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Laschet: Wirtschaftspolitik muss wieder Kernkompetenz der CDU werden

Seit heute ist Armin Laschet neuer CDU-Landesvorsitzender in NRW. In den Grundsätzen müsse sich die CDU nicht verändern, meint Laschet. Bei vielen Themen werde man zukünftig jedoch wieder mehr Kompetenz beweisen müssen - etwa in der Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Armin Laschet im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 30.06.2012
    Jürgen Zurheide: Die nordrhein-westfälische CDU kommt heute zusammen in Krefeld zu einem Parteitag. Armin Laschet wird dort – das kann man sicherlich auch jetzt schon vorhersagen – zum neuen Vorsitzenden des größten Landesverbandes der CDU gewählt werden. Das ist nötig geworden, weil Norbert Röttgen nach der Wahlniederlage das Handtuch geworfen hat. Armin Laschet ist jetzt bei uns am Telefon, guten Morgen, Herr Laschet!

    Armin Laschet: Guten Morgen, Herr Zurheide!

    Zurheide: Herr Laschet, mit welchen Gefühlen fahren Sie eigentlich gleich nach Krefeld? Denn das sind ja auf der einen Seite sicherlich die Erinnerungen an das katastrophale Wahlergebnis von 26,3 Prozent, auf der anderen Seite ist das jetzt Ihre Chance, Sie können das korrigieren, was seinerzeit bei dem Entscheid der CDU-Mitglieder anders war. Denn damals hat ja Röttgen vorne gelegen und Sie haben knapp verloren. Mit welchen Gefühlen fahren Sie heute nach Krefeld?

    Laschet: Also, das dominierende Gefühl ist sicher noch dieses Gefühl der Wahlniederlage, das viele, viele der Mitglieder und auch der Delegierten, die ja heute nach Krefeld kommen, im Kopf haben, 26,3 Prozent. Ich war ja in den letzten Wochen in über 45 Kreisverbänden auch persönlich unterwegs und habe ein wenig gespürt, wie die Basis denkt, und die erwartet jetzt von diesem Parteitag heute, dass das ein Aufbruch ist, dass man in die Zukunft schaut, dass man jetzt nicht nur die Vergangenheit bewältigt. Und mit dem Gefühl fahre ich eigentlich da hin. Es muss gelingen, dass wir heute wieder Zuversicht bekommen.

    Zurheide: Ist es ein Makel, dass die Basis diesmal nicht befragt wird? Denn beim letzten Mal, in dem Wettstreit zwischen Ihnen und Norbert Röttgen, da habe ich Sie beide noch im Ohr und vor Augen, als Sie gesagt haben, es war gut, dass wir die Menschen beteiligt haben. Ich glaube, es haben ja sehr viele mitgemacht damals.

    Laschet: Ja, das macht aber ja nur Sinn, wenn man zwei Kandidaten hat. Wenn man einen Kandidaten hat und dann den Riesenaufwand einer Mitgliederbefragung macht, ist das, glaube ich, außer Verhältnis und es würden sich wahrscheinlich auch nicht so viele beteiligen. Spannend ist das, wenn das zwei sind, wenn die sich vorstellen, wenn die durch Regionalkonferenzen reisen. Und da hatten wir ja in der Tat 80.000 Mitglieder, die damals mitgemacht haben, da ist die Lage diesmal etwas anders.

    Zurheide: Jetzt könnte man natürlich sagen, Basisvoten sind schwierig. Denn es ist genau eingetreten, was Sie damals in dem Wettstreit gesagt hatten – die Basis hat sich aber eben anders entschieden. Sie haben damals gesagt, na ja, wir brauchen hier in Nordrhein-Westfalen einen, der näher dran ist, und nicht einen, der in Berlin ist. Und der Berliner hat jetzt dieses schwierige Ergebnis eingefahren, also: Basisvoten schwierig?

