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Laura Garavini
Renzis Parteifreundin nennt Rücktrittsankündigung "Akt der Ehrlichkeit"

Nach dem Verfassungsreferendum in Italien hat Regierungschef Matteo Renzi seinen Rücktritt angekündigt. Die sozialdemokratische italienische Abgeordnete Laura Garavini nannte das Votum der Bürger im DLF eine "bittere Niederlage". Renzi habe allerdings mit der geplanten Reform keinen Fehler gemacht.

Laura Garavini im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 05.12.2016
    Die deutsch-italienische Politikerin Laura Garavini
    Die deutsch-italienische Politikerin Laura Garavini (picture alliance / dpa / Frederik von Erichsen)
    Bei der Abstimmung sei es weniger um Inhalte gegangen, sondern mehr um Opposition, betonte Garavini. Die anderen Parteien hätten versucht, der "Regierung in Rom ein Bein zu stellen". Die Populisten fühlten sich nun gestärkt, "werden politisch Auftrieb bekommen", warnte Garavini.
    Ziel der Verfassungsreform sei es gewesen, Italien von Bürokratie zu entlasten und ewas "europäischer zu machen". Renzis angekündigten Rücktritt nannte Garavini einen "Akt der Ehrlichkeit": Wenn man keine Zustimmung von der Bevölkerung erhalte, sei der Schritt nachvollziehbar. Der Regierungschef habe mit der Reform keinen Fehler gemacht. Vielmehr sei der sein Schritt Ausdruck einer Debatte, die seit 30 Jahren geführt werde.

