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Last-Minute ins All

2009 wird in die Annalen der Raumfahrt eingehen als das Jahr, in dem erstmals ein kommerzielles Raumschiff Privatpassagiere an die Grenze des Weltraums katapultiert. Verschiedene Firmen weltweit basteln derzeit an neuen Raumschiffen und bauen konventionelle Flughäfen zu Weltraumflughäfen um.

Von Guido Meyer |
    Zündung – und nichts. Die rote Rakete der Firma "Tripoli aus Arizona verharrt auf ihrer Startrampe.

    ""OK, things don’t always happen … OK now, this obviously didn´t take off as planned.”"

    Nein, da tut sich nichts, und es wäre gemein zu sagen, dass wir uns bei Amateuren befinden, mitten in der Wüste. Es ist eben nicht das Kennedy Space Center in Florida, es ist der gerade erst im Entstehen begriffene "Spaceport America” in New Mexiko. Und es sind private Visionäre, die auch mal ins All wollen. Irgendwann. Irgendwie.

    ""Eine richtige Bordkarte gibt es nicht. Ich hab’ da so einen Vertrag unterschrieben, und den hab’ ich natürlich schon seit drei Jahren im Safe liegen."

    Seit fast einem halben Jahrhundert fliegen Menschen in den Weltraum, und kehren - meist - wohlbehalten auf die Erde zurück. Diese Rundreise war bislang einem erlesenen Zirkel vorbehalten, einer Auswahl von rund 500 Astronauten, Kosmonauten und Taikonauten. Nicht alle waren dienstlich unterwegs. Jesco von Puttkamer, Langzeitplaner bei der amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa.


    "An sich haben wir ja schon Touristen im Weltraum. Bei uns, beim Shuttle, sind schon Politiker mitgeflogen. Bei den Russen sind es in den letzten Jahren, seit 1990, Gastkosmonauten gewesen, deren Hauptzweck im Weltraum darin bestand, den Russen Geld zur Verfügung zu stellen in der Größenordnung von 25 Millionen Dollar pro Flug. Das sind also schon Quasi-Touristen, die nicht berufsmäßige Astronauten an sich sind, oder Kosmonauten, sondern aus anderen Gründen mitgeflogen sind. Nicht unbedingt des reinen Vergnügens wegen, was dann ja der volle Tourist wäre."

    Inzwischen jedoch stehen "volle Touristen" Schlange, um sich einmal den Blick auf die Erde von oben zu gönnen. Während sich der Weltraum für Raumfahrtbehörden in fast fünfzig Jahren zu einem riesigen Schwarzen Loch entwickelt hat, das Unsummen verschlingt, könnte der Weltraumtourismus dieses Geld zurückholen. Noch in diesem Jahr soll ein kommerzielles Raumschiff den ersten Privatpassagier an die Grenze zum Weltraum katapultieren. Edward Hudgins, Direktor des Washington-Büros des Objectivist-Centers, einem amerikanischen Interessensverband:

    "Die Nasa hat erfolgreich Menschen erstmals zum Mond befördert. Aber nur der Markt kann Technologie kommerzialisieren. Natürlich haben Regierung und das Pentagon zum Beispiel die Basis für das Internet geschaffen. Aber die Industrie hat Computer auf die Schreibtische gestellt und die Menschen ans World Wide Web angeschlossen. Wir brauchen eine Raumfahrtrevolution, so wie wir eine Revolution in der Computer- und in der Telekommunikationsbranche gehabt haben."

    Die Zeit ist reif, meint auch Fabian Eilingsfeld, Unternehmensberater bei Price Systems in Rüsselsheim, das sich auf den Raumfahrtsektor spezialisiert hat.

    "Weltraumtourismus funktioniert nicht, solange Sie nicht ein wesentlich kostengünstigeres und auch bedeutend sicheres Transportsystem haben, Raumtransportsystem haben, als das Space Shuttle. Nun haben aber Studien des Weltraumtourismus in den letzten Jahren gezeigt: OK, der Markt ist da, jetzt muss nur noch die Rakete kommen."