    Laschet: Nein, und ich würde da auch nicht rückblickend sagen, wer hat nun wie damals vor zwei Jahren abgestimmt. Das war ein fairer Wettbewerb damals und Norbert Röttgen hat damals eine Mehrheit gehabt. Er hat jetzt aus dem Wahlergebnis die Konsequenz gezogen, aber ich würde das jetzt nicht als ein Revidieren des Ergebnisses von 2010 sehen, sondern am Punkt jetzt müssen wir sehen, wie machen wir weiter. Und das wollen wir heute entscheiden.

    Zurheide: Sie stehen innerparteilich, Herr Laschet, hin und wieder unter Linksverdacht, es gibt da so Flugblätter und den einen oder anderen, der Sie da attackiert. Ohne das jetzt überbewerten zu wollen, würde ich Sie fragen: Wie wollen Sie die CDU verändern, muss die CDU sich verändern?

    Laschet: Ich glaube, in den Grundsätzen muss sie sich nicht verändern. Sie muss auch im 21. Jahrhundert auf neue Fragen, auf moderne Fragen Antworten geben, aber ihr Menschenbild, das ist immer noch das gleiche. Und das ist das Schwierige, was viele Menschen im Moment verunsichert: Was fordern uns eigentlich moderne Zeiten ab, was bedeutet das, wenn beispielsweise in den Städten 40 Prozent der Kinder eine Zuwanderungsgeschichte haben? Dann müssen wir eine christdemokratische Antwort für uns darauf finden. Und das war die Integrationspolitik, den Ausbau der U-3-Plätze, vieles andere mehr. Also, das ist heute nicht links oder rechts, sondern man muss die Grundsätze, das christliche Menschenbild, als Leitidee, aus der man handelt, erkennen und das will ich auch heute auf dem Parteitag deutlich machen.

    Zurheide: Fällt das dem einen oder andern in Ihrer Partei noch schwer? Denn manche Vorwürfe, die da gegen Sie erhoben werden, die deuten darauf hin, dass die das nicht so verstehen. Denn da gibt es Auseinandersetzungen, die manchmal auch fast unter der Gürtellinie sind.

    Laschet: Ja, aber das sind wirklich Einzelpersonen. In den Kreisverbänden war das überhaupt kein Thema, es war eher der Wunsch da, zu sagen, wir müssen breiter in den Themen werden. Das ist auch meine Idee. Wir müssen beispielsweise in der Wirtschafts- und Finanzpolitik wieder die erste Kompetenzvermutung bei den Bürgern erreichen. Das war nämlich bei dieser Landtagswahl anders und das war immer eine Kernstärke der CDU, dass sie soziale Marktwirtschaft erklären konnte, dass sie für die Menschen, die als Unternehmer, als Handwerker, als kleine Selbstständige sich engagieren, der allererste Ansprechpartner war. Und das müssen wir wieder werden.

    Zurheide: Sie haben mehr Wirtschaftskompetenz gefordert, Sie haben da auch jetzt gerade wieder drauf angesprochen. Nun haben wir in dieser Sendung so oft über den Euro gesprochen und ich kann Ihnen das natürlich jetzt nicht ersparen: Jetzt ist Frau Merkel in Brüssel nach Auffassung von vielen eben doch umgefallen und hat ein paar Dinge mitgebracht, die schwierig werden in Ihrer eigenen Partei, wenn es denn doch direkte Bankenhilfen geben wird zum Beispiel. Welche Reaktionen haben Sie in den letzten Stunden, muss man eher sagen, aus der eigenen Partei bekommen? Da gibt es ja auch heftigen Gegenwind.

