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Lawrence F. Kaplan/William Kristol: War over Iraq – Saddam’s Tyranny and America’s Mission

Über den Sinn oder Unsinn der Irak-Kriegs sind amerikanische Intellektuelle an den Universitäten oder den Washingtoner Think tanks tief zerstritten. Der Streit geht quer durch die Lager. Lediglich die sogenannten Neo-Konservativen setzen sich energisch und mit großem Nachruck für die Außenpolitik des amerikanischen Präsidenten ein. So auch die beiden Kriegsbefürworter Lawrence Kaplan und William Kristol in ihrem Buch "War over Iraq". Das Buch ist ein Versuch, Bushs Politik zu verteidigen, argumentativ abzusichern und den Nachweis für die Notwendigkeit eines "Regimewechsels" in Bagdad zu führen.

Thomas Spang | 07.04.2003
    Unter all den Neuerscheinungen auf dem amerikanischen Büchermarkt über den Irak-Krieg ragt der Titel "The War Over Iraq" von Lawrence F. Kaplan und William Kristol heraus. Nicht wegen seiner analytischen Schärfe, sondern wegen des Einblicks, den das Buch in das Denken der Bush-Administration vermittelt. Die beiden Autoren sind führende Stimmen im einflussreichen Chor der Neokonservativen, deren Ideen spätestens seit dem 11. September wesentlichen Einfluss auf den Kurs der US-Regierung genommen haben.

    Der eine, Kaplan, schreibt in der New Republic, einer Wochenschrift, die Ansichten konservativer Demokraten wie Joe Lieberman reflektiert, der andere, Kristol, gibt die von Rubert Murdoch verlegte Hausschrift der Neocons, den "Weekly Standard" heraus. Zusammen mit Denkern wie Robert Kagan, Gary Schmitt oder Paul Wolfowitz bilden die Autoren gewissermaßen das intellektuelle Rückrat einer Politik, die in der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie selbstbewusst als "unterscheidbarer amerikanischer Internationalismus" bezeichnet wird.

    Auf den 147 Seiten legen sie eine Programmschrift vor, die sich eleganter liest als die Nationale Sicherheitsstrategie, aber dieselben Prämissen teilt. Kein Wunder, dass die Autoren das Dokument emphatisch feiern:

    Die Publikation dieses Dokuments hat eine neue Ära eingeleitet, einen Wechsel in der Wahrnehmung der Rolle Amerikas in der Welt, die nur verglichen werden kann mit den Anfängen der Eindämmungs-Doktrin vor einem halben Jahrhundert. Es überführt den Krieg von einer Polizeiaktion gegen die Täter vom 11. September in eine Kampagne, die darauf abzielt, Tyrannei zu entwurzeln und Demokratie zu exportieren. Gleichzeitig erklärt sie den amerikanischen Internationalismus zur offiziellen Politik der US-Regierung.

    Kaplan und Kristol räumen ein, dass der Irak eher zufällig an den Anfang dieser andauernden Kampagne gerückt sei, nun aber zum Testfall für die Entschlossenheit der Administration werde. Außerdem zeige sich am Zweistromland in gravierender Deutlichkeit das Scheitern früherer außenpolitischer Ansätze. Ins Visier der Kritik geraten sowohl der als "engstirnige Realpolitik" denunzierte Pragmatismus traditioneller Konservativer, wie dem Vater des gegenwärtigen Präsidenten oder Henry Kissinger, wie auch der angeblich von multilateralem Wunschdenken verblendete Liberalismus von Demokraten wie Clinton und Carter. Die Neokonservativen sehen sich eher in der Tradition Teddy Roosevelts und Woodrow Wilsons.

    Was heißt unterscheidbar amerikanischer Internationalismus? Zunächst einmal eine Konsequenz aus der amerikanischen Auserwähltheit, dem Glauben in den einzigartigen Wert des amerikanischen politischen Systems. Es liefert den USA ein Modell für die Welt, wenn es in den außenpolitischen Bereich übertragen wird. Es ist ein Vorbild, weil es auf das universale Ideal von Freiheit baut, statt auf Blut-und-Boden-Nationalismus.