    Und ab mit dem "Weißen Ritter", dem Flugzeug "White Knight", zusammengebastelt aus zwei Segelflugzeugen und mit roten und schwarzen Sternchen bemalt. Auf den Bauch gebunden ist ihm das Raumschiff "SpaceShipOne", das seinem Namen durchaus Ehre macht: Es ist das erste private Raumschiff der Welt. Wir schreiben das Jahr 2004. Dreimal fliegt Pilot Mike Melville dieses ungewöhnliche Fluggerät nach oben und landet wie mit einem Flugzeug in der kalifornischen Mojave-Wüste.

    "Das war fast schon eine religiöse Erfahrung. Es war sogar die Krümmung der Erde zu erkennen. Ich konnte die Inseln vor der Küste von Los Angeles sehen und bis hinauf nach San Diego schauen. Aus 100 Kilometern Höhe hat man eine fantastische Sicht!"

    "SpaceShipOne" ist kein eigentliches Raketenflugzeug, da es über keine gewöhnlichen Flugzeugtriebwerke verfügt. Seine Funktionsweise entspricht eher einer geflügelten Rakete, die in der Luft startet. Hat es sich vom Trägerflugzeug gelöst, wirft es nach wenigen Sekunden freien Falls sofort seinen Raketenantrieb an, der es bis an die Grenze zum Weltraum schießt. Mark Lewis ist Luft- und Raumfahrtingenieur an der University of Maryland und hatte sich das erste kommerzielle Raumschiff unseres Sonnensystems damals näher angesehen.

    "SpaceShipOne geht im wahrsten Sinne des Wortes ab wie eine Rakete. Wenn der Pilot den Motor einschaltet, steigt das Schiff mit dreifacher Schallgeschwindigkeit senkrecht nach oben. Wer an Bord ist, sieht den Boden unter sich rasant verschwinden. Auf 100 Kilometer Höhe dann ist man von einem schwarzen Himmel umgeben und kann auf die gekrümmte Erdoberfläche hinunterschauen."

    Den ersten Teil der Reise – ungefähr ein Zehntel des gesamten Aufstiegs – bestreitet ein "weißer Ritter": ein Flugzeug mit dem Namen "White Knight", das das kleinere Raumschiff huckepack bis auf fünfzehn Kilometer Höhe trägt. Von dort aus schafft es das SpaceShipOne aus eigenem Antrieb bis auf 100 Kilometer Höhe und kehrt dann völlig antriebslos auf die Erde zurück. Das Fahrwerk wird kurz vor dem Aufsetzen nicht ausgefahren, sondern schnellt unten aus dem Rumpf heraus. So sollen Luftverwirbelungen rund um das leichte Fluggerät bis zum Schluss vermieden werden. Vorher, beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre, stellt SpaceShipOne seine Flügel im rechten Winkel aufrecht, um der Reibungshitze möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Burt Rutan, Designer und Erbauer des Raumschiffs.

    "Wir haben nun erstmals ein geflügeltes Vehikel, das mit diesem Landeverfahren aus dem All zurückgekehrt und sicher landet. Das ist eine enorme Verminderung des Risikos beim Wiedereintritt in die Atmosphäre."

    Das war vor fünf Jahren. Die Freude hat bei Burt Rutan seitdem angehalten. SpaceShipOne bekommt derzeit einen größeren Nachfolger. Doch die Konkurrenz schläft nicht ...

    Auf dem "Spaceport America” in New Mexico ist auch die US-Firma Armadillo Aerospace mitten in ihrer Testphase. Das mittelständische Unternehmen betreibt die Rakete "Black Armadillo", "Schwarzes Gürteltier". So ähnlich sieht das Flugobjekt auch aus: wie ein aufrecht stehendes, überdimensionales Gürteltier – zumindest wenn man der Namensgebung der Firma folgt und seine Fantasie bemüht. Die Beschreibung als längliches Oval würde der Rakete ebenfalls genügen. Die Mission in Echtzeit: senkrechter Start, ein kurzes seitliches Taxieren und ein ebenfalls vertikaler Touchdown auf Landebeinen.

