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Lebendiges Geschichtsbuch

Heinrich der Löwe war einer der mächtigsten Reichsfürsten des 12. Jahrhunderts. Von Braunschweig aus regierte er ein Gebiet von der Ostsee bis zur Adria und gründete zum Beispiel die Städte Schwerin, Ratzeburg und Lübeck. Weniger bekannt als sein Braunschweiger Vorbild ist der Mecklenburger Fürst Heinrich II., der sich ebenfalls den Beinamen "Löwe" gab.

Von Eva Firzlaff |
    Dieses große Residenzschloss der Welfen-Herzoge kannte Heinrich der Löwe noch nicht. Er residierte in der Burg Dankwarderode.

    "Er hat hier einen Palas gebaut. Gerade hier, wenn man von vorne kommt, wo der Burglöwe steht, sieht man das sehr gut, dass er sich eben auch angelehnt hat an kaiserliche Pfalzen und Palasbauten. Zum Beispiel in Goslar gibt es so etwas. Das ist sehr ähnlich gestaltet mit dieser Treppe vorne und dem vor geblendeten Mittelbau. Dass er da schon auch einen gewissen Herrschaftsanspruch dokumentieren wollte."

    Regine Marth. Mehr zu diesem Herrschaftsanspruch erfahren wir nebenan im Dom.

    Heinrich der Löwe hat Papst und Kaiser Konkurrenz gemacht, indem er Bischöfe einsetzte und Reliquien verteilte.

    "Normalerweise wurden diese Reliquien vom Papst, dann über den Kaiser, die Bischöfe den einzelnen Kirchen gegeben. Heinrich der Löwe hat sich damit nicht zufrieden gegeben, sondern hat von einer Pilgerreise nach Jerusalem selber - wie die Chronik sagt - Satteltaschen voll Reliquien mitgebracht und hat die dann verteilt an Kirchen in seinem Territorium. Und die kostbaren Schmuckstücke, in denen diese Reliquien aufbewahrt wurden, die so genannten Reliquiare, das ist der Grundstock des berühmten Welfen-Schatzes."

    Der allerdings nicht mehr komplett ist. In der Weltwirtschaftskrise verkaufte ihn der Braunschweiger Herzog. Ein Teil ist im Berliner Kunstgewerbemuseum am Kulturforum. Auch die Burg Dankwarderode ist nicht mehr so wie zu Heinrichs Zeit, sie wurde nach einem Brand im 19. Jahrhundert wieder errichtet, so, wie man sich in der Romantik das Mittelalter vorstellte, mitsamt der reichen Wandmalerei. Der Rittersaal ist der prächtigste Saal der Gegend und wird für Konzerte genutzt.

    Seine Burg hat Heinrich der Kaiserpfalz von Goslar nachempfunden und aus dem Bergwerk am Rammelsberg bei Goslar stammte sein Reichtum, auch aus den Salinen von Salzgitter und Harzburg. Als Zeichen seiner Macht ließ er den bronzenen Burglöwen auf den Burgplatz stellen.

    "Dieser Löwe war Herrschersymbol. Und Heinrich hat sich sicher diesen Beinamen "der Löwe" nicht ungern geben lassen. Er hatte ein Selbstwertgefühl, was in diesem Tier als Symbol gut zum Ausdruck kam. Nach seiner eigenen Meinung, bestimmt."

    1173 hat er den heutigen Dom als seine Hofkirche bauen lassen. Das romanische Mittelschiff ist mit einigen Einrichtungsgegenständen noch so wie zu seiner Zeit, auch der hohe Chor. Hier wurden nicht wie z.B. im Quedlinburger Dom nachträglich Treppen angebaut. Der hohe Chor ist abgeschlossen und war einst nur durch einen Gang von der benachbarten Burg aus zu erreichen.

