Archiv


Learning By Doing

Die Fachvokabeln muss jeder ganz alleine pauken: Artikel lesen und dabei immer schön im Wörterbuch nachschlagen. Bis es irgendwann sitzt. Alles andere, wie Redewendungen und Präsentationsfloskeln, lernen Studierende, die nicht im Ausland waren, gerne in extra Kursen. In Kursen, die die Sprachzentren der Universitäten fächerübergreifend anbieten.

Von Jens P. Rosbach |
    Let's read the text!

    Ein Kurs an der Technischen Universität Berlin - speziell für Assistenten und Doktoranden. Denn auch Wissenschaftler müssen ihr Englisch aufpolieren, um Seminare für Bachelor- und Master-Studierende leiten zu können. Professoren lassen sich hier allerdings nicht blicken, klagt Sprachlehrer Richard Holmes - ein gebürtiger Brite:

    Bei den Professoren gibt's ein Problem der Hierarchie der Universität. Die genieren sich öfters. Die verstecken sich. In einer Umgebung, wo man irgendwas können soll, wenn man das nicht kann, ist das ein Makel. Und einen Makel gibt man ungern zu.

    Hans Hartl ist Chemie-Professor an der Freien Universität Berlin. Im Gegensatz zu jüngeren Dozenten muss sich der 63-Jährige ganz schön abrackern:

    Mein Schulenglisch war nicht sehr gut. Ich 1946 bin eingeschult worden. Wir hatten keine sehr guten Englisch-Lehrer, und damals gab es für die Englisch-Lehrer nicht die Möglichkeit für Auslandsaufenthalte während des Krieges und auch kurz danach. Das alles, was man an Englisch dann brauchte, musste man sich selbst dann anlernen durch Learning by doing.

    Hartl lehrt unter anderem im deutsch-englischen Studiengang "Master in Polymer Science". Beginnt eine Lehrveranstaltung, fragt der Wissenschaftler immer, welche Sprache die Hörer bevorzugen - und ist ganz froh, wenn sie dann antworten: "Deutsch". Wenn nicht, wird improvisiert. Muss der Professor auf englischschreiben, holt er sich Hilfe.

    Zum Beispiel bei Publikationen. Ich habe einen Mitarbeiter, der acht Jahre in den USA gelebt hat oder meine Tochter, die als Austauschschülerin in den USA war, jetzt als Postdoc, und auch andere Kollegen, dass man denen seine Arbeit mal zum Korrekturlesen gibt.

    80 Prozent der Publikationen, berichten Forscher verschiedener Disziplinen, erscheinen mittlerweile auf Englisch. Selbst deutsche Fachzeitschriften veröffentlichen häufig in der Fremdsprache, um international anzukommen.

    Eine Gefahr sehe ich, dass unsere Sprache - die deutsche Wissenschaftssprache - langsam verloren geht. Man merkt es an Vorträgen, dass das eine Mischung aus Deutsch und Englisch ist. Kürzlich gab es einen Vortrag von einem jungen Wissenschaftler, der dann geendet hat Das ist eine Challenge für die Zukunft. Statt dass er sagt: Das ist eine Herausforderung für die Zukunft. Dieser Missbrauch der deutschen Sprache, der tut mir schon weh.

    Besonders krass: Selbst bei den Germanisten verschwindet immer mehr das Deutsch. Viele Literatur-Professoren, wie Edith Wenzel aus Aachen, sind deprimiert.

    Ich bin ja häufiger in den USA auf Vortragsreisen, und meine Vorträge behandeln mittelalterliche deutsche Literatur, also mittelhochdeutsche Literatur. Mittlerweile ist es so, dass man von mir selbstverständlich erwartet, dass ich auf Englisch vortrage und auch erwartet, dass ich die mittelhochdeutschen Zitate nicht mehr auf mittelhochdeutsch präsentiere, sondern gleich in einer englischen Übersetzung. Und da werde ich dann immer ganz bockig. Denn ich finde, man sollte zunächst den Klang hören, erst dann bin ich bereit, das auch auf Englisch zu übersetzen.

    Bilanz: Ob man nun Englisch mag der nicht - ohne Englisch läuft nichts mehr an den Hochschulen. So die Erfahrungen des Sprachlehrers Richard Holmes.

    Man kommt nicht durch, wenn man kein Englisch kann, das ist einfach so.