    Dieser Missionsablauf entspricht der einen Variante einer Black-Armadillo-Landung. In der Wüste von New Mexico testet Armadillo Aerospace aber auch eine andere Variante. Ein Hubschrauber trägt die Rakete rund 700 Meter hoch in die Luft. Die längliche Rakete hängt dabei unter dem Helicopter. Sie schwankt hin und her. Gleich hat der Hubschrauber die Ausgangshöhe erreicht und wird das "schwarze Gürteltier" fallenlassen. Aus seinem Heck soll sich ein Bremsfallschirm entfalten. Die Rakete wird sich um 180 Grad drehen, bis das obere Ende nach unten zeigt. Die Idee: Die Rakete soll mit der Nase auf dem Boden aufsetzen und sich verformen. Die Delle würde den größten Teil des Aufpralls abfangen.

    Doch bis die ersten Menschen in dieser Rakete Platz nehmen, dürfte es noch etwas dauern – das Landesystem versagt. Black Armadillo steigt zunächst wie geplant senkrecht hoch, verharrt kurz, die Motoren schalten sich ab. Dann jedoch stürzt die Rakete ungebremst auf den Boden und zerschellt. Nicht schlimm, findet Greg Maryniak, der Direktor der amerikanischen X-Prize-Stiftung, die die privaten Firmen auf dem Weg ins All unterstützt:

    "Es geht gar nicht so sehr um eine bestimmte Technik. Wir brauchen generell einen anderen Zugang zum Weltraum. Und daran arbeiten all diese Teams."

    Diesseits des Atlantiks wartet ein Raumschiff in Tonnenform auf seinen Erstflug – weiß angemalt von außen und von innen, mit vielen Bullaugen ringsherum, vier gelb-schwarzen Sitzen für die Passagiere und vorne einem Cockpit. Einen Namen hat das futuristische Gefährt noch nicht.

    "Wir sind hier im Originalbau der Kabine des Raketenflugzeugs, mit dem wir vier Passagieren die Möglichkeiten bieten wollen, in den Weltraum zu fliegen, das heißt auf 100 Kilometer Höhe. Die Kabine ist sehr geräumig, denn das entscheidende ist ja, dass man den Passagieren ein Optimum an Schwerelosigkeit und Genuss in der Schwerelosigkeit bieten will. Wir haben vier Sitze, spezielle Sitze, die quer zur Flugrichtung angebracht sind, die bewegen sich auch, so dass Sie sehen: In dem Moment, in dem das Flugzeug beschleunigt, dreht sich der Sitz mit. Und somit kann der Passagier sehr gut diese mehrfache Körperbeschleunigung ertragen."

    Mathias Spude vom Raumfahrtkonzern EADS Astrium in Bremen steht mitten im Modell eines europäischen Weltraumflugzeugs. Damit versucht auch die Alte Welt Anschluss zu finden an den Trend Weltraumtourismus. Das Prinzip ist überall gleich: Es geht um so genannte suborbitale Flüge. Die kommerziellen Raumschiffe sollen also keine wirkliche Umlaufbahn erreichen, auf der sie die Erde umkreisen, sondern nur kurz ins All fliegen, auf 100 Kilometer Höhe, und sofort wieder zurück. Auf dieser Höhe beginnt nach offiziellen Regeln der Weltraum. So hoch war 2004 auch SpaceshipOne geflogen, und so hoch wollen auch all die anderen Mitbewerber hinaus, die derzeit an den Start gehen. Und 100 Kilometer reichen auch für eine schöne Aussicht. Mathias Spude:

    "In dem Moment, in dem das Flugzeug im Weltraum ist, können die und werden die Passagiere die Gurte lösen und sind dann schwerelos in dieser Kabine. Sie sehen überall gelbe Haltegriffe, an denen man sich fixieren kann. Dann startet der Sinkflug; man fliegt wieder runter auf zwölf Kilometer, die Strahltriebwerke – die Turbinen – werden wieder angeworfen, und man landet ganz normal."

