Mojib Latif: Ja, davon muss man ausgehen. Das ist jetzt nicht ein einmaliger Rekord, den wir jetzt gemessen haben, sondern das ist Teil eines langfristigen Trends, und seit wir Satelliten im All haben, seit 1979 gibt es einen steten Trend nach unten und wir haben inzwischen ungefähr 30 Prozent der eisbedeckten Fläche im Arktischen Ozean verloren seit dieser Zeit, und das ist wirklich alarmierend.
Ehring: Das ist eine ganze Menge. Was sind denn die Folgen für die Region wie für die Arktis selbst?
Latif: Es gibt im Wesentlichen zwei Dinge, die wir beachten müssen. Zum einen haben wir ja die Erwärmung, das Schmelzen des Eises. Das führt dazu, dass ein ganzes Ökosystem bedroht ist. Normalerweise wird ja "nur" über den Eisbär berichtet, aber dort gibt es eben auch kleinere Lebewesen und die stehen am Anfang der Nahrungskette, und insofern wird das auch langfristig irgendwo für die Welternährung wichtig werden, wenn das arktische Eis immer weiter zurückweicht. Und das Leben in der Arktis ist auch deswegen betroffen, weil die Ursache für die globale Erwärmung, das Kohlendioxid, eben vor allen Dingen dort auch aufgenommen wird, und das führt zur Versauerung des Wassers und das ist noch mal ein zusätzlicher Stressfaktor für das Leben dort.
Ehring: Es gibt aber auch Folgen darüber hinaus für das Wetter selbst. Die Arktis ist ja eine Wetterküche für die Nordhalbkugel. Was hat das denn für Folgen beispielsweise auch für unsere Region?
Latif: Zunächst einmal muss man sagen, dass schmelzendes Eis dazu führt, dass die globale Erwärmung weiter angefacht wird. Wir sprechen von einer positiven Rückkopplung, das heißt einem verstärkenden Einfluss, und das hat dann eben auch unmittelbare Auswirkungen auf uns. Wir sehen es auch schon: Es wird nicht nur wärmer, sondern auch in unseren Breiten nehmen eben die Wetterextreme zu, wie beispielsweise heftige Gewitter, Starkniederschläge bis hin zu Tornados.
Ehring: Aber es hat ja in den letzten Jahren bei uns eher kalte Winter gegeben. Widerspricht das der ganzen Sache nicht?
Latif: Nein, das widerspricht der Sache überhaupt nicht, denn wir haben ja nicht nur den menschlichen Einfluss auf das Klima, sondern auch die natürlichen Klimaschwankungen, und die sind eben überlagert. Gerade in der Arktis ist der menschliche Einfluss besonders gut sichtbar. Das haben uns die Modelle auch schon seit Jahrzehnten gesagt. Wenn es eine Region gibt, wo der menschliche Einfluss als Erstes zu beobachten sein wird, dann wird es die Arktis sein, und genau das sehen wir jetzt auch. Die anderen Regionen werden sich langsamer entwickeln in Sachen globaler Klimawandel, und deswegen sehen wir es eben bei uns noch nicht so extrem deutlich wie in der Arktis.
Ehring: Es hat immer wieder Spekulationen gegeben, dass der Golfstrom abbrechen oder sich abschwächen könnte. Wie sehen da die neuesten Erkenntnisse aus im Hinblick auch auf das Abschmelzen des Eises?
Latif: Ja die Modelle sagen nach wie vor voraus, dass der Golfstrom schwächer werden wird in Folge einer zunehmenden globalen Erwärmung, eben auch in Folge der Eisschmelze. Wir gehen davon aus, bis zum Ende des Jahrhunderts etwa 25 bis 30 Prozent. Im Moment, wenn wir die letzten Jahrzehnte betrachten, ist der Golfstrom aber noch relativ stabil. Insofern ist das eine langfristige Geschichte, die erst wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts dann relevant werden wird.
Ehring: Führt das dann wieder zu einer Abkühlung?
Latif: Das führt zu einer Abkühlung, aber nur sehr regional. Das wird oft missverständlich dargestellt. Das führt natürlich nicht dazu, dass wir beispielsweise in eine Eiszeit fallen, sondern es lindert etwas die Erwärmung. Wir werden an den Küsten Deutschlands dann vielleicht ein Grad weniger Erwärmung haben. Das heißt, beispielsweise angenommen, wir hätten eine Erwärmung von vier Grad, bei einem schwächer werdenden Golfstrom wären es dann "nur" drei Grad, aber das ist immer noch eine massive Erwärmung. Also Eiszeit infolge des Kollaps des Golf-Stroms, das gehört nach Hollywood.
Ehring: Bringt der Klimawandel denn auch mehr Wirbelstürme? Es bewegt sich ja derzeit ein Sturm auf New Orleans zu.
Latif: Ja das ist zurzeit noch ziemlich umstritten. Wir sehen tatsächlich in den letzten Jahrzehnten eine Häufung, aber das haben wir auch beispielsweise in den 50er-Jahren gesehen. Es gibt sehr starke natürliche Schwankungen. Wenn wir die Modelle befragen, dann sagen die uns, dass wir möglicherweise sogar eher mit weniger Wirbelstürmen zu rechnen haben. Aber wenn sich einer entwickelt, dann kann er sich umso stärker entwickeln wegen der höheren Wassertemperaturen. Das klingt zwar etwas widersprüchlich, aber das ist sozusagen der letzte Stand der Forschung.
