Grauer Kurzhaarschnitt, runde Metallbrille – das Alter sieht man der hellwachen Achtzigjährigen nicht an. Im Pfarrhaus von Boppard-Hirzenach beugt sich die SOLWODI-Gründerin über ein Foto.
"Oh, da hat sich sehr viel bewegt. Und da bin ich ganz stolz. Ich bin jedes Jahr noch mal in Kenia. Es gibt in Kenia inzwischen 34 Beratungsstellen."
SOLWODI – neue Hoffnung für verschleppte Frauen und Mädchen in Kenia. Das Bild zeigt die junge Kenianerin Emily, die sich dank Ackermanns Organisation aus der Prostitution befreien und zur Schule gehen konnte.
"Ich mache eine Ausbildung zur Elektrikerin, und wenn ich die beendet habe, finde ich mit Gottes Hilfe und eigener Anstrengung eine Arbeit, um gut für mich zu sorgen und für die Leute, die mich unterstützt haben", erzählt Emily mit neuem Selbstvertrauen in einem Interview, aufgenommen für Ackermann Buch "In Freiheit leben, das war lange nur ein Traum".
Streetworkerin für Prostituierte in Mombasa
Mitte der achtziger Jahre war die Ordensschwester in Zivil auf den Straßen von Mombasa als Sozialarbeiterin unterwegs. Eigentlich sollte die promovierte Pädagogin und Theologin kenianische Lehrer fortbilden. Doch Lea Ackermann überzeugte ihre Oberin davon, dass ihre Hilfe woanders nötig sei: in der hoffnungslosen Welt versklavter Sex-Arbeiterinnen, darunter viele Minderjährige. Wie Emilys jüngere Schwester Maggie, der SOLWODI ein neues Leben ermöglichte.
Maggie: "Ich bin immer noch Fußballerin. Und ich besuche eine Schule für Catering und Hotelmanagement, die ich wohl im kommenden Jahr abschließen werde."
Ein Herz für Fußball
Fußball – ein Thema, das Schwester Lea zum Schwärmen bringt.
"Seit zehn Jahren werden jedes Jahr zwei unserer jungen Frauen aus Kenia vom deutschen Fußballbund Rheinland zu einem internationalen Fußballtrainer-Seminar geladen. Und dann bekommen diese jungen Frauen, die über SOLWODI schon eine Ausbildung bekommen haben, ein deutsches Diplom, dass sie Trainerinnen sind. Und dann gehen die zurück nach Kenia und trainieren unsere jungen Frauen und Kinder. Und so haben wir jetzt in Kenia 57 Fußballfrauen-Clubs. Das ist wunderbar!"
Als SOLWODI-Vorsitzende beschränkt sich Ackermann nicht darauf, Spenden zu mobilisieren, damit Schutzhäuser gebaut sowie Opfer von Zwangsprostitution beraten und bei Gerichtsverfahren begleitet werden können.
Kritik an Legalisierung von Prostitution
Sie prangert auch an. Dass Rot-Grün die Prostitution – sofern nicht erzwungen – legalisierte, hat ihrer Ansicht nur Zuhältern genutzt.
"Dass das weiter anwächst. Wir sind inzwischen – seit dem Gesetz von 2002 - das Bordell Europas, hier konnten die Bordellbetreiber in den Wellnessbereich gehen und sich an ganz neue Gruppen von Kunden wenden."
Die Zwangsprostitution aber wurde nicht eingedämmt – im Gegenteil: Nach Schätzungen arbeiten nur 15 % der bis zu 400.000 Prostituierten in Deutschland freiwillig - "schein-freiwillig" nennt Lea Ackermann es lieber. Politiker, die der SOLWODI-Gründerin zu ihrem 80. Geburtstag gratulieren, müssen damit rechnen, dass sie sich nicht einfach bedankt, sondern nachbohrt: Wann verbietet Deutschland den Sex-Kauf?
Prostitution verbieten – als Schlag gegen die Zwangsprostitution
Skandinavien, Kanada und Frankreich seien vorbildlich darin, den Frauen mit einem generellen Prostitutionsverbot die Würde wiederzugeben. Dass Amnesty International für die weltweite Legalisierung wirbt, empört die katholische Menschenrechtlerin. Das Verfügbar-Machen des weiblichen Körpers für den sexuellen Gebrauch von Männern – ein normales Geschäft?
"Das ist ungeheuerlich! Das ist ungeheuerlich: Eine Menschenrechts-Organisation sieht die Menschrechtsverletzungen an Frauen überhaupt nicht, das kann ich nicht verstehen."
Vom Bücherstoß auf dem Tisch des geräumigen Wohn-Arbeitszimmers im alten Hirzenacher Pfarrhaus nimmt Lea-Ackermann ein Werk nach dem anderen und signiert es. Ihre neue Biografie, pünktlich zum Achtzigsten. Titel: "Der Kampf geht weiter – damit Frauen in Würde leben können".