    Außer dem Flug selbst bekommt der Weltraumtourist auch ein zweitägiges Training auf dem Boden. Bedingung: ein gesundes Herz-Kreislauf-System und – so EADS – "nicht zu viele Bandscheibenvorfälle". Spielt die Gesundheit mit, müssen die Reisen nicht auf kurze Trips beschränkt bleiben. Von einer neuen "Super-Concorde" ist bereits die Rede, die Passagiere binnen zwei Stunden von Paris nach New York fliegen könnte. In den letzten zwei Jahren hat der Raumfahrtkonzern Unternehmen gesucht, die sich an der Umsetzung des Spaceplanes beteiligen wollen. Spude:

    "Zum einen suchen wir Risikokapital: private Investoren, die sagen: ,das ist ein Geschäft, das sich lohnt‘. Zum zweiten suchen wir einen Profi aus dem Tourismus-Bereich, der eben das Marketing und diesen Markt bestens beherrscht. Das ist ein kommerzielles Raumfahrtprojekt. Es geht nicht um Staatsgelder, sondern es geht um private Investoren. Wenn wir die gefunden haben, wollen wir das Projekt starten."

    Die Suche war bislang erfolglos. Schon vor dem Beginn der globalen Finanzkrise im letzten Jahr war kein Investor bereit, Geld in dieses Projekt zu stecken. Seitdem weltweit gespart wird, sind die Chancen auf Realisierung des Raumgleiters weiter gesunken, so dass EADS die Pläne im Frühjahr erst einmal auf Eis gelegt hat. Unternehmensberater Fabian Eilingsfeld:

    "Man sieht eben, dass diese ganzen Finanzierungsmodelle sehr, sehr sensitiv sind gegen einmal Unterschätzen des tatsächlichen Entwicklungsbudgets und eben gegen Verzögerungen im zeitlichen Ablauf. Wenn Sie planen, in drei Jahren in den Markt einzutreten, und es werden dann fünf Jahre draus, dann sind Sie dazu verdammt, dass Sie niemals mehr mit diesem Geschäft oder mit dieser Unternehmung Geld verdienen werden."

    Nicht nur EADS hat derzeit das Tempo gedrosselt. Auch in Sachsen-Anhalt ist der Start eines deutschen Touristen-Raumschiffs mangels Investoren in weite Ferne gerückt. Vom stillgelegten Militärflughafen Cochstedt aus sollte die "Enterprise" eigentlich schon in diesem Jahr zahlende Passagiere ins All tragen. Jetzt hofft man auf 2013.

    Das ist das Einzige, was bislang von Kontinental-Europa aus ins All gelangt ist - zwölf Meter lange, 2,5 Tonnen schwere, unscheinbar graue Geschosse: Vom schwedischen Weltraumbahnhof bei Kiruna starten regelmäßig Texus-Raketen. Sie erreichen eine Höhe von etwa 200 Kilometern und stürzen dann mit Experimenten an Bord zurück auf die Erde. Ungeachtet der noch ungewissen Zukunft des Weltraumtourismus will die schwedische Weltraumagentur SSC das Esrange-Startgelände in den kommenden Jahren zum "Spaceport Sweden” ausbauen.

    "Wir haben von hier aus seit 1966 wissenschaftliche Missionen mit unseren Texus-Höhenraketen gestartet. Suborbitale bemannte Flüge wären also die logische Fortsetzung unserer bisherigen Arbeit, nur mit anderen Flugkörpern."

    Johanna Bergström ist Informations-Managerin des "Spaceport Sweden”, der sich aus dem Esrange-Raketenbahnhof, dem Flughafen von Kiruna und dem Ice Hotel zusammensetzt. Dieses Konsortium hat dafür gesorgt, dass die britische Firma "Virgin Galactic" in drei Jahren Flüge mit ihrem neuen SpaceShipTwo vom "Spaceport Sweden” aus anbieten wird, als europäisches Pendant zum "Spaceport America”.

    "Sie werden einen sehr blauen, wunderschönen Planeten sehen, wenn Sie vom "Spaceport Sweden” starten. Nach Norden werden Sie bis zum norwegischen Nord-Kap blicken können, dem nördlichsten Punkt Europas. In östlicher Richtung haben Sie eine Aussicht über Finnland hinweg bis Murmansk ins nördliche Russland. Südlich reicht die Sicht bis Stockholm, alles von viel Wasser umgeben. Und im Westen kann man die Lofoten-Inseln vor der norwegischen Küste sehen."

