Weiterhin ist unklar, wer die Union als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf führen wird – und auch der Modus der Entscheidungsfindung wird inzwischen hitzig debattiert. Dabei drängt die Zeit. Die Partei hatte gehofft, mit einer schnellen Einigung noch der Entscheidung der Grünen über deren K-Frage zuvorzukommen. Doch seit 11 Uhr des 19. Aprils ist klar, dass Annalena Baerbock als Kandidatin der Grünen antritt. Für die SPD ist Bundesfinanzminister Olaf Scholz seit dem Jahr 2020 Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl im Jahr 2021.
CSU-Chef Söder ist noch am Tag der Nominierung Baerbocks für die Grünen ebenfalls vor die Presse getreten und bekräftigte sein Angebot, die Union als Kandidat in den Wahlkampf zu führen. Zugleich betonte Söder, dass er jedwede Entscheidung der CDU akzeptiere. Der CDU-Vorsitzende Armin Laschet hat derweil für den Abend des 19. April eine Sondersitzung des Parteivorstandes einberufen. Laschet möchte einen Vorschlag unterbreiten, wie die Unionsparteien "sehr schnell in dieser Woche zu den erforderlichen Entscheidungen kommen", sagte der Politiker in Berlin. Auch der CSU-Vorsitzende Söder sei zu den Beratungen eingeladen. Zudem kündigte Laschet an, ebenfalls den Gremien der Christsozialen Rede und Antwort zu stehen.
Wann und wie die Entscheidung in der Union fallen wird, bleibt hingegen unklar. Einen formal vorgeschriebenen Weg gibt es für die Parteien dabei nicht. Lange hatten CDU und CSU betont, dass die beiden Parteichefs das klären würden. Am 11. April gaben Laschet und Söder dann nach längerem Gespräch bekannt, dass sie beide zur Kandidatur bereit seien. Söder sprach von einem offenen und freundschaftlichen Austausch. "Wir haben festgestellt, dass beide geeignet und beide bereit sind", so der CSU-Chef.
Das Lager um den NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet fordert nun einen klärenden formalen Beschluss des CDU-Bundesvorstandes, dazu müsse es eine Sondersitzung geben. Der CDU-Vorstand hatte sich bereits am 12. April bei einem informellen Stimmungsbild für Laschet als Kanzlerkandidaten ausgesprochen. Kurz danach hatte das CSU-Präsidium allerdings sein Votum für Markus Söder abgegeben.
Der Chef der nordrhein-westfälischen CDU Landesgruppe im Bundestag, Günther Krings, betonte im WDR, "dass CSU-Kandidaten als Bundeskanzler nur dann kandidieren können, wenn die CDU da zustimmt." Die Parteigremien der CDU müssten also eine Entscheidung fällen, nur sie könnten den Weg für einen CSU-Kandidaten frei machen. Gerade als Konservative müsse man bei solchen Regeln Klarheit zeigen.
Söder-Lager: Entscheidungsfindung in der CDU/CSU-Fraktion
Aus dem Lager um den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder drängt man hingegen auf eine Entscheidungsfindung in der gemeinsamen Fraktion von CDU und CSU. Kai Wegner, Vorsitzender des Berliner Pro-Söder-Landesverbandes dagegen traut dem obersten Führungsgremium seiner Partei keine Entscheidung mehr zu. Es sei "Quatsch" eine Präsidiums- und Bundesvorstandssitzung zu abzuhalten. Wenn Laschet und Söder sich nicht einigen könnten, dann sei die gemeinsame Fraktion das passende Entscheidungsgremium.
Söder selbst hat in seiner Pressekonferenz am 19. April betont, dass die Entscheidungsfindung bei der CDU liege. Sollte der Vorstand der Partei also eine Entscheidung treffen, werde man das als kleinere Schwesterpartei unterstützend mittragen. Er sagte allerdings auch erneut, dass für ihn zu breiter Unterstützung neben dem Vorstand auch die Fraktion und die Basis notwendig ist.
Alternative: Konferenz der Unions-Kreisvorsitzenden
Eine dritte Option hat der CDU-Chef von Sachsen-Anhalt, Sven Schulze, im Interview mit dem Deutschlandfunk ins Spiel gebracht: Alle CDU- und CSU-Kreisvorsitzenden sollten zusammengerufen werden und gemeinsam zu einer Entscheidung kommen. So könne man die Stimmung der Basis entscheiden lassen. Wichtig sei dabei auch, sich schnell auf ein Verfahren festzulegen und eine Entscheidung herbeizuführen.
