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Laura Mvula
Ein Sound namens Gospedelia

Zu den großen Vorbildern von Laura Mvula gehören Nina Simone und Miles Davis. Mit opulenten Orchester-Arrangements und elektronischen Beats hat die 30-Jährige aber längst eine eigene Musiksprache entwickelt. Das aktuelle, zweite Album war vor allem eines: anstrengend. Es kostete die junge Britin jede Menge Nerven - und den Ehemann.

Von Marcel Anders |
    Die britische Sängerin Laura Mvula
    Die britische Sängerin Laura Mvula bei einem Auftritt auf dem North Sea Jazz Festival in Ahoy im Juli 2015. (picture alliance / dpa/ Paul Bergen)
    "Sing To The Moon ist einfach so passiert - als ob es Bestimmung gewesen wäre. Ich musste nicht groß darüber nachdenken. Während ich bei The Dreaming Room über alles gegrübelt habe. Über jede Kleinigkeit. Was bedeutet, dass ich oft allein in der Ecke saß und mich gefragt habe, wie es weitergeht. Das Album war wahnsinnig harte Arbeit, und es ist ein Wunder, dass es überhaupt zustande kam. Ich habe keine Ahnung, wie ich das geschafft habe."
    Weshalb Laura Mvula ihr zweites Album "die größte Herausforderung ihres Lebens" nennt. Schließlich hatte sie nie vor, eine Musiker-Karriere einzuschlagen, hatte schon mit ihrem Debüt alles gesagt, und stand dann vor dem Problem: Worüber soll ich nun schreiben?
    Das Grübeln sorgte bei der 30jährigen für Panikattacken, Depressionen und eine gescheiterte Ehe. So hatte sie dann ihre Themen – wenn auch unfreiwillig -, die sie mit Orchester, Beats und Gesang aufarbeitete. So, wie es ihrem Klangverständnis, geprägt von Vorbildern wie Miles Davis und Nina Simone, entspricht.
    "Das ist meine Welt. Da, wo es für andere keinen Sinn zu machen scheint – aber für mich umso mehr. Ich versuche, mich auf einem Terrain zu bewegen, das noch nicht abgegrast ist. Denn das ist das Schöne und Mysteriöse - nämlich andere Musik zu machen, als allgemein üblich. Und es ist furchteinflößend, dass dieses Wissen heute immer mehr verloren geht. Fragt man einen ganz normalen jungen Menschen, was es bedeutet, Musik zu machen, antwortet er garantiert genau das, was man von ihm erwartet."
    Sie versteht nicht, wie Musik zum Wegwerfprodukt wurde
    Das riecht nach Kulturpessimismus. Und tatsächlich: Die Britin mit karibischen Wurzeln, Millimeter-Frisur und schrillem Make-up kann mit der Gegenwart nur wenig anfangen. Sie versteht nicht, wie Musik zum Wegwerfprodukt verkommen konnte, warum nichts mehr mit Klasse und Können zu tun hat, aber umso mehr mit Selbstinszenierung und blanker Haut.
    Das exakte Gegenteil von dem, wofür sie steht. Denn Laura Mvula hat im Kirchenchor gesungen, spielt mehrere Instrumente, hat Komposition studiert, selbst unterrichtet und fühlt sich wie im falschen Film.
    "Ich hasse es, dass wir Kinder auf die Welt bringen, die sich dann Programme wie 'The X Factor' anschauen und glauben, das wäre alles, was einen kreativen Musiker ausmacht. Ich weiß aus eigener Erfahrung im Unterricht mit Kindern, dass es wirklich so ist. Fragt man sie zum Beispiel: Was sind eure Hoffnungen, Träume und Ziele, wenn es um Musik geht? Dann antworten die meisten Teenager: Ich will Rihanna sein. Ich Beyoncé, ich Jay-Z. Das ist die heutige Kultur."
    Der sie etwas Echtes und Nachhaltiges entgegenstellen will. Zwar arbeitet auch Laura Mvula am Computer und verwendet elektronische Beats, doch der Kern ihres Schaffens ist analog. Wie ihre Stimme, die das Kratzige einer Nina Simone aufweist, die sie als eigenständiges Instrument nutzt und zum Dreh- und Angelpunkt eines Sounds macht, den sie Gospedelia nennt. Der etwas Sakrales, etwas Altmodisches, aber gleichermaßen Modernes hat und auf Klavier, Keyboards, Gitarre, das Londoner Sinfonie-Orchester setzt. Genau wie auf einen Gastauftritt von Chic-Mastermind Nile Rodgers, der an "Overcome" mitwirkt.
    "Musiker erzählen unglaublichen Quatsch"
    "Ich habe ihn auf dem roten Teppich bei einer Veranstaltung getroffen, aber mir nichts weiter davon erhofft. Denn wenn ich etwas über Musiker gelernt habe, dann dass sie unglaublichen Quatsch erzählen. Ich will ihnen nicht unterstellen, unehrlich zu sein. Es ist nur so, dass sie sich in solchen Momenten oft zu etwas hinreißen lassen, das sie gar nicht so meinen. Und Nile wollte unbedingt mit mir arbeiten. Er erklärte mir lang und breit, dass er nicht vorhabe, etwas Chic-mäßiges mit meinen Songs zu machen, sondern nur dafür zu sorgen, dass sie noch eigenständiger klingen. Eben: 'Am Ende des Tages ist es dein Album, Honey. Und es ist ein absoluter Killer.' Was ich für ein wunderbares Kompliment hielt."
    "Overcome" mit der typischen Handschrift des Chic-Gitarristen. Doch der Song funktioniert auch ohne Rodgers – wovon sich bereits Musikfans in England, Frankreich, Belgien, Russland und der Schweiz überzeugen konnten. Da hat Laura Mvula in den letzten Wochen gespielt – und kommt im Herbst auch nach Deutschland. Ein Land, das sie bislang sträflich ignoriert. Aber nicht länger ignorieren kann. Dafür ist sie als Künstlerin zu spannend, schreibt viel zu gute Songs und übertrifft ihr eigenes Debüt um Längen.