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Laufen, ohne zu schnaufen

Biomechanik.- Wer sich bewegen will, muss auch kräftig atmen, also Sauerstoff aufnehmen, um damit Nährstoffe zu verbrennen und Energie zu gewinnen. Atmung ist lebensnotwendig für das Leben des Menschen und aller Tiere. Da verwundert es, dass es noch nie einen internationalen Kongress zur Biologie der Atmung gegeben hat. Das hat sich jetzt geändert. Auf Einladung von Bonner Zoologen sind Atmungsforscher aus aller Welt zum ersten Kongress für Atmungsforscher nach Bad Honnef gekommen.

Von Michael Lange |
    Laufen, ohne zu schnaufen. Für Menschen ist das gar nicht so leicht. Sobald unsere Muskeln mehr arbeiten müssen, brauchen sie auch mehr Sauerstoff. Damit keine Sauerstoff-Schuld entsteht, schnappen wir nach Luft. Auch andere Säugetiere machen das.

    Aber es gibt auch ganz andere Atmungskonzepte in der Tierwelt. Laufen, ohne zu schnaufen, ist da ganz normal, erklärt Steven Perry, Zoologie-Professor an der Universität Bonn:

    " Die Insekten haben zum Beispiel ihr Tracheensystem. Das liefert Sauerstoff direkt an die Verbraucherzellen, ohne dass er durch ein Kreislaufsystem laufen muss. In den Tracheen bewegt sich die Luft normalerweise nur durch Diffusion. Das heißt: Sauerstoff diffundiert in das Gewebe hinein, und dort wird er verbraucht. "

    Eine Fliege, die schnell fliegt, braucht auch mehr Sauerstoff. Aber den erhält sie quasi von selbst durch den Luftzug. Erst größere Tiere brauchen zusätzlich Körperflüssigkeiten, um den Sauerstoff überall hin zu transportieren. Im Institut für Zoologie der Universität Bonn erforscht Steven Perry vor allem die Atmung der Spinnentiere:

    " Die meisten Spinnen, die wir kennen haben zwei Atmungssysteme. Die so genannten Buchlungen, die umgewandelte Kiemen sind, und die Tracheen. Die Tracheen sehen im Aufbau aus wie Insektentracheen. Aber sie enden in der Hämolymphe und geben ihren Sauerstoff an die Hämolymphe ab. "

    Hämolymphe ist eine blutähnliche Flüssigkeit. Sie bringt den Sauerstoff überall hin, wo er gebraucht wird, benötigt aber kein ausgefeiltes Kreislaufsystem. Durch die Kombination zweier Systeme verbessern Spinnen und Krebstiere ihre Sauerstoffversorgung, und sie können deshalb deutlich größer werden als Insekten.

    Groß und schnell zu sein. Das ist im Tierreich ein erstrebenswertes Ziel. Die Vögel erreichen das mit Lunge und Kreislaufsystem, ähnlich wie Säugetiere. Trotzdem: Auch bei stundenlanger Höchstbelastung, schnappen Vögel nicht nach Luft. Gepumpt wird im Innern. Schön gleichmäßig. Perry erklärt:

    " Das funktioniert praktisch so, dass Luftsäcke für die Luftbewegung zuständig sind, und die bewegen die Luft durch die Lungen. Das heißt, die Luft bewegt sich in eine Richtung durch den Hauptteil der Lunge. Egal ob beim Ein- oder Ausatmen, die Luft bewegt sich ohne Richtungswechsel durch schlauchartige Strukturen, und da findet der Gasaustausch statt. Das ist enorm effizient. Die können etwa das Doppelte aus der Atmungsluft holen als wir. "

    Gemeinsam mit Zoologen aus Großbritannien untersucht Steven Perry zur Zeit das Atmungssystem der großen Dinosaurier. Ihre Lungen sind zwar nicht erhalten, aber aus dem Skelett, insbesondere aus dem Aufbau der Rippen, lassen sich viele Rückschlüsse ziehen.

    Die Dinosaurier brauchten sehr viel Luft, um ihre wuchtigen Körper zu bewegen. Inzwischen haben die Zoologen eine erste Vorstellung, wie sie das gemacht haben könnten.

    " Wir sind der Meinung, dass diese ganz großen Dinosaurier Lungen hatten, die den Vogellungen ähnlich waren. Wahrscheinlich nutzten sie die gleichen Prinzipien, dass sie sackartige Teile hatten, und dann diese Flow-through-, Durchfluss-Systeme, wo die Luft durch die Lunge hindurch bewegt wird, und nicht hinein und wieder heraus, wie es bei uns ist. "

    Dank Durchfluss-System mussten auch die Dinosaurier nicht nach Luft schnappen - egal wie schwer sie waren und wie schnell sie laufen mussten.