Ursprünglich war für die Entscheidung, wer als Kandidat der Union ins Rennen geht, das Zeitfenster zwischen Ostern und Pfingsten angegeben worden, so lautete die vielfach wiederholte Absprache der beiden Parteichefs von CDU und CSU. Am 11. April sprachen sich Söder und Laschet dann aus, am 12. April folgte die Unterstützung für Laschet vom CDU-Bundesvorstand. Der CDU-Vorsitzende hatte dadurch nach Interpretation vieler Beobachter die breite Rückendeckung erhalten, die Söder zuvor als notwendig für einen Verzicht seinerseits erklärt hatte.
Dennoch sprach sich das CSU-Präsidium kurz danach für Söder als Kandidat für die kommende Bundestagswahl aus. Damit war der offene Schlagabtausch eingeleitet. Markus Söder erklärte eine Woche später, am 19. April, auf einer Presskonferenz, dass breite Rückendeckung für ihn Unterstützung aus dem Vorstand, der Fraktion und aus der Basis bedeute.
Wie zwei Gladiatoren in der Arena seien Markus Söder und Armin Laschet bei der Sitzung der Unions-Bundestagsfraktion am 13. April vor die Abgeordneten geführt worden – so beschreibt der CSU-Abgeordnete Peter Ramsauer den Schlagabtausch der beiden möglichen Kanzlerkandidaten von CDU und CSU. Die Sitzung, teils in Präsenz, teils digital abgehalten, war der vorläufige Höhepunkt im Rennen um die Kandidatur. Nach der "offenen Feldschlacht" – so Ramsauer – soll es nun ruhiger zugehen.
Bei der Sitzung der Bundestagsfraktion mit Laschet und Söder soll es dann hitzig zugegangen sein. Stundenlang wurde dort über die K-Frage debattiert. Von den 245 Abgeordneten sollen sich laut Teilnehmerangaben fast 70 zu Wort gemeldet haben. Rund zwei Drittel davon sprachen sich für Söder aus – teils mit deutlichen Signalen in Richtung Laschet. So soll der CDU-Abgeordnete Matern von Marschall gesagt haben, wenn der Kanzlerkandidat nicht Söder heiße, werde er in seinem Wahlkreis den Wahlkampf weitgehend alleine führen müssen.
Nun drängten auch Bundestagsabgeordnete auf mehr Mitspracherecht. Der Mitunterzeichner einer entsprechenden Erklärung, Christian von Stetten, bezeichnete dies als eine Selbstverständlichkeit. Die Abgeordneten zögen schließlich demnächst in ihren Wahlkreisen in den Bundestagswahlkampf,
sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk.
- <h2>Überblicksartikel zur K-Frage</h2>
- Die K-Frage - fast geklärt?
- Kommentar: Markus Söder gewinnt so oder so (Michael Watzke)
- Kommentar: CSU-Präsidium für Söder (Tobias Krone)
- Kommentar: CDU-Chef Laschet in schwieriger Lage (Stephan Detjen)
- Politologe Korte: Laschet erhebt "Anspruch, unbedingt Kanzlerkandidat zu werden"
- Zeitgeschichtler Rödder: "Laschet hat Nehmerqualitäten"
- Historiker Nolte zur K-Frage: Stilfrage ist der Kernkonflikt
Armin Laschet - Zugriffsrecht als CDU-Chef?
Als CDU-Vorsitzender wurde Laschet allgemein das erste Zugriffsrecht als Kanzlerkandidat zugesprochen. Doch formal gibt es dieses Recht in der Union nicht und so ist Laschets Anspruch vor allem aus zwei Gründen ins Wanken geraten. Erstens steckt die Union in einem Umfragetief. Nur die CDU die herben Niederlagen bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg einstecken. Diese Niederlagen fallen auch auf Laschet zurück. Die schlechten Werte der Partei sind allerdings auch eine Konsequenz aus den jüngsten Korruptionsvorwürfen gegen CDU- und CSU-Abgeordnete in der Masken-Affäre.
Ein zweiter und entscheidender Angriffspunkt gegen Laschet sind seine Umfragewerte. Wieder und wieder wird er dabei von Markus Söder deutlich geschlagen und erreicht selbst nur magere Werte.