    "Das ist typisch für eine romanische Kirche, denn der hohe Chor war in mittelalterlicher Zeit das Zentrum allen gottesdienstlichen Lebens. Da fanden die Messen statt, währen die großen Kirchenschiffe eigentlich nur als Grablege gedacht waren. Wenn ich Ihnen einen Fußbodenplan zeigen würde, wer hier in diesem Dom alles begraben liegt, dann würden Sie mit Ihren Füßen ganz vorsichtig sein, weil wir andauernd auf irgendwelchen Gräbern herum trampeln. Das ist die Hofkirche gewesen. Also hier war keine Volksmenge drin, das gibt es eigentlich erst sei reformatorischer Zeit."

    Schwaben, Bayern, das damals riesige Herzogtum Sachsen, Istrien - seine Herrschaft reichte von der Ostsee bis zur Adria. Speziell im Norden führte er große Feldzüge im Namen Gottes. Die Christianisierung östlich der Elbe. Cornelia Liebenow:

    "Heinrich der Löwe, dieser große Städte-Gründer, Sachsen- und Bayern-Herzog kam ja hier in dieses Gebiet. Es gab Kämpfe mit den slawischen Stämmen, aus denen Heinrich der Löwe als Sieger hervorging. Der letzte Obotritenfürst Niklot wurde 1160 besiegt. Heinrich der Löwe hat dann die Stadt Schwerin gegründet."

    An der Stelle der slawische Inselburg Zuarin steht jetzt das Schweriner Schloss. Das sieht zwar - verwinkelt und mit vielen Türmchen - uralt aus, ist es aber nicht. Berna Bartel:

    "Nein, so wie Sie es jetzt sehen, ist es wirklich in einem Guss im 19. Jahrhundert entstanden. Aber man hat vier ältere Teile aus dem 16. und 17. Jahrhundert mit genutzt, allerdings auch stark verändert. Man ist mit dem Denkmal, was man da vorfand, ziemlich großzügig umgegangen."

    Drinnen sitzt der Mecklenburger Landtag und Herzogs Prunkräume werden gezeigt.

    Heinrich ließ planmäßig die Stadt anlegen, den Pfaffenteich aufstauen, verlegte den Bischofssitz von der Burg Mecklenburg nach Schwerin. Auf den romanischen Dom folgte bald der gotische, der heute noch steht. Die Städte, die Heinrich der Löwe gegründet hatte oder in denen er eine Zeit lang lebte, haben ein Löwen-Denkmal. Nur Schwerin hatte lange keins - dafür jetzt gleich zwei. Einen Abguss des Braunschweiger Bronze-Löwen am Dom und auf dem Marktplatz einen Löwen auf einer modernen Stele des Konstanzer Bildhauers Peter Lenk. Auf einer Seite der Stele hat er ein langes Spalier von Leuten dargestellt, die dem später geächteten Heinrich die nackten Hintern zudrehen - soll wirklich so gewesen sein - in Bardowieck.

    "Ja, wirklich historisch belegt aus dem Jahr 1189. Man wollte Heinrich den Löwen nicht in die Stadt hineinlassen. Und so hat man sich ihm entgegen gestellt."

    Weil Heinrich sich geweigert hatte, an Kaiser Barbarossas Italienfeldzug teilzunehmen, vielleicht war dem auch das Großmannsgehabe zu viel, jedenfalls wurde Heinrich geächtet. Auf dem Weg ins Exil wollten ihn die Bardowiecker eben nicht durch ihre Stadt lassen. Später rächte sich Heinrich, zerstörte die wohlhabende Handelsstadt und das benachbarte Lüneburg erlebte seinen großen Aufschwung.

    Auch in Ratzeburg steht ein Bronze-Löwe. Die Altstadt liegt im Ratzeburger See auf einer großen Insel, auf einer schmalen Stelle, rechts und links Wasser, steht der Dom, vom Löwen-Heinrich gestiftet. Später gehörte die Domhalbinsel für einige Jahrhunderte zu Mecklenburg, und nicht zum Herzogtum Lauenburg, wie die Stadt. Ute Fritzsche erklärt das Kuriose:

    "Mitte des 16. Jahrhunderts entsagte der letzte Bischof seiner Bischofswürde und heiratete und verkaufte das Domkapitel für 10.000 Taler an Mecklenburg. Man muss sich das richtig vorstellen mit Schlagbaum und Grenze."