    Möglicherweise könnten nach 2012 Weltraumtouristen auf dem "Spaceport Sweden” ein- und auf dem "Spaceport America” aussteigen. Vorarbeiten laufen auch für andere Raketenflughäfen. Die holländische Raumfahrtfirma "Space Horizon" plant einen Stützpunkt auf den niederländischen Antillen. "Carribean Spaceport” heißt das Projekt. Auch in Großbritannien könnte ein entsprechender Flughafen für Raumschiffe entstehen, wenn aus der Royal Air Force Base in Moray County der "Spaceport Scotland” wird. In Montpellier, an der französischen Mittelmeerküste, versucht der Luft- und Raumfahrtingenieur Garrett Smith die Idee des "Spaceport France" in die Tat umzusetzen. Smith ist der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Weltraumtourismus bei 3AF, der französischen Aeronautics and Astronautics Association in Toulouse.

    "Die Menschen möchten ihre Heimat aus der Luft sehen. Ein Japaner will Mount Fuji sehen, also brauchen Sie einen Weltraumflughafen in Japan. Die Amerikaner werden auf die Rocky Mountains, den Golf von Mexiko oder die Pazifik-Küste blicken wollen. Europäer möchten die Alpen oder das Mittelmeer aus dem All ausfindig machen. Jeder hat andere Präferenzen; jeder möchte die ihm vertraute Landschaft von oben sehen."

    Es fällt den Projektmanagern nicht schwer, ihre Visionen in den schillerndsten Farben zu verkaufen. Doch wird es tatsächlich so viele Kunden geben? Letztendlich wird sich diese Frage auch an der Sicherheit entscheiden. In Europa wie in Amerika obliegen die geplanten Flüge den Luftaufsichtsbehörden, werden also nicht wirklich wie Reisen in den Weltraum behandelt. Das heißt jedoch nicht viel mehr, als dass die Flüge genehmigt werden müssen. Welche Sicherheitsvorkehrungen jeder Betreiber konkret in seine Maschinen einbaut, bleibt ihm überlassen. Während die Passagiere von "SpaceShipTwo" frei in der Kabine umherschweben dürfen, müssen sie beim "Rocketplane XP" angeschnallt bleiben. Dieses Raketenflugzeug der amerikanischen Firma "Rocketplane Global" soll Ende diesen Jahres vom "Spaceport Oklahoma" aus zu ersten Testflügen abheben. Chuck Lauer, Vizepräsident der Abteilung für Geschäftsentwicklung:

    "Wir glauben nicht, dass es für die ersten Flüge sicher ist, wenn sich die Passagiere völlig aus den Gurten lösen und frei in der Kabine bewegen dürfen. Stattdessen werden unsere Gurte nachgeben, so dass die Weltraumtouristen ein Gefühl für die Schwerelosigkeit bekommen. Sie werden aber weiterhin in ihren Sitzen gehalten. Wenn nach drei Minuten wieder die Schwerkraft einsetzt, müssen alle angeschnallt in ihren Sitzen sein. Schließlich werden wir kein Flugpersonal an Bord haben, das beim Anschnallen behilflich ist."

    Ein privates Raumschiff wie "SpaceShipTwo" wird mit fast sechs g aus dem All geradezu auf die Erde zurückfallen. Menschen an Bord werden also mit dem sechsfachen ihres Körpergewichts in die schalenförmigen Sitze gedrückt. Dies ist dreimal mehr als beim gleitenden Space Shuttle. Für eine mögliche Bruchlandung werden die Sitze mit Airbags ausgestattet. Dass reguläre Piloten die neuen privaten Raumschiffe fliegen werden, ist unbestritten. Gefährlich erscheint manchen Beobachtern jedoch die Lockerheit, mit der sich die Passagiere an Bord bewegen dürfen. Auch in Sachen Ausrüstung geben sich manche Projektbetreiber sehr sorglos. Der Luft- und Raumfahrtingenieur Pablo de Leon von der University of North Dakota:

    "Angenommen, das Raumschiff wird auch nur von einem winzigen Meteoriten getroffen – keines der privaten Weltraumflugzeuge verfügt über eine derart massive Isolierung seiner Außenhaut wie beispielsweise die Module der Internationalen Raumstation. Durch die entstehende Öffnung würden Druck und Atemluft entweichen. Es würde eine Weile dauern, bis die Besatzung das vielleicht winzige Leck entdeckt, geschweige denn gestopft hätte. Die Passagiere wären jedoch nach wenigen Sekunden ohnmächtig."

