"Ich bin Kati Krause, Journalistin und Autorin in Berlin und meine Mutter ist Verschwörungstheoretikerin."
Angefangen habe das mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001, sagt Kati Krause. Ihre Mutter habe behauptet, die seien doch vom CIA orchestriert worden. Mit jeder Krise sei ihr Glauben dann immer extremer abstruser geworden. Ihre Mutter ließ sich zur Homöopathin umschulen und sagt nun, sie könne hellsehen. Als 2015 viele Geflüchtete nach Deutschland kamen, wählte sie die rechtsextreme Partei "Die Rechte". Heute ist ihre Mutter davon überzeugt:
"Der Flughafen BER ist zehn Kilometer unter die Erde vertunnelt und da werden Kinder missbraucht."
Das sagt sie, das ist für sie eine Tatsache.
Die Tochter erzählt: Ihre Mutter sei immer ein sehr warmherziger, liebevoller und fürsorglicher Mensch gewesen – und sei das bis heute. Auf der einen Seite. Bis ein Stichwort fällt. Corona zum Beispiel, oder Flüchtlinge:
"Ja, es war wie so eine Schizophrenie fast. Sie hat dann plötzlich Sachen gesagt… Sie wurde dann so provokativ grausam zum Teil."
Hoher Leidensdruck
Tobias Meilicke leitet die Beratungsstelle Veritas in Berlin. Seit Anfang des Jahres können sich dort Berliner und Berlinerinnen melden, die Probleme mit Verschwörungsgläubigen haben. In der Familie, im Freundeskreis, im Beruf:
"Was sich bei den Personen aufbaut, ist ein hoher Leidensdruck, eine Frage: Wie gehe ich damit eigentlich um? Muss ich mich trennen sogar? Muss ich den Kontakt abbrechen? Was auch zu hohem Stress führt bei den Personen. Und für die Personen, die vor uns sitzen, sind wir oft auch die letzte Hoffnung vor dem Kontaktabbruch."
In der Beratung, sagt Meilicke, könnten viele erstmals wirklich über ihre Probleme sprechen, schon das schaffe Entlastung.
"Panik, Abwehr, Aggression"
Dann gehe es darum, verschiedene Strategien auszuloten. Oft etwa sei klar: Es macht überhaupt keinen Sinn, mit Verschwörungsgläubigen über die Fakten zu diskutieren. Denn aus ihren "Fakten" haben sich Verschwörungsgläubige ihre Welt gebaut. Die ergibt Sinn für sie. Das wiederum gibt ihnen Sicherheit, das Gefühl von Selbstwirksamkeit und Kontrolle. Wer diese Fakten infrage stellt, stellt die Person infrage. Die Reaktion ist oft Panik, Abwehr, Aggression.
"Was aber ein Zugang sein kann, ist die Frage zu stellen: Warum ist Dir das wichtig, dass ich weiß, dass es diese Verschwörung gibt? Dann kommen wir auf die Frage, dass es dort eine Beziehungsebene gibt, die geprägt ist von Angst, von Fürsorge, von Liebe zueinander. Und darüber ins Gespräch zu kommen, kann viel mehr bringen, als über Fakten zu diskutieren", so Meilicke.
"Man kann an der Substanz dieses Glaubens nicht kratzen"
"Es kann schon sein, dass das in einem isolierten Gespräch mal funktioniert", sagt Kati Krause. Aber diese Ebene findet die Berliner Autorin nur sehr selten mit ihrer Mutter. Damals, als ihre Mutter die Partei "Die Rechte" gewählt hatte, hat sie den Kontakt erstmal abgebrochen – doch die Bindung der beiden ist eng, und ihre Mutter hat den Abbruch nicht ernst genommen und ignoriert. Bis auf weiteres versucht Kati Krause nun, heiße Themen zu meiden. "Corona" zum Beispiel:
"Ich sag dann: Nein! Nein! Stopp! Nein! Mama, ich will`s nicht hören! Stopp! Schluss! Irgendwann hört sie dann auf. In meiner Erfahrung kann man an der Substanz dieses Glaubens nicht kratzen. Ich habe noch keinen Weg gefunden, das hinzubekommen."
"Irgendwie noch das Zusammenleben regeln"
Kati Krause hat wenigstens für sich einen Weg gefunden – als Journalistin hat sie einen Artikel über ihre Mutter geschrieben; sie hat recherchiert, gelesen, saugt alles auf und spricht auch mit ihrem Vater, der einer Selbsthilfegruppe beigetreten ist:
"Das Einzige, was wir bisher geschafft haben, ist, irgendwie noch das Zusammenleben zu regeln durch Ausklammern, durch Ausblenden dieses Verschwörungsglaubens. Es ist ein Durchwurschteln. Es ist keine Lösung. Aber eine Lösung gibt es auch nicht."
Umfeld sollte Kontakt nicht abbrechen
Das würde Angehörigenberater Tobias Meilicke so wohl nicht stehen lassen. Der Ausstieg aus Verschwörungserzählungen habe zwei Ebenen, sagt er. Da ist zum einen die faktische Ebene, die Einsicht: Ich habe mich verrannt. Dann aber kommt die soziale Ebene. Und viele Gläubige haben längst alte Kontakte abgebrochen:
"Und dann stellen sie in dem Augenblick fest, wo sie "wach" werden, dass sie eigentlich isoliert sind. Und das macht den Ausstieg viel schwieriger, weil wir als Menschen daran interessiert sind, ein soziales Umfeld zu haben. Und deswegen ist es so wichtig, dass das Umfeld von Verschwörungsgläubigen weiter in Kontakt mit ihnen bleibt. Es ermöglicht eine Rückkehr in das alte Leben."