    Erst mit der Gebietsreform von 1937 kam die Domhalbinsel zu Schleswig-Holstein. Und warum hatte der Bischof an Mecklenburg und nicht an die Lauenburger Herzoge verkauft?

    "Die Lauenburger Herzoge waren Spieler, die haben unter anderem mal Mölln für 300 Jahre an Lübeck verpfändet. Und damit ihnen das hier nicht auch passiert, haben sie lieber gleich die Mecklenburger genommen."

    Aus der Mecklenburger Zeit stammt die Sommerresidenz des Mecklenburger Herzogs, heute ein Museum.

    "Dem gehörte ja nun diese Domhalbinsel und wenn er in Ratzeburg war, wolle er ja auch repräsentativ und standesgemäß wohnen. Oberhalb des Eingangs hinter diesen drei Fenstern verbirgt sich ein wunderschöner Rokokosaal. Den sollte man sich unbedingt angucken und dann im Keller ist noch eine Kostbarkeit. Da liegt nämlich ein Faksimile des Evangeliars Heinrichs des Löwen. Das Original wurde ja 1982 für 32,5 Millionen DM zurück ersteigert aus England, bei Sotheby's. Die Bundesrepublik hat dieses Evangeliar wieder zurück gekauft. Und damit das Geld aufgebracht werden konnte, wurden in einer limitierten Auflage 1000 Faksimiles hergestellt, das hat damals auch schon 32.000 DM gekostet. Von Heinrich dem Löwen in Auftrag gegeben, also im 12. Jahrhundert, ein riesengroßes Buch mit den vier Evangelien, mit Schmuckseiten, mit einem Krönungsbild Heinrichs des Löwen. Also ein wunderschönes Buch, das man sich unbedingt einmal ansehen muss."

    Ob Heinrich mit dem Boot nach Lübeck gekommen ist? Wir jedenfalls könnten es -
    Über den langen Ratzeburger See und die Wakenitz. Ein Lehnsmann Heinrichs überließ ihm nach einem Großbrand diesen Zugang zur Ostsee.

    "Heinrich der Löwe war ja immer scharf auf Lübeck. Er hat ja schon eine Konkurrenzstadt gegründet - Bardowiek. Denn er war ja immer - wie man so sagt - auf dem Sprung nach Lübeck, weil es ja strategisch sehr vorteilhaft war, durch die Insellage."

    Heinrich gründete Lübeck zum dritten mal, förderte Stadt und Handel im Ostseeraum. Als der Löwe dann geächtet war, fiel Lübeck an Kaiser Friedrich Barbarossa und wurde reichsfreie Stadt. Bald kannte man es als Königin der Hanse.

    "Es gab zwei bedeutende Städte über Jahrhunderte. Das war Köln von der Einwohnerzahl her und Lübeck vom Reichtum. Und das wurde von niemandem abgestritten."

    Das prächtige Holsten-Tor ist nur der Rest von damals 3 Toren hintereinander. Lübeck war gut gesichert, denn hier gab es was zu holen. Heinrich hatte auch hier den Dom begründet, doch Dietmar Fischer schwärmt von der Marienkirche.

    "Die Marienkirche wurde gebaut 1250 bis 1350. Es ist ein Muss, wenn Sie nach Lübeck kommen, in diese Kirche rein zu gehen. Das ist Backsteingotik in Vollendung. Da kommen die Fachleute aus der ganzen Welt hier her. Und war bis 1880 die höchste doppeltürmige Kirche der Welt. Dann wurde erst der Kölner Dom fertig. Eine helle Kirche, eine Basilika, keine Tonnenkirche. Die Mutter-Kirche aller Kirchen im Ostseeraum. Alle anderen Hansestädte wollten den Reichtum Lübecks kopieren."

    Heinrich der Löwe wäre sicher stolz auf Lübeck.

    loewenstaedte.de