    Die Astronauten der amerikanischen Space Shuttles tragen in der Start- und Landephase Druckanzüge, in denen sie im Notfall die Fähre schnell verlassen könnten. Touristen hingegen sollen quasi in T-Shirts und Overall fliegen – ein Fehler, findet Pablo de Leon:

    "Wenn Sie einen richtigen Weltraumanzug tragen, würde er für den entsprechenden Druckausgleich sorgen. Sie müssen nicht die ganze Zeit in diesen klobigen Anzügen sitzen oder schweben. Sie könnten ihn im Notfall blitzschnell aktivieren und quasi aufblasen. Ein geschlossener Helm würde den Touristen an Bord außerdem ermöglichen, weiter zu atmen, auch ohne Luft in der Kabine. Ein aktivierter Weltraumanzug würde wie ein kleines, autonomes Raumschiff funktionieren, das Sie sicher wieder auf den Boden bringen könnte."

    2004 war "SpaceShipOne" noch das erste aus privaten Mitteln finanzierte Raumschiff, das ins All geflogen ist. Heute hängt das kleine, wacklige Gefährt in der Eingangshalle des National Air and Space Museum in Washington, D.C. In fünf Jahren vom Pionier zum Geschichtsobjekt. Es hat sich viel getan in diesen fünf Jahren. "SpaceShipOne" ist tot - es lebe "SpaceShipTwo".

    "Was 2004 ins All geflogen ist, war ein Prototyp. Wir mussten etwas bauen, das viel sicherer, viel verlässlicher und auch effizienter ist, also geschaffen für den täglichen Einsatz. Diese Anforderungen haben wir auf die Konstruktion von ,SpaceShipTwo‘ übertragen. Was bei ,SpaceShipOne‘ so gerade geklappt hat, wird bei seinem Nachfolger Standard werden. Die Firma ,Scaled Composites‘ hat 25 Millionen Dollar investiert und mit ,SpaceShipOne‘ dreimal den Weltraum erreicht. Wir haben 150 Millionen darauf verwendet, die Systeme redundant und zuverlässig zu machen und so etwas auf den Markt zu bringen, was sicher ist."

    "Wir", das ist die britische Firma "Virgin Galactic" und ihr Vize-Präsident Alex Tai. Wie schon bei "SpaceShipOne" wird das Mutterflugzeug "WhiteKnightTwo" das Raumschiff an seinem Bauch auf eine Höhe von fünfzehn Kilometer tragen. Dort erst wird es seinen eigenen Raketenmotor zünden. Verändert haben die Konstrukteure die Größe. Denn auf Dauer darf der Weltraumtourismus nicht nur mit den ganz reichen Kunden kalkulieren. Tai:

    "Das würde als Geschäftsmodell so nicht funktionieren. Wenn wir uns nur an vermögende Passagiere wenden würden, gingen uns über kurz oder lang die Kunden aus. Deshalb mussten wir ,SpaceShipTwo‘ größer bauen. Künftig bietet es zwei Piloten und sechs Passagieren Platz. Damit können wir nach einer gewissen Anlaufzeit die Preise senken und so einen größeren Markt erschließen. Auch das Startflugzeug musste größer werden, um das schwerere Raumschiff tragen zu können. Seine Flügelspannweite ist jetzt größer als die einer Boeing 757."

    "Virgin Galactic" will seine Erfahrungen aus der Luftfahrt auf "SpaceShipTwo" übertragen, was zum Beispiel die Bremsen angeht. Gerade die flugerprobte Virgin-Gesellschaft könne es sich nicht leisten, dass etwas schiefgeht, zumal dies dem Weltraumtourismus insgesamt schaden würde, glaubt Alex Tai. Läuft jedoch alles weiter nach Plan, soll in wenigen Wochen der Jungfernflug stattfinden, im Herbst der erste kommerzielle Einsatz. Der Preis für fünf Minuten Schwerelosigkeit: 200.000 Dollar. Dabei soll es jedoch nicht lange bleiben, orakelt Richard Branson, der Chef der Virgin-Gruppe.