    Das Interview in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: War das also eine Klatsche für Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi – das Referendum über die italienische Verfassung, das er da gestern verloren hat. Noch in der Nacht hat er ja seinen Rücktritt angekündigt, und er wird deshalb heute im Lauf des Tages beim italienischen Präsidenten erwartet. Eine Niederlage für Renzi und ein Sieg für die Europaskeptiker. Drohen da jetzt wieder einmal unsichere Zeiten in Italien? Darüber wollen wir jetzt sprechen mit der deutsch-italienischen Politikerin Laura Garavini von der Demokratischen Partei, also von der Partei von Matteo Renzi. Sie ist Abgeordnete im italienischen Parlament. Schönen guten Morgen nach Rom!
    Laura Garavini: Schönen guten Morgen!
    Armbrüster: Frau Garavini, hat Ihr Parteifreund Matteo Renzi da einen Fehler gemacht, hat er sich verkalkuliert?
    Garavini: Die Niederlage ist bitter, und die Höhe der Niederlage ist noch bitterer. Fehler – es ist klar, bei so einem Ergebnis fragt man nach Fehlern. Tatsache ist, dass das nicht die Reform von Renzi war, auch nicht die Reform dieser Regierung war. Es war das Ergebnis der demokratischen Debatte, der politischen Debatte der letzten 30 Jahre in Italien. Es war eine Reform, die uns ermöglicht hätte, genau zu erreichen, was wir seit 30 Jahren verlangen wollten, und zwar, dass wir ein effizienteres, ein moderneres, ein besser zu regierendes Land gehabt hätten. Die Tatsache, dass wir das nicht hingekriegt haben, ist natürlich sehr traurig.
    Rücktritt Renzis war "ein Akt der Ehrlichkeit"
    Armbrüster: Wenn es nun nicht sein Referendum, wenn es nicht seine Entscheidung, sein Wille war, warum hat er dann sein politisches Schicksal so sehr an dieses Referendum geknüpft, der Herr Renzi?
    Garavini: Es war ein Akt der Ehrlichkeit. Wenn es die wichtigste Reform des Landes schafft, wenn man aufgrund der Verfassung gezwungen ist, ein Referendum ins Leben zu rufen, weil das ist von der Verfassung vorgesehen, wenn man dann bei der Bevölkerung keine Zustimmung bekommt, dann ist es einfach ehrlich, politisch ehrlich, auch zu sagen, es kann nicht so weiterlaufen wie vorher. Es ist einfach ein Akt der politischen Ehrlichkeit.
    Armbrüster: Nun hat Herr Renzi allerdings schon drei Jahre lang als Ministerpräsident in Italien hinter sich. Das ist für italienische Verhältnisse eine halbe Ewigkeit, eine durchaus sehr lange Zeit. Er hat in dieser Zeit auch einige Reformen selbst angestoßen und durchs Parlament gebracht. Deshalb muss man natürlich an diesem Montagmorgen die Frage stellen, hätte er nicht einfach so, ich sag mal, erfolgreich wie bisher weiter regieren können, auch ohne eine geänderte Verfassung?
    Garavini: Wenn er das Referendum nicht ausgerufen hätte, hätte die Opposition ihn gezwungen, es zu machen. Und wir finden, es ist schon wichtig, dass das Volk das letzte Wort hat, gerade weil die Verfassung es vorsieht. Wir wussten von Anfang an, dass es sehr schwierig ist, ein verdammt schwieriges Referendum, und praktisch alle Parteien außer der Demokratischen Partei waren gegen diese Reform, und, muss man leider auch sagen, Teile der Demokratischen Partei selbst. Also es ging weniger um die Inhalte der Reform um Opposition, auch innerparteiliche Opposition gegen Renzi. Und das erklärt vielleicht auch die Dimension der Niederlage.
    "Populisten werden politisch Auftrieb bekommen"
    Armbrüster: Und haben Sie da jetzt, hat Ihre Partei ja jetzt den Anti-EU-Populisten, den Feinden der EU, einen Sieg beschert?
    Garavini: Also leider ist es so, die Populisten fühlen sich heute natürlich aufgrund des Ergebnisses gestärkt. Sie werden auch politisch Auftrieb bekommen. Tatsache ist, dass wir einen kühlen Kopf wahren müssen. Wir müssen auf diese Situation reagieren. Es ist natürlich eine schwierige Situation, es ist nicht schön, aber wir sollten es jetzt auch nicht dramatisieren. Gerade der Staatspräsident, Sergio Mattarella, wird alles unternehmen, damit Italien jetzt nicht auf eine schlechte Bahn kommt. Wir müssen einfach mit einem kühlen Kopf die richtigen Entscheidungen treffen.
    Armbrüster: Frau Garavini, wenn Sie es jetzt auch so deutlich sagen, es ist eine Niederlage für Herrn Renzi, ein Sieg für die Populisten. Die können sich heute in ihrem Erfolg sonnen. Muss man da nicht ehrlich auch sagen, dieses Referendum war ein Fehler, hätte man so nicht machen sollen, anstelle Ihrer Partei, anstelle von Matteo Renzi?
    Garavini: Die Verfassung sieht vor, dass man ein Referendum machen muss, und die Tatsache, dass man es machen musste, ist eben keine Selbstentscheidung, kein Wille, kein Akt der Hybris, wie man auch in den letzten Tagen gelesen hat. Es ist einfach eine Tatsache. Klar – wir hätten uns gewünscht, dass wir in der Lage sind, Italien so zu verändern. Übrigens in die Richtung einer völlig normalen Demokratie, wie beispielsweise Deutschland sein könnte. Das heißt, auch weg von der bürokratischen Art und Weise, die seit Jahrzehnten von allen Parteien erkannt wurde, sind überflüssig, sind einfach nicht optimal, um ein modernes Land zu regieren. Das Ziel war, Italien zu einem europäischeren Land zu machen, einem unbürokratischen Land zu machen.
    "Es ist schick, dagegen zu sein"
    Armbrüster: Frau Garavini, wenn das alles so sinnvoll ist, wie Sie beschreiben – ich will Ihnen das gar nicht absprechen –, warum ist es Ihnen das nicht gelungen, bei den italienischen Wählern rüberzubringen?
    Garavini: Weil leider "in" ist, denen da oben es zu zeigen. Weil es schick ist, dagegen zu sein. Und die unterschiedlichen, also insbesondere die populistischen, einfach die Reform ausgenutzt haben, um der Regierung ein Bein zu stellen, um Renzi zu stürzen. Das ist ihnen leider gelungen, aber das ist keine Ausrede, um zu sagen, das hätten sie nicht machen müssen. Das wird eben von der Verfassung selbst vorgesehen.
    Armbrüster: Wenn die italienische Verfassung jetzt nicht geändert wird, wie groß ist dann der Schaden für Ihr Land, der Schaden für Italien?
    Garavini: Es ist kein schöner Tag, muss man schon sagen, für all diejenigen, die sich eben gewünscht hätten, dass Italien es endlich mal hinkriegte. Es ist einfach eine große Chance verpasst worden. Auf der anderen Seite haben wir natürlich schon in den letzten drei Jahren bewiesen, dass es auch mit der jetzigen Verfassung natürlich möglich ist. Das heißt, es wird weiterhin sehr schwierig, sehr mühsam. Man muss auch sagen, die Auseinandersetzung über die politische Zukunft Italiens endet nicht heute. Das heißt, es geht weiter, es geht bei den nächsten Wahlen weiter, und da werden wir schon alles Mögliche unternehmen, dass das Land nicht in die Hände von Populisten fällt.
    Armbrüster: Was wollen Sie da unternehmen?
    Garavini: Ja, wir wollen den Menschen klar machen, dass eben die Zukunft Italiens wichtig ist, und wir wollen einfach zeigen, dass Italien weiterhin ein Teil der Lösung bleiben will, gerade in Europa, und nicht ein Teil des Problems werden muss. Und wir werden einfach zeigen, dass die Reformen, die wir in Gang gesetzt haben, genau die richtigen sind. Wir wollen zeigen..., anscheinend ist Verfassungsreform nicht das Thema. Wir wussten von Anfang an, es ist ein sehr schwieriges Thema, es ist etwas, was nicht die Herzen der Menschen erwärmt, sondern es ist was Technisches.
    Armbrüster: Frau Garavini, wir müssen hier leider – die Kollegen in den Nachrichten werden langsam nervös, wir müssen hier zu einem Ende kommen. Das war die deutsch-italienische Politikerin Laura Garavini, Parteifreundin von Matteo Renzi. Vielen Dank für Ihre Zeit heute!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.