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Lass die Sonne in die Schule

In der Schule für emotionale und soziale Entwicklung in Velbert gibt keine dunklen Gänge, Kloschmierereien und kahlen Klassenzimmer. Stattdessen sind die Gebäude hell und freundlich. Das wirkt sich auch auf das Sozialverhalten und die Motivation der Schüler aus.

Von Martina Schneiders |
    Das "Achtung Schule"-Straßenschild lässt einen erst einmal stutzen. Wo ist hier eine Schule? Kein großes vergittertes Tor, kein gepflasterter Pausenhof mit Blumenkübeln und kein wildes Gejohle; stattdessen eine große Freitreppe, die zu einem runden, verglasten Gebäude führt, das in eine Hanglage gebaut wurde. Und innen?

    Das Erste, das auffällt, ist - es gibt Licht, viel Licht, vor allem Tageslicht aus einem überdachten Innenhof, der das Zentrum bildet. Das Zweite ist, dass es trotz Pause erstaunlich ruhig ist. Eine Treppe zwischen großen Holzstufen, die als Bänke dienen können, führt nach unten zur Verwaltung und zum Zimmer des Schulleiter Jürgen Mürlebach:

    "Ich fange mal an, Ihnen die Schule zu zeigen. Wir befinden uns hier im Gartengeschoss. Hier ist die Verwaltung, das Lehrerzimmer, die Therapie- und Diagnoseräume. Wir stehen im Forum. Das Forum ist angelegt wie ein Amphitheater."

    Dieses Forum bildet nicht nur den Versammlungsraum der Schule. Dort finden auch Veranstaltungen statt - vom Kinoabend bis zur Fortbildung. Dort kreuzen sich die Wege von Schülern und Lehrern. Und alles ist lichtdurchflutet:

    "Viele empfinden diese Glaskuppel als einen sehr andächtigen Raum. Im Winter ist das wunderschön, weil dann das Licht reinscheint. Aber im Sommer gibt es viel Offenheit und Helligkeit. Das provoziert eine andere Gemütslage."

    Eine Gemütslage, die heiterer ist als in dunklen, unfreundlichen Gebäuden. Ein wichtiger Umstand, der sich pädagogisch nutzen lässt, nicht nur in einer Schule für emotionale und soziale Entwicklung, wie es diese Schule in Velbert ist. Dem pädagogischen Konzept entsprechend sind die Räume ausgewählt und angeordnet:

    "Einer der wichtigsten Räume hier unten ist der Bewegungsraum, den viele Schüler als Toberaum, als Entlastungsraum empfinden."

    Es ist der Raum, in dem in den Boden eine Hüpfburg eingelassen ist und in dem Spielzeug wie riesige Kunststoffbauklötze vorhanden sind. Hier kann getobt werden, wenn der Bewegungsdrang zu groß ist, um sich zu konzentrieren. Manchmal reichen auch ein paar Runden über den Flur, wie bei dem kleinen Langstreckenläufer:

    "Ich darf fünf Runden rennen."

    "Fünf Runden darfst Du rennen? Das ist so eine entlastende Maßnahme."

    Auf dem Flur fällt auf, dass es keine herausstehenden Teile gibt. Angriffsflächen werden vermieden. So sind zum Beispiel in den Toiletten die Spiegel in die Wand eingefugt. Und in den Klassenräumen haben die Schränke keine Knöpfe, sondern eingelassene Griffe - und die Schubladen springen auf, wenn sie leicht angedrückt werden.

    Jeder Klassenraum besteht aus einem großen, gemeinsamen Raum, einem kleinen Raum, der von zwei Seiten einsehbar ist, und einer kleinen Küche. Hier treffen wir den kleinen Langstreckenläufer wieder:

    "Ist eine schöne Schule."

    "Was machst Du jetzt?"

    "Arbeiten. Deutsch und Schreibschrift."

    Da er eine intensivere Betreuung braucht, wird er mit zwei anderen von einer eigenen Lehrerin parallel zur Klasse in dem kleinen Zimmer unterrichtet. Daneben befindet sich ein Arbeitsmittelraum, der von zwei Klassen genutzt wird. Dadurch bilden sie eine Einheit, die es ermöglicht, auch mal in größeren Gruppen zu arbeiten, ohne erst eine Völkerwanderung über Flure zu starten. Das und lärmschluckende Türen bringen Ruhe in die Schule. Und darauf ist Mürlebach besonders stolz:

    "Wenn Sie jetzt mal hinhören. Da sind 120 Schüler im Unterricht."

    Auf mancher Büroetage ist es lauter. Drei von diesen 120 Schülern sind Kahled, Fabian und Heiko, die oben in der Hauptschulebene unterrichtet werden. Sie bekommen gerade eine Extraportion Physik:

    "Wir versuchen mit dem Stromkreislauf durch die Erde mit Wasser die Lampe anzukriegen. Aber das funktioniert irgendwie nicht."

    Sie gehören zu den Schülern, die oft keinen Bock auf Schule haben. Doch an der Schule für emotionale und soziale Entwicklung ist das Thema Schulabstinenz selten. Die Schüler fühlen sich wohl dort. Heiko macht es deutlich:

    "Wir sind alle von anderen Schulen hierhin gekommen, weil wir Probleme hatten mit unserem Verhalten. Das haben sich jetzt richtig viele geändert. Wir wollen eine gewaltfreie Schule sein. Gut - hin und wieder gibt es Komplikationen, aber so im Großen und Ganzen ist es hier voll in Ordnung."

    Und damit fällt es ihnen auch leichter sich an Regeln, wie Respekt und Sauberkeit zu halten. Graffitis und Toilettenschmierereien gibt es hier nicht. Vandalismus ist an dieser Schule ein Fremdwort. Das liegt an dem Zusammenspiel von Pädagogik und, wie Schulleiter Mürlebach bemerkt, dem dritten Lehrer: der Architektur.