    "Wenn wir verraten würden, bei welcher Höhe der endgültige Preis liegen wird, würde niemand die 200.000 Dollar bezahlen. Wir haben einige fantastische Kunden, die die Pionier-Arbeit leisten: erfolgreiche Geschäftsleute, Regisseure und Schauspieler wie Brad Pitt oder Victoria Principal. Sie zahlen die vollen 200.000 Dollar. Dies wird uns ermöglichen, den Preis mit der Zeit zu senken, so dass Tausende von Menschen ins All fliegen können, nicht nur einige wenige Privilegierte."

    "Das war eine schon fast schicksalhafte Begegnung. Ich hab durch Zufall vor zwei Jahren Richard Branson, der dieses Projekt ins Leben gerufen hat, auf einer Safari in Afrika kennengelernt. Er ist so ein Unternehmertyp, hat glaub’ ich über 100 verschiedene Firmen, hat alles mögliche, von Zügen, Flugzeugen und jetzt eben auch Weltraumreisen. Und er erzählte mir damals von diesem Projekt, und ich dachte ‚das darf nicht wahr sein’. Dass es jetzt schon so schnell gehen sollte und dass ich dann auch noch jemanden kennenlerne, der das zufällig macht, und dass der mir dann auch noch einen Platz anbietet – das war also schon irgendwie einzigartig."

    Sonja Rohde ist eine der knapp 300 Weltraumtouristen, die sich bereits für einen Kurztrip in die Schwerelosigkeit mit SpaceShipTwo angemeldet haben. 31 Jahre alt, Unternehmerin. Aus dem Hagener Familienbetrieb soll es hinauf gehen in die sprichwörtlichen "unendlichen Weiten des Weltalls". Bezahlen müssen wird sie die 200.000 Dollar aus eigener Tasche, da hilft auch die Empfehlung und das persönliche Werben von Richard Branson, dem Chef der Virgin-Gruppe, wenig. Rohde:

    "Wir hatten eben zufällig auch in der gleichen Lodge gewohnt, wie sich rausstellte. Und irgendwann hat er dann eben auch von seinem neuen Projekt erzählt. Und ich kriegte natürlich sofort solche großen Kinderaugen und meinte ´das find’ ich toll, da möcht’ ich unbedingt mitmachen’, und er meinte ´ja, kein Problem’, hat dann sofort sein Handy genommen und mich da auf die Liste setzen lassen."

    Neben Sonja Rohde haben bislang vier weitere Deutsche diesen ungewöhnlichen Kurzurlaub gebucht – und zwar beim Münchner Reisebüro "Designreisen", das die Flüge mit "SpaceShipOne" für den deutschen Markt exklusiv vertreibt. Leider laufen auch bei ihm die Geschäfte nicht mehr ganz so gut.

    "Die Kunden haben alle vor der Rezession gebucht. Die Buchungen sind alle in der ersten Jahreshälfte 2008 bei uns eingegangen. Sicherlich ist der Markt jetzt etwas zurückgegangen."

    Christoph Berner vermittelt bei "Designreisen" zwischen "Virgin Galactic" und angehenden deutschen Weltraumtouristen. Derer gibt es derzeit etwa 500. Sie haben jedoch bislang lediglich Interesse angemeldet, den Flug noch nicht verbindlich gebucht und auch keine Anzahlung geleistet. Berner:

    ",Virgin Galactic‘ definiert ganz klare Milestones in diesem Projekt, und wir haben festgestellt, dass mit jedem Milestone auch weitere Buchungen und Interessenten zu uns kamen. Und ich bin mir ganz sicher, wenn das ,SpaceShipTwo‘ vorgestellt werden wird, kommt ein weiterer Schwung an Kunden und Interessenten. Und nicht zu vergessen, wenn die ersten Flüge tatsächlich stattfinden würden und jeder Mensch mit eigenen Augen gesehen hat, dass es einfach sein wird, in den Weltraum zu fliegen, werden weitere Buchungen und natürlich auch viele Interessenten folgen.""

