"Mit 14 habe ich angefangen, Songs zu schreiben, und ein bisschen mit dem Musikprogramm 'Garage Band' herumexperimentiert. Danach habe ich mich dann getraut, mal etwas in einem großen Studio aufzunehmen und es ins Netz zu stellen. Und plötzlich wurden die Leute auf mich aufmerksam. Und hier bin ich nun!"
Holly Fletcher alias Låpsley weiß ganz genau, was sie will. Sie ist zwar erst 19, aber hochintelligent und für ihr Alter sehr reif. Eigentlich wollte sie letztes Jahr an die Uni gehen und Physik und Erdkunde studieren.
"Ich werde meine Leidenschaft für Naturwissenschaften und Erdkunde immer behalten! Ich liebe das schon seit ich ein kleines Kind war. Und wenn ich älter bin, werde ich auch zur Uni gehen und einen Abschluss machen. Ganz sicher!"
Mix aus Pop, Soul und Elektro
Am Letzten Tag bevor die Uni losging, entschied sie sich dann doch anders und wählte die Musik. Kein schlechter Schritt bisher. Ihr Mix aus Pop, Soul und Elektro hat ihr eine Menge Lob in der britischen Presse eingebracht sowie eine Nominierung in den "BBC Sound of 2015"-Listen. Låpsleys Stimme ist sanft und doch ein bisschen rotzig, zerbrechlich und doch mysteriös. Sie weiß, wie sie sie zur Geltung bringen kann, untermalt von Elektrobeats und verzerrten Soundcollagen aus Wasserrauschen, Wind und was sich sonst so in der Natur findet. Und nebenbei erzählt die Musikerin auch noch eine Geschichte.
"Das Album erzählt die Geschichte meiner Beziehung zu einem Mann, der Zwangsstörungen und Angstneurosen hatte. Und vor allem geht es um die Schwierigkeit, dass man sich nicht nur mit der Beziehung zu dem geliebten Mann auseinandersetzen muss, sondern auch noch mit einer weiteren Sache. Im Song 'Cliff' habe ich es in einer Metapher beschrieben, weil ich ein sehr visueller Mensch bin: Ich stehe oben auf einer Klippe, er steht unten, und ich kann ihn nicht erreichen. Aber er steckt in einer Art Treibsand. Ich will ihn da rausholen, aber der Treibsand zieht ihn immer weiter hinein. Und genau so habe ich mich gefühlt und wollte diese Machtlosigkeit auf dem Album ausdrücken."
"Ich habe alles mögliche ausprobiert"
Låpsley ist scharfsinnig und setzt sich mit einer bestechenden Ehrlichkeit mit ihrem Leben auseinander. Als Kind einer Anwältin und eines renommierten Umwelt-Wissenschaftlers hat sie von Kind an gelernt, Dinge zu hinterfragen. Sei es nun sich selbst, ihre Musik, eine Beziehung oder das Leben an sich. Damit hat sie diversen jungen Mitstreitern in der Musikindustrie einiges voraus.
"Ich habe alles mögliche ausprobiert: Ich habe am hohen Gerichtshof in London ein Praktikum gemacht und in der neurologischen Abteilung eines Krankenhauses. Das war alles super, aber ich habe mich ganz bewusst für die Musik entschieden. Es ist ein Abenteuer, was Spaß macht und bei dem ich einiges lerne. Allein, was so in der Musikindustrie passiert."
Dabei wählt sie nicht unbedingt den einfachen Weg. Anstatt die gängige Teenie-Musik a la Beyoncé oder Rihanna zu machen, versucht sie es mit anspruchsvolleren Stücken, bei denen man schon etwas mehr zuhören muss, und sogar mit alten 70er-Dance-Rhytmen, wie im Song "Operator".
"Für mich war dieser Song eine Art Hommage an die 70er. Irgendwie liebe ich diese Musik. Überhaupt finde ich ältere Musik oft reizvoller als das, was meine Kollegen heute so auf den Markt bringen. Musik muss doch ehrlich sein, und wie kann ein Song ehrlich sein, der von zig Songwritern geschrieben wurde? Wessen Herzschmerz wird denn da besungen? Das kann man doch nicht ernst nehmen!"
"Long Way Home" ist ein ambitioniertes Album, das Eingängigkeit mit intelligentem, zuweilen etwas schrägen Elektropop vermischt. Manchmal tanzbar, manchmal eher verträumt, jedoch niemals langweilig. Eine junge Powerfrau auf dem Weg etwas Neues zu schaffen.