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Leben auf verseuchtem Boden

Kupfer ist ein hellrotes Metall, das eine sehr gute elektrische und Wärmeleitfähigkeit besitzt und deshalb ist die Nachfrage nach diesem Rohstoff groß. Der Abbau allerdings ist oft alles andere als umweltfreundlich. Vor allem in den Schwellenländern wird dabei kaum Rücksicht auf die Natur genommen. Hier geht es einzig und allein um die Gewinnung von Kupfer als Einnahmequelle. Nach den USA ist Chile der zweitgrößte Kupferproduzent der Welt und in diesem südamerikanischen Land liegt auch die weltweit größte offene Kupfermine. Wie groß dort das Ausmaß der Umweltverschmutzung ist und wie die Betreibergesellschaft mit diesem Problem umgeht, das erfuhr Gabi Weber bei einem Besuch der Mine:

Von Gabi Weber | 13.02.2001
    Ausschnitt aus einem Werbefilm: Chuquicamata ist die größte offene Kupfermine der Welt. Mitten in der chilenischen Atakamawüste produziert sie im Tagebau auf einer Höhe von 2.800 Metern 600.000 Tonnen hochwertiges Kupfer jährlich

    Die staatliche Minengesellschaft Codelco hält mehr als zwanzig Prozent der weltweiten Vorkommen des "roten Goldes", wie das Metall genannt wird. Jedes Jahr fließen erhebliche Beträge in die Staatskasse.

    Besucher sind gerne gesehen, man zeigt ihnen, was man zeigen will, die schönen Seiten, die Giesserei mit dem flüssigen Metall und die wirtschaftlichen Erfolge, Produktion, Statistik, Exporte und Gewinne.

    Seit 1915 wird Chuquicamata als Industriebetrieb geführt, berichtet Cosset Avalos von der Presseabteilung. Aber schon die Indianer benutzten, bevor die spanischen Eroberer amerikanischen Boden betraten, das Metall. Hier wurden Speerspitzen gefunden. Die Indianer hiessen Chucos, daher der Name Chuquicamata.

    Touristen erfahren nichts von den Umweltsünden Codelcos. Jahrzehntelang glaubte man, auf die umliegende Wüste keine Rücksicht nehmen zu müssen. Hemmungslos wurden Abfälle in die Luft gepustet, riesige Müllhalden aufgetürmt oder einfach ins Meer gekippt. Sechzig Jahre lang deponierte Codelco in der Bucht von Chañaral Millionen Tonnen hochgiftigen Schlamm - sechs Kilometer Strand haben sich in eine grün schimmernde Düne verwandelt. Der Hafen ist nicht mehr zu gebrauchen, Fische und Meeresfrüchte wegen ihres hohen Arsen-Gehaltes ungenießbar. Niemand darf ins Wasser, warnt ein Schild. Die Sanierung der Bucht würde über eine Milliarde Mark verschlingen. Aber Codelco hat für die Reparatur von Umweltschäden insgesamt nur 600 Millionen zur Verfügung - das ist viel zu wenig, um das "grüne Zertifikat" der umweltverträglichen Produktion zu bekommen, das viele europäische Käufer verlangen. Die Bewohner von Chañaral werden noch viele Jahre im Giftschlamm leben müssen. Es sei denn, sie verlassen den Ort. Aber dazu kann sie Codelco nicht zwingen.

    Zwingen kann die Minengesellschaft aber die Bewohner, die sich rund um die Kupfermine auf ihrem Gelände niedergelassen haben. Und das sind heute über zehn tausend Menschen. In zwei Jahren wird Chuquicamata eine Geisterstadt sein, heißt es in der Presseabteilung.

    "Heute erfüllen wir noch die Vorschriften über den Ausstoß bestimmter Schadstoffe. Aber die Normen verschärfen sich ab 2003. Um die Produktion nicht unterbrechen zu müssen, müssen die Bewohner umgesiedelt werden."

    Die Gegend um die Mine ist verseucht, nach den neuen Richtlinien als Wohngebiet untauglich. Eigentlich hatte Chuquicamata nie eine Stadt werden sollen, heißt es bei Codelco, es war nur ein "campamento", ein Camp für die Minenarbeiter. Doch immer mehr Leute ließen sich zunächst in Hütten, dann in Häusern in der Nähe ihres Arbeitsplatzes nieder. Heute gibt es dort Einkaufszentren und Supermärkte, Tankstellen, Schulen und Kinos, und in der Kirche hängt Jesus Christus aus Kupfer gegossen.

    Bevor das Gesetz am 1. Januar 2003 in Kraft tritt, werden die Bewohner des verseuchten Chuquicamatas in das zwanzig Kilometer entfernte Calama umgezogen sein. Ob sie wollen oder nicht.

    Aber die meisten wollen, behauptet Codelco, denn der Umzug wird versüßt. Die Landesregierung pumpt Millionen in das Projekt, die Privatwirtschaft wittert Morgenluft. Im Calama entstehen am Stadtrand dreitausend neue Wohnungen, Straßen, Schulen und eine neue Kanalisation müssen gebaut, Stromleitungen und Rohre verlegt werden. Mindestens 400 Millionen Mark werden investiert, das sorgt für Arbeitsplätze.

    Natürlich hätte die Minengesellschaft mit Filtern und einer modernen Produktion für Umweltverträglichkeit sorgen und die Altlasten entsorgen können. Aber das wäre sicher teurer geworden, als die Menschen einfach wegzuschaffen.