Ehring: Mojib Latif, Klimaforscher beim IFM "Geomar" – herzlichen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Ehring: Das ist eine ganze Menge. Was sind denn die Folgen für die Region wie für die Arktis selbst?
Latif: Es gibt im Wesentlichen zwei Dinge, die wir beachten müssen. Zum einen haben wir ja die Erwärmung, das Schmelzen des Eises. Das führt dazu, dass ein ganzes Ökosystem bedroht ist. Normalerweise wird ja "nur" über den Eisbär berichtet, aber dort gibt es eben auch kleinere Lebewesen und die stehen am Anfang der Nahrungskette, und insofern wird das auch langfristig irgendwo für die Welternährung wichtig werden, wenn das arktische Eis immer weiter zurückweicht. Und das Leben in der Arktis ist auch deswegen betroffen, weil die Ursache für die globale Erwärmung, das Kohlendioxid, eben vor allen Dingen dort auch aufgenommen wird, und das führt zur Versauerung des Wassers und das ist noch mal ein zusätzlicher Stressfaktor für das Leben dort.
Ehring: Es gibt aber auch Folgen darüber hinaus für das Wetter selbst. Die Arktis ist ja eine Wetterküche für die Nordhalbkugel. Was hat das denn für Folgen beispielsweise auch für unsere Region?
Latif: Zunächst einmal muss man sagen, dass schmelzendes Eis dazu führt, dass die globale Erwärmung weiter angefacht wird. Wir sprechen von einer positiven Rückkopplung, das heißt einem verstärkenden Einfluss, und das hat dann eben auch unmittelbare Auswirkungen auf uns. Wir sehen es auch schon: Es wird nicht nur wärmer, sondern auch in unseren Breiten nehmen eben die Wetterextreme zu, wie beispielsweise heftige Gewitter, Starkniederschläge bis hin zu Tornados.
Ehring: Aber es hat ja in den letzten Jahren bei uns eher kalte Winter gegeben. Widerspricht das der ganzen Sache nicht?
Latif: Nein, das widerspricht der Sache überhaupt nicht, denn wir haben ja nicht nur den menschlichen Einfluss auf das Klima, sondern auch die natürlichen Klimaschwankungen, und die sind eben überlagert. Gerade in der Arktis ist der menschliche Einfluss besonders gut sichtbar. Das haben uns die Modelle auch schon seit Jahrzehnten gesagt. Wenn es eine Region gibt, wo der menschliche Einfluss als Erstes zu beobachten sein wird, dann wird es die Arktis sein, und genau das sehen wir jetzt auch. Die anderen Regionen werden sich langsamer entwickeln in Sachen globaler Klimawandel, und deswegen sehen wir es eben bei uns noch nicht so extrem deutlich wie in der Arktis.
Ehring: Es hat immer wieder Spekulationen gegeben, dass der Golfstrom abbrechen oder sich abschwächen könnte. Wie sehen da die neuesten Erkenntnisse aus im Hinblick auch auf das Abschmelzen des Eises?
Latif: Ja die Modelle sagen nach wie vor voraus, dass der Golfstrom schwächer werden wird in Folge einer zunehmenden globalen Erwärmung, eben auch in Folge der Eisschmelze. Wir gehen davon aus, bis zum Ende des Jahrhunderts etwa 25 bis 30 Prozent. Im Moment, wenn wir die letzten Jahrzehnte betrachten, ist der Golfstrom aber noch relativ stabil. Insofern ist das eine langfristige Geschichte, die erst wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts dann relevant werden wird.
Ehring: Führt das dann wieder zu einer Abkühlung?
Latif: Das führt zu einer Abkühlung, aber nur sehr regional. Das wird oft missverständlich dargestellt. Das führt natürlich nicht dazu, dass wir beispielsweise in eine Eiszeit fallen, sondern es lindert etwas die Erwärmung. Wir werden an den Küsten Deutschlands dann vielleicht ein Grad weniger Erwärmung haben. Das heißt, beispielsweise angenommen, wir hätten eine Erwärmung von vier Grad, bei einem schwächer werdenden Golfstrom wären es dann "nur" drei Grad, aber das ist immer noch eine massive Erwärmung. Also Eiszeit infolge des Kollaps des Golf-Stroms, das gehört nach Hollywood.
Ehring: Bringt der Klimawandel denn auch mehr Wirbelstürme? Es bewegt sich ja derzeit ein Sturm auf New Orleans zu.
Latif: Ja das ist zurzeit noch ziemlich umstritten. Wir sehen tatsächlich in den letzten Jahrzehnten eine Häufung, aber das haben wir auch beispielsweise in den 50er-Jahren gesehen. Es gibt sehr starke natürliche Schwankungen. Wenn wir die Modelle befragen, dann sagen die uns, dass wir möglicherweise sogar eher mit weniger Wirbelstürmen zu rechnen haben. Aber wenn sich einer entwickelt, dann kann er sich umso stärker entwickeln wegen der höheren Wassertemperaturen. Das klingt zwar etwas widersprüchlich, aber das ist sozusagen der letzte Stand der Forschung.
Ehring: Mojib Latif, Klimaforscher beim IFM "Geomar" – herzlichen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.