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Lautes Gemurmel der Dünen

Physik. - Schon der berühmte Weltreisende Marco Polo berichtete von einem überaus seltsamen Naturphänomen: Sanddünen in der Wüste geben gar merkwürdige Geräusche ab – sie können regelrecht singen. Lange Zeit galt dieser Gesang der Dünen als reine Legende, doch seit einiger Zeit ist klar, dass einige der gewaltigen Sandberge tatsächlich nahezu musikalische Qualitäten aufweisen. Nur: Warum das so ist, blieb bislang ein Rätsel. Französische Forscher warten nun – zumindest ansatzweise – mit einer Erklärung auf.

    Von Frank Grotelüschen

    Es ist ein sehr überraschendes Geräusch - ziemlich laut, etwa 100 Dezibel, fast so laut wie ein Presslufthammer. Es ist ein sehr tiefer Ton so bei 100 Hertz, und er kann bis zu fünf Minuten lang sein. Manchmal ist das Geräusch ziemlich rau wie das eines vorbeifliegenden Flugzeuges. Aber es kann auch ein ziemlich reiner Ton sein, fast wie ein Musikinstrument.

    Stephane Douady arbeitet am Labor für physikalische Statistik in Paris, einem Institut der französischen Forschungsagentur CNRS. Als Physiker interessiert sich Douady schon länger für Dünen, und da stieß er quasi zwangsläufig auf das Phänomen der singenden Sandberge. Nur: Wie der ominöse Dünensound zustande kommt, das war für Douady einfach nicht zu verstehen.

    Ein Musikinstrument besitzt einen Resonanzkörper, und dieser Resonanzkörper sorgt dafür, dass bestimmte Töne verstärkt werden, sagt Douady. Dünen aber besitzen keinerlei Resonanzkörper. Der Prozess, wie sie den Klang erzeugen, ist also wirklich einzigartig. Und wir versuchen diesen physikalischen Vorgang zu verstehen.

    Etwa 20 dieser singenden Dünen kennen die Experten auf der Welt. Zu seinem Glück entdeckte Douady in der Wüste Südmarokkos welche, die fast das ganze Jahr lang singen können. Der Forscher nahm ihren Sound auf Tonband auf und versuchte zudem, das Geschehen in Laborversuchen zu simulieren. Schließlich stieß er auf einen Erklärungsversuch.

    Das Geräusch entsteht, wenn auf der Rückseite der Düne eine Sandlawine niedergeht. Mit der Vorderseite ist die Düne dem Wind ausgesetzt, und der Wind bläst laufend Sandkörner auf den Kamm der Düne. Dadurch sammeln sich auf dem Kamm immer mehr Sandkörner an, bis sie schließlich zuviel werden und als Lawine auf der Rückseite niedergehen. Und in einigen Fällen entsteht dabei ein überaus lautes Geräusch.

    Der Ton wird ausschließlich von der sich bewegenden Sandschicht verursacht, so glaubt der Franzose. Diese Schicht ist 10 Zentimeter dick und besteht aus etwa 500 einzelnen Lagen. Im Detail geschieht dabei folgendes: Rollen zwei Sandkörner aus zwei verschiedenen Lagen übereinander, so bringen sie die Luft um sie herum zum Schwingen – ein Ton entsteht. Da sich nun anscheinend die Sandkörnchen aus allen 500 Lagen synchron bewegen, summieren sich all die Einzeltöne und bringen dadurch den überaus voluminösen Klang hervor. So weit, so gut – doch eine entscheidende Frage bleibt offen. Denn warum und auf welche Art und Weise die Sandkörner ihre Bewegungen synchronisieren, das hat Dünenforscher Douady bislang noch nicht herausgefunden.

    Wir sind noch ganz am Anfang, die Sache wirklich zu verstehen, so Douady. Bislang reicht unser Verständnis noch nicht mal dazu, den Prozess im Computer simulieren zu können.