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Leben im Grundwasser

Biologie.- Zum Schutz des Grundwassers trat im vergangenen November die Grundwasserverordnung in Kraft. In der Begründung wird erwähnt, dass das Grundwasser auch als Lebensraum schützenswert ist.

Von Marie Heidenreich |
    Das Grundwasser ist für uns die wichtigste Quelle für Trinkwasser. Wir stellen es uns sauber, keimfrei, steril vor.
    Der Limnologe Dr. Hans Jürgen Hahn von der Universität Koblenz-Landau hat eine ganz andere Perspektive auf das kühle Nass:

    "Grundwasser lebt."

    Hans Jürgen Hahn ist einer der wenigen Wissenschaftler, die das Grundwasser in seiner Eigenschaft als Lebensraum erforschen. Deutschlandweit kommen etwa 500 Tierarten in den Wasser gefüllten Poren und Hohlräumen vor, die die Wissenschaftler an Messstellen untersuchen.

    "Das ist jetzt mal so ein Blick direkt ins Grundwasser hinein. Gibt relativ wenig Aufnahmen davon. Hier fährt jetzt die Kamera runter und das ist jetzt unten am Grund. Wir sehen ganz viel totes organisches Material und vor allem wimmelt es hier. Man sieht hier Asseln. Hier dann ein typischer Höhlenflohkrebs. Grundwassertier, genau wie die Assel, ganz weiß, durchscheinend, blind, weil es im Grundwasser eben dunkel ist."

    Der Gedanke an wimmelndes Ungeziefer im Wasserhahn ist zwar etwas gewöhnungsbedürftig, allerdings schaffen es nur wenige Tiere durch die Filter von Wasserkraftwerken. Im Schnitt lebt eines der winzigen Tiere in zwei Kubikmetern Wasser.

    "Es kann natürlich gut sein, wenn Sie Ihre Badewanne einlassen und haben keine Hausfilter, dass Sie dann durchaus Gesellschaft haben in Ihrer Badewanne."

    Diese Tiere sind in so geringen Konzentrationen aber nicht gefährlich, wie Hans Jürgen Hahn betont.

    "Hygienisch völlig unproblematisch."

    Er bezeichnet die Tiere vielmehr als unterschätzte Dienstleister, die für uns die Wasserqualität überwachen.

    "Was wir versuchen, ist, Methoden zu entwickeln, wie man anhand der Grundwasserorganismen, speziell der Tiere, Aussagen über den Zustand des Grundwassers machen kann. Bioindikation ist der Fachbegriff dafür."

    Weil wir den Großteil unseres Trinkwassers aus Grundwasser gewinnen, muss dieses genau überwacht werden.

    Sobald Verunreinigungen im Wasser auftreten, oder zu viel Wasser abgepumpt wird, ändert sich die Artenzusammensetzung im Grundwasser.

    "Insofern sind die ein ganz sensibles Frühwarnsystem, um hydrologische Veränderungen anzuzeigen, Veränderungen, die sich dann auch auf die geschützten oberirdischen Lebensräume auswirken. Und zwar wesentlich früher, als diese Systeme oben reagieren."

    In Oberflächengewässern ist es längst Standard, dass man anhand von Lebewesen die Gewässerqualität untersucht. Das will der Landauer Forscher auch für das Grundwasser durchsetzen. So gründete er 2005 mit anderen Forschern eine Arbeitsgemeinschaft Grundwasser. Diese fordert, dass das Grundwasser genauso wie andere oberirdische Lebensräume geschützt wird.
    Solch ein Gesetz strebt auch das Umweltbundesamt langfristig an, Simone Richter vom Umweltbundesamt gibt aber zu bedenken, dass die Biologie des Grundwassers im Moment noch zu wenig untersucht ist.

    "Wir müssen das System verstehen lernen. Wir nehmen uns im Moment zum Vorbild die Oberflächengewässer. Hier gibt es seit dem Jahr 2000 auf der europäischen Ebene ein Ziel, das heißt, der ökologische Zustand und dahinter steckt die Philosophie, dass man über bestimmte biologische Indikatoren einen Zustand eines Gewässers bewerten kann und wir versuchen herauszufinden, ob sich solche Ansätze auf das Grundwasser übertragen lassen. Wie das dann in Rechtssysteme gegossen werden kann, da klafft noch die große Lücke, an der wir in den nächsten Jahren arbeiten müssen."

    Ein Schritt in die richtige Richtung war für Hans Jürgen Hahn die Grundwasserverordnung, die im vergangenen November in Kraft trat. Diese berücksichtigt zumindest in ihrer Begründung das Grundwasser als Lebensraum.