schon immer noch einige, die laotisches Radio hören. Sicher auch Thai-Musik. Und es kann durchaus sein, dass die meisten Thai-TV schauen. Wir sind doch Nachbarn, da ist es doch egal, ob wir Thai- oder Lao-TV einschalten. Ich jedenfalls finde das laotische Programm besser, ich bin doch schließlich Laotin."

    Als die verfängliche Frage im Raum steht, welche Nachrichten wohl verboten oder heikel sind, macht die Journalistenfrau prompt dicht. Sie wirkt mit einem Male eingeschüchtert. Später aber sitzt sie doch am Computer und stellt mit der Maus die neue Sendung ein, obwohl sie doch gerade noch versichert hatte, von den Abläufen im Studio keine Ahnung zu haben. Verstehe einer die südostasiatische Mentalität. Zeit jedenfalls sich zu verdrücken, so ganz ohne Akkreditierung.

    Savannaketh ist ruhiger, ursprünglicher als Paksé. In der Altstadt finden sich noch Häuserzeilen aus der Kolonialzeit, mit schicken Erkern und Balkonen. Dazwischen immer wieder die kleinen Essensstände, an denen die Menschen früh morgens über der klassischen Nudelsuppe Föe gebeugt sitzen.

    Im Hof des alten Tempels nebenan ruhen sich die Novizen im Schatten des verwitterten Kuppeldaches von ihren Lehrstunden aus, während hinter ihnen der Mekong mächtig gen Süden zieht.

    "Gerade erst wird hier eine neue Tempelschule gebaut, und wenn die fertig ist, wird diese Anlage noch erweitert. Jetzt ist alles viel besser als vorher. Nicht nur das mit der Schule, sondern überhaupt das Leben insgesamt, das entwickelt sich jetzt alles zum Positiven."

    Welch eine Perspektive, die sich da für die Jugendlichen in ihren safrangelben Kutten aufzutun scheint. Die Zukunft ist rosig, die Vergangenheit liegt hinter ihnen, so fern, dass die Erinnerungen daran verblasst sind.

    "Früher gab es weit mehr Armut in Laos. Da sah man auf den Märkten viel mehr Bettler als heutzutage, und überhaupt Menschen, die nichts hatten."

    Doch die Bilder sprechen für sich: Blinde, Verkrüppelte und Bettler sitzen in den Gängen der Märkte. Das sind Bilder der Gegenwart und nicht der Vergangenheit. Das bringt der Kapitalismus so mit sich, mitten im Staatssozialismus. Die Novizen ficht das nicht an. Sie wollen was werden.

    "-"Ich habe mir schon mal Gedanken gemacht, was ich nach der Schule anfangen könnte. Vielleicht, dass ich Beamter werde oder sowas, ich weiß noch nicht genau."

    - "Ich will auf jeden Fall Novize bleiben. Ich möchte weiter hinzulernen und ein richtig hoher Mönch werden. Tatsache ist, dass ich eine tiefe Zufriedenheit empfinde, dass ich überhaupt in diesem Tempel sein darf.""

    Szenenwechsel: vom Tempel der Besinnlichkeit zu den Tempeln der Entspannung, die leicht zu solchen der Lustbarkeit werden.

    "Schon vor neun Jahren habe ich den Laden eröffnet. Und wenn Saison ist, dann haben wir richtig gut zu tun und können nur nach Terminen arbeiten. Dann sind etwa 50 Prozent der Kunden Einheimische, die andere Hälfte sind Ausländer."

    Ein Massagesalon mitten in der Altstadt. Eine resolute Frau sitzt gleich am Eingang hinter einem kleinen Pult und beobachtet das Geschehen. Vor ihr liegt ein Koreaner zur Massage da und lässt sich von einer jungen Frau die Füße bearbeiten. Er hat sich da aber mehr vorgestellt. Also fragt er rundheraus vor allen Anderen die Chefin, ob er die hier mieten könne. Manager sei er, mache in Kaffee oben in den Bergen. Und da könne sie ihn gut begleiten zu seinen Kollegen, auf einen Kaffee und was nicht alles. Die Besitzerin lehnt brüsk ab. Manchmal sind die Grenzen zwischen Massagesalons und Rotlichtetablissements fließend und für Ausländer nicht so leicht erkennbar.

    "Die Touristen kommen aus aller Welt, da könnte ich glatt einen zweiten Laden aufmachen. Das will ich aber nicht. Da verliert man leicht den Überblick. Also lieber nur den einen Laden. Und den aber dann schön sauber halten, gute Massage anbieten, damit die Kunden zufrieden sind und sich hier entspannen können."

    Nicht nur der Tourismus spült Fremde ins Land. Laos öffnet sich auch wirtschaftlich immer mehr und vermarktet seine Ressourcen, was alles andere als ökologisch ist. Holz aus den Wäldern geht nach Vietnam, Thailand und China. Wasserkraftwerke mit Staudämmen am Mekong sollen Energie exportieren. Und für Kaffee und Tee in den Bergen interessieren sich auch Geschäftsleute aus dem Westen. So wird Laos international bis in die Familien hinein.

    "Mein Mann ist schon gestorben. Aber ich habe vier Töchter. Eine ist mit einem Deutschen in Luang Phabang weiter im Norden verheiratet, die betreiben dort gemeinsam ein Geschäft. Die zweite Tochter hat einen Mann in Italien, und die beiden anderen leben noch in Laos."

    "Nein, ich habe keinen Laden. Ich bin immer mit dem Fahrrad unterwegs und suche so meine Kunden, seit zehn Jahren schon. Gelernt habe ich das in Vietnam, als ich noch jung war."

    Dabei sieht sie noch recht jung aus, die Vietnamesin, die auf einem klapprigen Rad an der Uferpromenade daherkommt, mit ihrem mobilen Kosmetikstudio. Schnell hat sie einen kleinen Plastikkorb und eine Schüssel auf dem Bürgersteig abgestellt, darin Nagellack, Scheren, Feilen und Crèmes. Sogleich zeigt sie auf die Füße ihrer neuen Kundin, schwingt sich flink auf ihren Hocker und macht sich an die Arbeit.

    "Also ich mache jetzt erst mal deine Fußnägel. Hier kannst du sehen, was ich alles da drin habe. Da kann jeder auswählen, was ich auftragen soll. Glitzerlack habe ich auch, den habe ich gerade neu eingekauft. Und hier das, schau mal, das kannst du dir alles aussuchen."

    Die Kundin scheint recht farbenfroh zu sein. Sie entscheidet sich für Weiß und Grün, Gelb und Rot, als Glitzerlack.

    "Im Moment habe ich tatsächlich nicht alle Farben da, aber das kann man immer schnell per Handy bestellen. Und schon bekomme ich das gebracht."

    Was sie dann auch tut. Eine halbe Stunde später hat die Kundin ein Blümchenmuster auf sämtlichen Nagelbetten an Händen und Füßen, vom Feinsten und trendy wie nur was.

    Viele Vietnamesen leben in Laos. Und der politische Einfluss des Nachbarlandes ist immer noch groß. Doch China hat Vietnam längst den Rang abgelaufen, was die Einheimischen gemeinhin skeptisch sehen.

    Viel leichter geht der Blick über den Mekong ans andere Ufer, auf die blinkenden Fassaden der thailändischen Stadt gegenüber. Da will man hinkommen, genau so will man sich entwickeln. Glitzern und glänzen soll es im Land, nicht nur auf den Nagelbetten.
    NUR FÜR SONNTAGSSPAZIERGANG: Weberei am Mekong
    Weberei am Mekong (Dieter Jandt)