Peter Kapern: Wer aus Europa in die Vereinigten Staaten fliegt, der darf künftig im Handgepäck keinen Laptop mehr dabei haben. So will es jedenfalls die US-Regierung – aus Sicherheitsgründen. Welche Geheimdienst-Erkenntnisse über mögliche Anschlagspläne des IS dahinter stecken, das weiß Russlands Außenminister Sergej Lawrow ja seit seinem letzten Washington-Besuch. Europäische Luftsicherheitsexperten allerdings sind nicht ins Bild gesetzt worden. Vielleicht sträubt sich die Europäische Union deshalb ja noch gegen die Einführung dieser Vorschrift, die bereits für viele Passagiere aus dem Nahen Osten gilt. Heute beraten europäische und amerikanische Experten darüber in Brüssel.
Am Telefon ist Sebastian Steinke, Redakteur bei der Fachzeitschrift "Flugrevue". Guten Tag, Herr Steinke.
Sebastian Steinke: Guten Tag, Herr Kapern.
Kapern: Wenn Sie in diesen Tagen fliegen, Herr Steinke, und neben Ihnen packt jemand seinen Laptop aus, werden Sie dann nervös?
Steinke: Nein, eigentlich nicht. Das machen ja viele. Ich selber habe auch oft ein Tablet mit und lese daran Bücher oder so was. Bisher, würde ich sagen, kein Problem. Man wird ja ganz pingelig kontrolliert vor jedem Abflug und da bin ich eigentlich zuversichtlich, dass die das gründlich machen.
Die Möglichkeit einer Bombe im Laptop-Akku
Kapern: Aber nun scheint es ja wohl irgendwelche Hinweise darauf zu geben, dass all diese Kontrollen nicht wirken, jedenfalls nicht gut genug sind, um Sicherheit zu gewährleisten.
Steinke: Da habe ich keine Einblicke in die wirklichen polizeilichen oder geheimdienstlichen Informationen. Aber kolportiert wird, dass es angeblich eine Möglichkeit gibt, in Laptop-Akkus noch eine Bombe zu platzieren, und zwar so, dass man den Laptop zur Kontrolle einschalten kann und der auch geht. Das wäre natürlich wirklich kein schöner Gedanke, dass die dann ungesehen Bomben mit an Bord bringen. Es gab tatsächlich 2016 schon mal einen Fall im Jemen. Da hat jemand an Bord eines Airbus eine Bombe gezündet. Der saß am Fenster und hat ein Loch in die Außenwand gesprengt, durch das er auch rausgesaugt wurde. Das Flugzeug konnte aber zum Glück heil landen.
Kapern: In diesem Fall war der Sprengsatz wohl in einer Getränkedose versteckt, wenn ich mich recht entsinne.
Steinke: Es gibt wohl auch ein Beispiel mit einem Laptop-Akku. Da gibt es richtig Filme von einem Überwachungsvideo, ich habe es mir gerade noch mal angeguckt, wie der an Bord geht und einen Laptop zugereicht kriegt.
Kapern: Wenn ich jetzt ins Flugzeug steige und keiner der Passagiere hat mehr einen Laptop im Handgepäck, sondern alle Laptops sind unter mir im Frachtraum, dann kann ich aufatmen und beruhigt abfliegen?
Steinke: Eher nicht. Nach meiner Lesart wird es dann eher gefährlicher. Sie wissen ja: Die Akkus in Laptop (jetzt ohne Terrorismus) können durch Kurzschlüsse, durch falsches Laden oder Fabrikationsfehler sich entzünden. Bisher wird ausdrücklich empfohlen, solche Laptops in der Kabine mitzunehmen, damit man nämlich sofort merkt, wenn es da anfängt zu kokeln. Die fangen dann quasi an zu kochen, dieses Lithium darin, und es gibt ein heftiges Feuer, was man auch nicht mit Wasser löschen kann, sondern die muss man dann ganz schnell ins Waschbecken schmeißen oder in Stahlkästen, die man heutzutage auch extra mitführt für solche Zwecke. Da gibt es richtig Lehrvideos im Internet von der FAA, von der amerikanischen Sicherheitsbehörde. Wenn diese ganzen Teile jetzt aber unten im Unterdeck liegen, sind sie nicht erreichbar und man merkt gar nicht so schnell, dass es brennt, und dann wird es meiner Meinung nach gefährlicher. Ich habe hier vorliegen von der britischen Pilotengewerkschaft Balpa eine Pressemitteilung, die genau davor warnen und sagen, wir dürfen nicht ein Problem abschaffen und damit ein viel größeres neues erschaffen.