    Laschet: Ich glaube nicht, dass der so heftig ist. Jeder weiß insbesondere in der nordrhein-westfälischen CDU, dass wir stärker werden als Nordrhein-Westfalen, aber auch als Bundesrepublik Deutschland, wenn wir mehr Europa haben. Und deshalb geht es jetzt um die Form, in die man dieses Europa gießt. Wir brauchen eine politische Union, wir brauchen diese Fiskalunion, die Bundestag und Bundesrat gestern beschlossen haben. Denn wenn man eine gemeinsame Währung hat, muss man auch eine gemeinsame Fiskalpolitik anstreben. Und diese gemeinsame Währung, für die hat die CDU, hat Helmut Kohl gekämpft. Und wir sind froh, dass wir in dieser globalisierten Welt mit ganz neuen Mächten nun nicht hier mit 27 Einzelwährungen gegeneinander spekulieren, sondern dass Europa stark wird. Und das ist eigentlich seit Konrad Adenauers Zeiten in der nordrhein-westfälischen CDU so etwas wie eine Grundmelodie, die jedes Mal in neue Zeiten übersetzt werden muss. Also, Angela Merkel hat für die harte Haltung, die sie in Brüssel gezeigt hat, viel Unterstützung.

    Zurheide: Also, das hat mir Peer Steinbrück vorhin, was wir inhaltlich gerade besprochen haben, fast wortgleich gesagt. Nur ist eben die Frage: Ist das wirklich die harte Haltung gewesen? Also, wenn es direkte Hilfen für Banken aus dem ESM geben wird – und das ist vorherzusehen –, dann ist das die rote Linie, die man eigentlich doch bei Ihnen in der Partei nicht überschreiten wollte. Oder habe ich da was nicht richtig verstanden?

    Laschet: Nein, die rote Linie ist in diesen Tagen, in diesen Stunden, jetzt ohne konkrete Bedingung die Schulden zu vergemeinschaften. Und da war mir SPD und Grüne, auch Peer Steinbrück, den ich ansonsten schätze, manchmal einen Schritt zu weich. Da hat die Bundeskanzlerin sowohl in der Innenpolitik als auch gegenüber dem amerikanischen Präsidenten, der sie gedrängt hat, als auch auf diesem Gipfel deutlich gemacht: Es gibt jetzt keine Vergemeinschaftung von Schulden! Was in der Frage Banken eine Rolle spielt: Die Bankensysteme sind inzwischen so eng miteinander verbunden, dass ein großer Bankrott von spanischen Banken unmittelbar auch wieder Auswirkungen in Deutschland haben kann. Und dass man hier ein System findet, wo eine gemeinsame Bankenaufsicht da ist und Banken dann auch gemeinsam stabilisiert werden, das ist etwas, was sich jetzt in Brüssel bewegt hat. Man muss auch manchmal Kompromisse machen, aber die Grundhaltung, die rote Linie, wie Sie es genannt haben, die ist nicht überschritten.

    Zurheide: Letzter Punkt noch mal zur Wirtschaftskompetenz: Wenn Sie sagen, die CDU muss da mehr zeigen, an wen adressieren Sie das denn eigentlich, wer muss da was tun?

    Laschet: Ja, an uns selbst. Wir müssen über diese Themen sprechen, wir müssen in den mittelständischen Betrieben wieder stärker verankert sein. Wir müssen die Energiewende zum Erfolg bringen, die für viele Unternehmen mit großen Konsequenzen verbunden ist, wenn das nicht klappt. Also, alle Anstrengung muss jetzt auf diese Energiewende gerichtet sein. Und sie richtet sich natürlich auch gegen den politischen Gegner. In Nordrhein-Westfalen ist jetzt im Regionalrat ein neues Braunkohlekraftwerk beschlossen worden mit den Stimmen der SPD im Regionalrat, aber ohne die Stimmen der Grünen. Und wie das dann in der Landesregierung am Ende zu einem Ergebnis geführt wird, das wird die CDU aufmerksam beobachten. Wir wollen auch neue Kraftwerke, denn man kann nicht aus Kernenergie und aus fossilen Brennstoffen aussteigen.

    Zurheide: Das war Armin Laschet, der designierte Landesvorsitzende in der nordrhein-westfälischen CDU, der heute gewählt werden soll, im Deutschlandfunk. Herr Laschet, ich bedanke mich für das Gespräch!

    Laschet: Bitte schön!

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