    Für amerikanische Leser ruht in diesem Argument etwas Verführerisches. Es verspricht ihnen umso mehr Sicherheit vor Terrorismus und Unfrieden, je mehr die Welt nach dem Bild der USA gebaut ist. Ergo ist der Kampf gegen Saddam Hussein und andere Diktatoren nicht nur ein unvermeidbares Übel, sondern eine moralische Notwendigkeit, die sich aus der historischen Mission Amerikas rechtfertigt. Es erlaubt, Präventivkriege zu führen gegen Staaten, die keine Demokratie kennen oder andere Demokratien bedrohen und macht den Regimewechsel zur vornehmsten Pflicht des Präsidenten. Die Vereinten Nationen sind willkommen, die USA auf diesem Weg zu begleiten. Keinesfalls dürfe sich eine US-Regierung aber durch multilaterale Organisationen aufhalten lassen.

    Es ist überaus merkwürdig die Vereinten Nationen als höhere moralische Autorität anzusehen, als die Vereinigten Staaten. Die UN sind am Ende doch nicht mehr als eine Ansammlung souveräner Staaten. Dabei macht die Organisation keinen Unterschied nach politischen Systemen. Eine Tyrannei ist genauso willkommen wie eine Demokratie.

    Wer Kaplan und Kristol in ihrer Argumentation folgt, findet sich plötzlich in der Falle eigenen Wunschdenkens wieder, das sich vielleicht am besten in der so genannten Domino-Theorie für den Nahen Osten widerspiegelt, die von den Autoren in höchsten Tönen angepriesen wird.

    Die Perspektive, die die 'erste arabische Demokratie’ … eröffnen könnte, ist fantastisch … Die Erfahrung einer liberalen Demokratie im Irak könnte den bereits vorhandenen Druck auf die Mullahs im Iran verstärken, ihre Gesellschaft zu öffnen. Im Süden wird das irakische Modell von den Theokraten in Saudi Arabien ängstlich beäugt … und ein demokratischer Irak könnte bereits liberalisierende Regime, wie die in Katar, Marokko und Jordanien, in ihrem Weg zur Demokratie bestärken.

    Und wenn es anders kommt? Wenn die Welt sich nicht in ein demokratisches Paradies nach dem Vorbild der USA verwandelt? Wenn stattdessen ein anti-westlicher Reflex ausgelöst wird? Wenn patriarchalische Gesellschaften nicht von sich aus auf bürgerliche Strukturen drängen? Wenn atomar bewaffnete Staaten, die wie Nordkorea oder China eine andere Ideologie vorziehen, liberale Demokratie verweigern? Auf all diese Fragen liefern Kaplan und Kristol eine Besorgnis erregende Antwort. Sie empfehlen im wörtlichen Sinn den andauernden Kampf für Demokratie als eine Art sinnstiftendes Projekt:

    Die Mission beginnt in Bagdad, aber endet nicht dort. Sollten sich die Vereinigten Staaten nach dem Sieg in Selbstgefälligkeit und Selbstbeschäftigung zurückziehen, wie nach dem letzten Krieg gegen Irak, werden bald neue Gefahren entstehen. Dies zu verhindern, wird ein Preis sein, auf den der Krieg in Irak nur die erste Anzahlung war.

    Der "unterscheidbar amerikanische Internationalismus" präsentiert sich in der Lesart von Kaplan und Kristol als ein gefährlicher Ansatz, der zwei weniger erfolgreiche Traditionen in der US-Geschichte synthetisiert: blauäugigen Idealismus verbunden mit militärischer Kraftmeierei. Wer immer noch glaubt, George W. Bush wandle auf den Spuren traditioneller Realpolitik, möge sich durch die Lektüre dieses Buchs eines besseren belehren lassen. Es vermittelt einen ehrlichen und unverbauten Einblick in die Vorstellungswelten der intellektuellen Lehrmeister des US-Präsidenten. Deshalb ist der Titel wichtig: "The war over Iraq – Saddams Tyranny and America’s Mission"

    Vorgestellt wurde das Buch von Lawrence Kaplan und William Kristol von Thomas Spang. Es ist erschienen bei Encounter Books in San Francisco, umfasst 153 Seiten und kostet 26 Euro.