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Laschet: Diskussion über Röttgen beenden

Norbert Röttgen will bei einer Wahlniederlage offenbar nicht als Oppositionsführer nach NRW, bei manchen seiner CDU-Parteifreunde sorgt das für Ärger. Landesvize Armin Laschet fordert dagegen ein Ende der Personaldebatte.

Moderation: Jasper Barenberg | 20.03.2012
    Jasper Barenberg: "Mein Herz hängt an Nordrhein-Westfalen", sagt Hannelore Kraft, bisher Ministerpräsidentin, seit ein paar Tagen SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl. Auch Christian Lindner will dort für die FDP länger als bis zum Wahlabend am 13. Mai kämpfen. Und Norbert Röttgen? In der "Bild"-Zeitung lässt er sich heute so zitieren: "Ich sage nicht, dass das Amt des Oppositionsführers für mich nicht in Frage kommt." Jemand, der sich einer Sache mit Haut und Haaren verschreibt, klingt anders.

    Ein gefundenes Fressen für die politische Opposition, natürlich aber auch eine Belastung für die CDU in Nordrhein-Westfalen. Auch darüber wollen wir in den nächsten Minuten mit dem stellvertretenden Landesvorsitzenden sprechen. Schönen guten Morgen, Armin Laschet.

    Armin Laschet: Guten Morgen!

    Barenberg: Herr Röttgen hat ja immer wieder gesagt, er bewerbe sich um das Amt des Ministerpräsidenten, alle weiteren Fragen werde man dann nach der Wahl klären. Ist das für Sie eine überzeugende Haltung?

    Laschet: Also ich glaube, dass das Allerwichtigste ist, dass wir wieder den Ministerpräsidenten stellen. Das ist angesichts der politischen Gemengelage, angesichts der Umfragesituation auch durchaus denkbar, und deshalb ist die Diskussion im Moment nicht sehr hilfreich.

    Barenberg: Nicht sehr hilfreich, sagen Sie. Haben Sie ihm denn als Parteivize geraten, diese Haltung einzunehmen und erst einmal alles offen zu lassen?

    Laschet: Nein. Ich habe ihm da auch nichts zu raten. Wir haben ja vor zwei Jahren in einem Wettbewerb miteinander gestanden, welche Lösung suchen wir nun für das Land. Die Mehrheit der Partei hat in einer breiten Mitgliederbefragung entschieden, dass Norbert Röttgen jetzt der Kandidat ist, wissend, dass er Bundesumweltminister ist, und deshalb verwundert mich besonders, dass die Debatten im Moment von denen befeuert werden, die damals für Norbert Röttgen votiert haben.

    Ich würde uns allen empfehlen, diese Debatte jetzt einzustellen. Seine heutige Aussage in der "Bild"-Zeitung, dass er nicht ausschließen will, auch als Oppositionsführer nach Düsseldorf zu gehen, ich glaube, das reicht im Moment. Wir müssen uns jetzt in der kurzen Zeit, die noch bleibt, wirklich mit den politischen Fragen beschäftigen und nicht mit Wenns und Abers und Ob rund um den Spitzenkandidaten.

    Barenberg: Sie haben es selbst angesprochen: als es um das Rennen um den Landesvorsitz ging, da hat sich Norbert Röttgen ja auch mit dem Versprechen durchgesetzt, er werde dort hingehen, wo ihn die Partei stelle. Und Sie haben – das können wir uns vielleicht bei der Gelegenheit gerade mal anhören – folgendes gesagt:

    "Wir müssen uns die Zeit nehmen, vor Ort wieder zuzuhören auf das, was unsere aktiven Mitglieder uns sagen, und deshalb wird dieser Landesvorsitzende zu 100 Prozent im Land gebraucht, um diese Sichtbarkeit von CDU auch in den nächsten Wochen und Monaten zu erreichen. So haben wir eine Chance, wieder an die Regierung zu kommen."

    Barenberg: Herr Laschet, was hat sich seitdem geändert?

    Laschet: Das war halt ein spannender Wettbewerb mit unterschiedlichen Modellen. Es kann auch dem Land Nordrhein-Westfalen, auch der CDU natürlich nutzen, wenn gerade jetzt in der Energiewende einer unserer Leute an der Spitze in der Bundesregierung ist. Es waren damals zwei Modelle und heute gilt das nach wie vor genauso wie vor zwei Jahren. Norbert Röttgen leistet eine wichtige Arbeit auch in der Bundesregierung, und da Energiewende auch eines der Themen in diesem Wahlkampf jetzt ist, glaube ich, dass es gut ist, dass unser Spitzenkandidat da nun auch gegenüber Frau Kraft eine ausgewiesene Kompetenz hat.

    Barenberg: Sie würden also sagen, seine Funktion in Berlin ist wichtiger, als dass er, wie Sie es eben selber skizziert haben, nah bei den Menschen ist und in Nordrhein-Westfalen unterwegs ist?

    Laschet: Also ich würde uns vorschlagen, jetzt 55 Tage Wahlkampf, über Themen sprechen, über die Energiewende, über Verschuldenspolitik und Ähnliches und die Debatte wirklich zu beenden und uns den Sachfragen zu widmen.

