Archiv


Leben in der Macho-Gesellschaft

Es ist ein weit verbreitetes Phänomen in Mexiko: Weil sie als "weibliches" Verhalten empfunden wird, wird die Homosexualität in einer Macho-Gesellschaft öffentlich nicht akzeptiert. Homosexualität findet im Verborgenen statt - quer durch alle Schichten der Bevölkerung.

Von Martin Winkelheide | 03.08.2008
    Carlos Garcia de Leon ist Zahnarzt in Mexiko City.

    "Schwul zu sein, hier in dieser riesigen Stadt mit über 22 Millionen Menschen, das ist kein Problem – vorausgesetzt: Du machst Dich unsichtbar."

    Seine Mutter, so Carlos Garcia, habe nie ein Problem mit seiner Homosexualität gehabt - wohl aber seine Schwester.

    "Sie entschied, ich solle heiraten. Sie sagte: ‚Wir können keine Homosexuellen in der Familie haben. Ich werde eine Frau dafür bezahlen, dass sie Dich heiratet.’ Meine Schwester, sie ist gerade einmal ein Jahr älter als ich!"

    Garcia heiratete nicht. Seine Schwester bedrängte ihn, zumindest medizinischen Rat einzuholen.

    "Wir trafen uns mit einer befreundeten Ärztin in einem Café. Meine Schwester wollte wissen, was man machen könne, um mein Verhalten zu ändern. Und die Ärztin, sie ist wunderbar, sagte zu meiner Schwester: ‚Adriana, hör mir mal zu. Mein Bruder ist schwul, und er ist glücklich. Dein Bruder hat kein Problem, Du hast ein Problem.’”"

    Homosexualität abzulehnen ist ein weit verbreitetes Phänomen in Mexiko - quer durch alle Schichten der Gesellschaft.

    "Wir leben in einer Macho-Kultur. Homosexualität gilt hier in Mexiko als ‚weibliches’ Verhalten. Die Leute sagen: Du bist mehr Frau als Mann. Du bist kein richtiger Macho, kein richtiger Mann - also bist Du weniger wert."

    Trotz regionaler Abstufungen - Homosexualität findet in der Regel im Verborgenen statt. Eine lateinamerikanische Besonderheit: Viele Männer, das haben Studien in Brasilien und Mexiko gezeigt, haben Frau und Kinder und außereheliche Kontakte - zu Männern.

    "Manche Männer können es nicht ertragen, zu erkennen, dass sie homosexuell sind. Sie haben Sex mit einem Mann und gleichzeitig einen Hass auf alle Homosexuellen. Und dann kann es passieren, dass sie den anderen umbringen. Ich glaube, sie wollen sich so reinigen."

    Allein in den Jahren zwischen 1994 und 2000 wurden 400 homosexuelle Männer in Mexiko ermordet. Auch der Gründer der Organisation "Ave de Mexico", für die Carlos Garcia ehrenamtlich tätig ist, fiel 1992 einem Hass-Mord zum Opfer. Die Nicht-Regierungs-Organisation "Ave de Mexiko" hat sich der Aids-Prävention verschrieben.

    "Im Falle von Francesco Strada, dem Gründer und Präsidenten unserer Organisation, war es so, dass in dieser Nacht fünf homosexuelle Männer ermordet worden sind. Danach passierte etwas, was wir institutionelle Homophobie nennen: Die Polizei und die Ermittler sagten uns: ‚Ihr solltet Eure eigenen Ermittlungen durchführen. Wir haben keine schwulen Ermittler.’ Unserer Ansicht war das vollkommen inakzeptabel."