Thomas Reiter war 2006 fast sechs Monate am Stück an Bord der ISS, der Internationalen Raumstation. An dem deutschen Astronauten wurde es zum ersten Mal festgestellt: Bei längeren Aufenthalten in der Schwerelosigkeit schwinden nicht nur Muskel- und Knochenmasse - auch die Haut wird dünner:
"Und jetzt gibt es ein neues Projekt an fünf Astronauten. Eine Italienerin, ein Italiener, ein Deutscher, Alexander Gerst, ein Engländer und ein Franzose."
Karsten König ist Professor für Biofotonik und Lasertechnologie an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken. Er untersucht die Raumfahrer regelmäßig auf Haut-Veränderungen. Im Astronauten-Trainingszentrum der Europäischen Raumfahrtagentur ESA in Köln. Dazu benutzt der Physiker und Zellbiologe einen selbst entwickelten, sogenannten Multiphotonen-TomografASen. Ein Gerät, das mit ultrakurzen Laser-Pulsen arbeitet. Damit lassen sich Hautzellen quasi ausleuchten, bis auf wenige Nanometer genau.
Auf einem Experten-Workshop in Saarbrücken stellte König jetzt vorläufige Ergebnisse aus dem Projekt vor. Beteiligt ist auch die NASA, die Raumfahrtbehörde der USA.
"Wir haben festgestellt, dass es hier zu Veränderungen der Epidermis, der äußeren Hautschicht kommt. Das ist erstaunlich und war nicht zu erwarten, dass die Epidermis, insbesondere der Teil, der aus lebenden Zellen besteht - sehr stark abnimmt, verdünnt wird, ja - die Haut sozusagen dünner wird."
Sechs Monate im All, und die Oberhaut der Astronauten war um zehn bis 20 Prozent geschrumpft.
Diese Dünnhäutigkeit ist zwar keine bleibende Angelegenheit. Nach der Rückkehr zur Erde regeneriert sich die Epidermis der Raumfahrer wieder. Doch was ist mit den Plänen für noch viel längere Missionen im All, fragt sich König:
"In der Zukunft geht es ja darum, wirklich bemannte Missionen zum Mars zu schicken. So eine Reise - Minimum halbes Jahr, wahrscheinlich eher ein bis zwei Jahre. Wenn Sie sich vorstellen, dass Sie nach sechs Monaten schon fast 20 Prozent verloren haben - die Frage ist: Was passiert nach einem Jahr? Dann kommen Sie vielleicht mit kaum einer Epidermis zurück. Und die Epidermis hat ja eine Schutzfunktion, insbesondere vor der UV-Strahlung. Die soll ja gar nicht so tief eindringen."
Ärzte sollen auf Biopsien verzichten
Warum schrumpft die Haut überhaupt bei längerer Schwerelosigkeit? Lässt sich das verhindern? Das soll in dem gemeinsamen Forschungsprojekt von NASA und ESA näher untersucht werden. Neue Laser-Technologien sollen aber nicht nur einigen wenigen Raumfahrern nutzen. Breitere Anwendungsfelder sehen ihre Entwickler in der allgemeinen Hautmedizin.
König leitet gleichzeitig die Firma JenLab, eine Ausgründung der Universität Jena, wo er früher tätig war. Obwohl die Geräte im Moment noch bis zu 600.000 Euro kosteten, seien inzwischen 30 davon weltweit im Einsatz - für erste Anwendungen in der Diagnose von Hauterkrankungen:
"Die wichtigste bildgebende Technik in der Medizin ist zur Zeit Ultraschall. Aber Ultraschall reicht nicht aus, um eine saubere Diagnose zu stellen. Wir haben jetzt ein Verfahren entwickelt, tausendmal besser als Ultraschall. Also, wir haben eine Auflösung von 0,3 Mikrometern - 300 Nanometer. Da können Sie sich vorstellen, dass wir jetzt auch Bestandteile einer einzelnen Zelle sehr gut sehen. Wir sehen auch zum Beispiel beim Schwarzen Hautkrebs einzelne Krebszellen."
Ärzte sollen künftig auf Biopsien verzichten und die Haut ihrer Patienten stattdessen mit Laser-Licht untersuchen. Nicht invasiv. Ohne Gewebeschnitte. Das ist das Ziel der Entwicklung:
"Toll wäre es wirklich, Sie würden die Information relativ schnell - und ich rede hier über Sekunden oder Minuten - am Bildschirm erstellen. Und müssten nicht mehr unbedingt Gewebe wirklich entfernen und schneiden und färben. Wir arbeiten in Australien zusammen mit einer Klinik. Aber auch in Kalifornien und da mit der University of California in Irvine über die neuartige Diagnose von verschiedenen Hautkrebs-Arten mit der Multiphotonen-Tomografie."
Die Forscher arbeiten jetzt daran, die Laser-Apparate zu verkleinern und billiger zu machen. Damit sie für Krankenhäuser und Hautkliniken auch bezahlbar sind.