    Barenberg: Die Landesgruppe im Bundestag der nordrhein-westfälischen CDU sieht das offenbar anders. Einige Abgeordnete, darunter Wolfgang Bosbach, Jürgen Herrmann und Willy Zilajew, haben sich ja dafür ausgesprochen, nach einem Treffen gestern, dass Norbert Röttgen sich für den kompletten Wechsel in die Landespolitik entscheiden sollte. Ist es nicht vor allem die CDU selber, die diese Diskussion immer weiter befeuert?

    Laschet: Ja! Deshalb geht mein Appell auch an die eigenen Parteifreunde. Herrmann und Zilajew haben leidenschaftlich damals für Norbert Röttgen gekämpft und sie tun ihm jetzt einen Gefallen, wenn sie einfach die Debatte beenden und uns hier in Nordrhein-Westfalen im Landtag die Sachdebatten führen lassen. Es hilft nicht weiter und es vertut wertvolle Zeit und die ist auch zu schade in der Debatte um das Land.

    Barenberg: Könnte es nicht sein, dass genau die Stimmen ihm dann fehlen würden, die man erreichen könnte, wenn sich jetzt einer mit vollem Herzen eben für die Landespolitik entscheidet als Spitzenkandidat zumal?

    Laschet: Es könnte alles sein, aber trotzdem sind wir jetzt klug beraten, einfach zu den Sachthemen zu kommen, auch in der politischen Auseinandersetzung, denn diese Debatte fortgeführt schadet uns und das können auch Stimmen sein, die am Ende fehlen. Das wird eine knappe Wahl, es ist denkbar, dass fünf bis sechs Parteien in das nächste Parlament kommen, und da ist wirklich volle Konzentration auf Sachthemen jetzt angesagt.

    Barenberg: Der FDP-Generalsekretär Patrick Döring warnt ja schon, dass Norbert Röttgen Acht geben muss, dass er sich durch die Debatte nicht irreparabel beschädigt. Was halten Sie von Aussagen aus den Reihen der FDP, für Sie ja ein potenzieller Koalitionspartner, wenn es klappen sollte?

    Laschet: Na ja, das ist jetzt ein bisschen Wahlkampf, das ist ein bisschen Retourkutsche. Gerade dieser Spruch "irreparabel beschädigt" ist ja Absicht von Döring, den zu verwenden. Wir müssen die Fragen innerhalb der CDU klären und ansonsten kann ich der FDP nur raten, dass sie alles tut, selbst in den Landtag zu kommen und sich jetzt nicht mit Norbert Röttgen zu beschäftigen.

    Barenberg: Dann sprechen wir über ein Thema, was im Wahlkampf in den nächsten Tagen mutmaßlich auch eine Rolle spielen wird. Zahlreiche Oberbürgermeister von Großstädten in Nordrhein-Westfalen fordern ein Ende des Solidarpaktes. Sie weisen darauf hin, dass es armen Städten im Ruhrgebiet sehr viel schlechter geht als Städten im Osten des Landes und dass sie viele Schulden aufnehmen müssen, um ihren Anteil am Solidarpakt aufzubringen. Setzen Sie sich beispielsweise als CDU dafür ein, dass an diesem Pakt noch mal Änderungen vorgenommen werden?

    Laschet: Also das wichtige ist, dass man Vereinbarungen einhält. Der Solidarpakt ist bis zum Jahr 2018 so verabredet und daran sollte man auch nicht rütteln, denn es gibt Planungssicherheit für die, die auf diese Gelder rechnen, und das ist auch Teil der Vereinbarungen zwischen Ost und West. Aber dass man über die Finanzen der Kommunen sprechen muss, dass man insbesondere die besondere Lage der Kommunen in Nordrhein-Westfalen in den Blick nehmen muss, die die gesamten Lasten des demografischen Wandels tragen, eine älter werdende Gesellschaft, höhere Sozialkosten pro Einwohner, das ist in den Städten Nordrhein-Westfalens ein ganz besonderes Problem. Und dass man auf Dauer nicht nach Geografie Geld verteilt, sondern nach Bedürftigkeit, das ist, glaube ich, ein berechtigtes Anliegen. Das heißt aber nicht, jetzt den Solidarpakt aufkündigen, sondern den nächsten, der ansteht, anders verhandeln, als das bisher der Fall war.

    Barenberg: Die Oberbürgermeister sagen ja, wir können nicht bis 2019 warten. So lange – Sie haben es erwähnt – läuft das derzeitige Paket, das verhandelt worden ist. Aber da würden Sie nicht mitgehen?

    Laschet: Da würde ich nicht mitgehen. Ich würde im Gegenteil sagen, wir müssen die Kommunen auch als Landesregierung stärken. Da hat die jetzige Landesregierung, die Minderheitsregierung, ein Schwächungspaket für die Kommunen beschlossen, das viele Kommunen, die sich angestrengt haben, schlechter stellen wird, und das müssten wir nach der Wahl korrigieren.

    Barenberg: Das heißt, da würden Sie mehr Geld ausgeben wollen für die Kommunen?

    Laschet: Man muss es gerechter verteilen und man muss die Lasten der Kommunen mindern, indem man auch mehr Geld bereitstellt.

    Barenberg: Der stellvertretende Landesvorsitzende der CDU heute Morgen im Deutschlandfunk. Vielen Dank für dieses Gespräch, Armin Laschet.

    Laschet: Bitte schön.

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