    Insgesamt haben sich bislang 80.000 Interessenten bei "Virgin Galactic" auf die Warteliste setzen lassen, um mit "SpaceShipTwo" ins All zu fliegen – wenn es denn einmal fliegt. Richard Bransons Virgin-Gruppe betreibt neben einem Musiklabel und Radiostationen auch die Fluglinie "Virgin Atlantic". Der britische Milliardär hat seine Einnahmen also breit gestreut und kann es sich leisten, auf den Gewinn eines einzelnen Virgin-Tochterunternehmens zu warten – noch, warnt Unternehmensberater Fabian Eilingsfeld.

    "Nach meiner Expertise würde ich annehmen, dass sowohl Richard Branson als auch die anderen Probleme haben werden, ihre Kapitalkosten damit wieder einzuspielen in der Kürze der Zeit, weil der Markteintritt sich ja jetzt, nach dem jetzigen Wissensstand, auch schon verzögert hat. 2004 ging man davon aus, dass man Ende 2008, Anfang 2009 anfangen kann zu fliegen, zahlende Passagiere. Dieser Zeitpunkt ist ja schon verstrichen. Irgendwann kommt man dann an den Punkt ohne Wiederkehr, wo es einem nicht mehr gelingen wird, seine Kapitalkosten wieder einzuspielen; dann wird’s auf ewig ein Verlustgeschäft bleiben. Und ich glaube, ,Virgin Galactic‘ wird da langsam hinkommen. Sie werden in den Markt eintreten, sie werden Passagiere fliegen. Aber ob sie am Ende des Tages damit auch Geld verdienen, das wird also zunehmend zweifelhaft."

    Dennoch denkt "Virgin Galactic" bereits daran, den Tarif zu senken. Jeder Passagier auf der Warteliste wird über kurz oder lang dazu führen, dass der Ticketpreis künftig niedriger ausfällt – wie das eben so ist, bei der Markteinführung neuer Produkte. Bis zu welcher Grenze – darüber gibt es bereits Spekulationen. Eine kommt von Dennis Tito, der Welt erster Privatier im All, der 2001 für 20 Millionen Dollar mit den Russen zur Internationalen Raumstation geflogen war.

    "He can get the ticket price down between 5000 and 10.000 Dollar, and I think there are a lot of people that will sign up and pay for that."

    Am Ende werde der Preis sich wohl zwischen 5000 und 10.000 Dollar einpendeln, und er, Dennis Tito, denke, dass es eine Menge Menschen gebe, die bereit sind, diesen Preis zu zahlen. Wie ernst die neue Branche Weltraumtourismus genommen wird, beweist "US Airways". Die amerikanische Fluggesellschaft hat angekündigt, Flüge mit "SpaceShipTwo" in ihr Vielfliegerprogramm aufzunehmen. Wer zehn Millionen Meilen auf seinem Konto hat, kann diese gegen einen Kurztrip ins All einlösen. Neben "Virgin Galactic" planen derzeit zwei Dutzend Unternehmen weltweit, in ein paar Jahren entsprechende Flüge anzubieten. Der Unternehmer Robert Bigelow aus Las Vegas plant bereits ein Hotel in der Umlaufbahn, das Weltraumtouristen ansteuern könnten. Zwei solcher noch unbemannten, aufblasbaren Module von "Bigelow Aerospace" umkreisen zu Testzwecken bereits die Erde. In wenigen Jahren soll mit dem Modul "Sundancer" der Grundbaustein zur kommerziellen, bemannte Raumstation gelegt werden, die dann Wissenschaftlern wie Urlaubern offenstehen soll. Eilingsfeld:

    "Und jetzt gibt’s halt so ein paar Unwägsamkeiten. Zum Beispiel die ganz spannende Frage, was passiert, wenn es mal einen Unfall gibt? Hat das nachhaltigen negativen Einfluss auf den Absatz, oder stecken das die potentiellen Passagiere ähnlich entspannt weg, wie sie heute einen Flugzeugabsturz in den Nachrichten wegstecken? Da betreten wir einfach unbekanntes Terrain, und die Zeit wird zeigen, wie es sich damit dann verhält."

    Auf dem "Spaceport America” in New Mexiko hat das Unternehmen "Tripoli" aus Arizona unterdessen seinen Ruf gerettet – diesmal gelingt der Lift off. Die Höhenrakete hebt ab, pfeilgerade nach oben. Möglicherweise ein gutes Omen für kommende private Startversuche ins All.