"Und was ist eigentlich mit Handys?"
Kapern: Das heißt, die Lösung des Problems kann nur darin bestehen, dass überhaupt niemand mehr einen Laptop mitnimmt, weder im Handgepäck, noch im Gepäckraum.
Steinke: Das könnte man sagen, wenn man es so radikal angeht, und dann müsste man sich allerdings fragen, müsste man dann nicht Laptops auf wirklich allen Flügen verbieten, und was ist eigentlich mit Handys? Wer weiß: Es dauert dann vielleicht nicht lange und dann kommen irgendwelche Terroristen auf die Idee und an die Möglichkeit, auch in Handy-Akkus solche Sprengsätze, Bomben oder was weiß ich, oder Gift oder was einzubauen.
Kapern: Die sind natürlich viel kleiner, solche Akkus.
Steinke: Genau. Wir würden dann wirklich unser Leben komplett umstellen müssen und dann hätte natürlich in gewisser Weise der Terrorismus gesiegt.
Kapern: Das heißt, wenn heute Nachmittag die Experten von Europäischer Union und des US-Heimatschutzministeriums beieinander sitzen, dann nehmen die eine Risikoabwägung vor, was ist größer, das Risiko, in die Luft zu fliegen, oder das Risiko, unseren Lebensstil zu ändern?
Steinke: Es sind, glaube ich, unterschiedliche Probleme. Das eine ist das polizeiliche Sicherheitsproblem und geheimdienstliche, und denen will ich auch nicht in den Rücken fallen. Es ist ja eine total schwierige Aufgabe, die Flüge sicher zu machen und vor diesen ganzen Wahnsinnigen zu schützen. Aber das andere ist auch so ein bisschen politischer Aktionismus, vielleicht sogar so was wie Eitelkeit, wer erfährt was und wann. Da gibt es ja auch diese Hierarchie und auch ein bisschen diese Beleidigtheit, wer da nun irgendwas nicht erfuhr. Und wir müssen, glaube ich, aufpassen, dass wir nicht großen politischen good will demonstrieren und vielleicht die praktischen logischen Schritte im Kleinen vergessen. Meiner Meinung nach müsste man stärker auch dazu gehen, die Tätergruppen durch Profiling und Risikoanalysen stärker vorzusortieren, als diese ganzen Gerätschaften vielleicht nur zu röntgen, wie man es heute tut.
Für viele eine "ganz erhebliche Einschränkung"
Kapern: Was denken Sie, was Fluggesellschaften über so ein Laptop-Verbot denken? Da werden ja möglicherweise dann hunderte, tausende Passagiere völlig unzufrieden an den Gates bei der Abfertigung stehen, wenn die erfahren, dass sie ihre Laptops in den Koffer packen müssen und nicht darauf herumspielen oder damit arbeiten können, während sie nach New York oder Los Angeles fliegen.
Steinke: Ja, für die Airlines ist das eine ganz heikle Geschichte. Ich habe hier vorliegen von der Linien-Airline-Weltorganisation ein diplomatisches, aber deutliches Schreiben. Die sagen, wir sind überhaupt nicht gefragt worden im Vorfeld. Für die ist es natürlich die lukrativste Passagiergruppe, die Geschäftsreisenden, die teure Tickets kaufen, die viel fliegen, die das beruflich machen müssen. Und schon alleine wenn man die Leute daran hindert, mit ihren eigenen Laptops an Bord zu arbeiten, ist das für viele eine ganz erhebliche Einschränkung. Die können dann ihre Vorträge kurz vor der Landung nicht mehr auf den neuesten Stand bringen. Für die ist das eine wesentliche Beeinträchtigung, und das könnte natürlich bedeuten, dass die Leute weniger fliegen, dass sie vielleicht mehr auf Telefonkonferenzen gehen oder etwas in der Richtung, dass sie andere Routen wählen. Für die Airlines steht da viel Umsatz zur Debatte.
Kapern: Mal schauen, wie die Dinge sich weiterentwickeln und wie die Sache dann ausgeht. – Das war Sebastian Steinke, Redakteur bei der Fachzeitschrift "Flugrevue". Herr Steinke, vielen Dank für Ihre Expertise.
Steinke: Danke schön! Auf Wiederhören.
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