Als NRW-Ministerpräsident wurde Laschet zudem für seine wechselhafte Corona-Politik kritisiert. Bei der Ministerpräsidenten-Konferenz vom 23. März wurde eine Notbremse bei einer Inzidenz von 100 beschlossen. Die setzte Laschet nicht konsequent um. In NRW ermöglichte er Lockerungen unter Zuhilfenahme von Schnelltests. Damit stellte er sich auch gegen den strengeren Ansatz von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die das Agieren ihres Parteikollegen in einem Interview bei Anne Will scharf kritisierte.
Eine Kehrtwende in der Corona-Politik vollzog Armin Laschet am Ostermontag, dem 5. April, mit der Forderung nach einem sogenannten Brücken-Lockdown: Plädierte er zuvor eher für Lockerungen, fordert er nun harte Kontaktreduzierungen, bis die Impfungen sich auf das Infektionsgeschehen auswirken. Damit erlebe man "den schillernden Armin Laschet, der nicht so richtig einzuschätzen ist", beschreibt es Dlf-Hauptstadtkorrespondent Stephan Detjen.
"Unser Ziel ist es, in dieser Lage, in der das Land ist, mit einer Kanzlerin, die aus dem Amt geht, so viel Einigkeit wie möglich zwischen CDU und CSU zu leisten, denn es geht um viel", betonte Laschet nach der Klausurtagung der Fraktion am 11. April.
Zuvor hatte er bereits in einem ZDF-Interview betont, entschieden werde nach dem Kriterium, "wer die größten Aussichten hat, in ganz Deutschland die Wahl zu gewinnen." Außerdem sei ausschlaggebend, wer zum Unions-Wahlprogramm passe - "der wird dann auch der Kandidat werden", so Laschet.
Dass sich das CDU-Präsidium hinter Armin Laschet stellt, obwohl Markus Söder die besseren Umfragewerte hat, ist für den Mainzer Historiker für Zeitgeschehen, Andreas Rödder, nur logisch. "Es wäre eine Kapitulation der CDU vor der CSU, wenn der frisch gewählte Parteivorsitzende gegenüber einem CSU-Kandidaten zurückstecken müsste", sagte Rödder im Dlf.
Markus Söder - aus Bayern ins Kanzleramt?
Am 11. April sprach der Ministerpräsident und CSU-Chef es erstmals aus: Er möchte Kanzler werden. Vorher war lange spekuliert worden, auch weil Markus Söder immer wieder betont hat, dass sein Platz in Bayern als Ministerpräsident und CSU-Chef sei. Zur K-Frage äußerte er sich trotzdem immer wieder und bekräftigte seine Forderung nach einer möglichst einvernehmlichen Kandidatenkür in den Unionsparteien.
Wenn die CDU als große Schwester dies breit unterstütze, sei er bereit, diesen Schritt zu gehen, sagte Söder. Wenn die CDU aber eine andere Entscheidung treffe, werde man dies akzeptieren. Und man werde weiterhin sehr gut zusammenarbeiten. Das bekräftigte Söder auch am 19. April noch einmal.
Seit Beginn der Pandemie hat Markus Söder als Ministerpräsident von Bayern meist einen strengen politischen Kurs zur Eindämmung der Infektionen verfolgt und ist mitunter mit Maßnahmen abseits von Bund-Länder-Entscheidungen vorangeprescht. Ihm werden deshalb Ambitionen als Kanzlerkandidat nachgesagt. Es könnte aber auch im Rollenverständnis eines bayerischen Ministerpräsidenten begründet liegen – in der Tradition des CSU-Politikers Franz Josef Strauß. Dieses Verständnis beinhaltet, die bayerischen Interessen auch auf der Bundesebene stark und selbstbewusst zu vertreten.
Fraglich ist, ob der CSU-Chef in der Rolle des Unions-Kanzlerkandidaten mit dieser bayerischen Sonderposition erfolgreich wäre. Die Gunst der Wählermehrheit konnte Söder in Umfragen bislang allerdings deutlich für sich gewinnen.
Sollte Markus Söder nicht zum Kanzlerkandidat der Union gekürt werden, würde er trotzdem gestärkt nach Bayern zurückkehren,
sagte der Politologe Karl-Rudolf Korte im Dlf.
Er sei sichtbar in "den Ring gesprungen" und habe gezeigt, dass er bundespolitsch Verantwortung übernehmen könne.
(Quellen: Stephan Detjen, Katharina Hamberger, Reuters, dpa, cp, tei, pto)