1975 tritt in Frankreich das Gesetz über den freiwilligen Schwangerschaftsabbruch in Kraft. Benoîte Groult beginnt von nun an einen neuen Kampf: Die Feminisierung der Berufsbezeichnungen. Ein humorvolles Kapitel wird diesem linguistischen Disput gewidmet. In der französischen Sprache, von der es heißt, sie sei besonders logisch und klar, herrscht das totale Chaos über die weibliche Form bestimmter Funktionen. "Ecrivain” zum Beispiel - Schriftsteller - existiert nicht im Femininum. Außer bei Benoîte Groult: Sie bezeichnet sich seit 20 Jahren als "écrivaine”. Sie schimpft auch regelrecht, wenn es in der Zeitung heißt: "Der Minister hat seinen Schwangerschaftsurlaub angetreten!” "Man hat lange geglaubt, daß die Linguistik eine strenge und irreale Wissenschaft war", so Groult. "Aber Sprache offenbart die Vorurteile und die Tabus einer Gesellschaft. Es ist wichtig, daß Frauen nicht zu Sprachakrobaten werden, und gesagt werden muß: ‘Madame le Ministre’ also, Frau Minister. Dem Problem begegnet man allerdings nur, wenn es um prestigeträchtige Bezeichnungen geht. Im Französischen heißt es ‘Madame la Directrice’ - man benutzt die weibliche Form, wenn es sich um die Leiterin einer Grundschule handelt. Aber ‘Madame le Directeur’, also die männliche Form, wenn es um die Leitung eines Forschungsprojektes geht. Nicht die Grammatik leistet Widerstand, sondern die Köpfe! Und allen voran die der Académie française!"
Immerhin, seitdem Lionel Jospin Frankreichs Premierminister ist, werden die fünf Ministerinnen seines Kabinetts mit "Madame la Ministre” angesprochen. Eine kleine Revolution, und ein großer Sieg für Benoîte Groult, die schon 1984 eine Regierungskommission zur Feminisierung der Berufsnamen geleitet hatte.
Diesen Erfolg - sowie viele Etappen ihrer Lebensgeschichte - gibt Benoîte Groult in Form eines Dialogs mit der jüngeren Journalistin Josyane Savigneau wieder, die bei der Zeitung "Le Monde” arbeitet. Schade, daß dieses Zwiegespräch die Struktur des Buchs bestimmt. Denn sehr oft neigen beide Frauen dazu, feministische Urtheorien in ihr Gespräch einzubringen, was zu eher langweiligen Passagen führt.
Für die Fans von "Salz auf unserer Haut” lohnt es sich trotzdem, "Leben heißt frei sein” zu lesen. Denn zum ersten Mal lüftet Groult das Geheimnis ihrer langjährigen Liebesaffäre mit einem amerikanischen Piloten. Der Pilot aus Blue Bell, Pennsylvania, ist die Inspirationsquelle für Gauvain, den bretonischen Hochseefischer, in den sich die Hauptfigur von "Salz auf unserer Haut” verliebt. Diese außereheliche Leidenschaft zwischen einem Fischer und einer Intellektuellen wurde in Deutschland mehr als drei Millionen Mal verkauft. Zum Vergleich: In Frankreich waren es nur 150 000 Exemplare. Benoîte Groult, über den deutschen Erfolg ihres Romans: "Das hat mit dem Bild der Frauen in den nordeuropäischen Ländern zu tun, wo der Roman überall erfolgreich war. In der keltischen Mythologie zum Beispiel gibt es viele Kriegerinnen, in der germanischen Göttersage gibt es die Walküren. In Holland oder in England haben die Frauen regiert. In Frankreich dagegen gibt es kaum Kriegerinnen, und nie war eine Königin an der Macht. Die Französin war entweder Hausfrau und Mutter, oder aber eine flatterhafte Frau. Das hat sich Gott sei Dank geändert! In Südeuropa hat George, meine selbständige Heldin, einfach gestört. Im Norden verfügt man über eine viel größere Bandbreite von Frauenrollen."
Benoîte Groult nennt in ihrer Autobiographie zwei weitere Hypothesen für den rasanten Erfolg ihrer Love Story in Deutschland. Erstens: einer Französin wird leichter verziehen, gegen die eheliche Moral zu verstoßen. Und zweitens: Frauen, haben es offensichtlich satt, sich mit verzweifelten Frauenfiguren zu identifizieren. George stirbt nicht an Tuberkulose wie die Kameliendame und wirft sich auch nicht vor einen Zug wie Anna Karenina. Sie überlebt ihren Liebhaber und wird auch nicht dafür bestraft, daß sie zuviel liebte.