Stefan Römermann: Früher war Kalorien zählen noch eine Kunst – na ja, vielleicht nicht gerade eine Kunst, aber doch zumindest reichlich kompliziert. Wer zum Abnehmen seine Energiezufuhr im Blick behalten wollte, der musste sich jedenfalls durch endlose Tabellen mit Lebensmitteln quälen.
Heutzutage stehen auf fast jedem Produkt die entsprechenden Kalorien- und Nährwert-Angaben aufgedruckt. Also eigentlich alles ganz einfach, könnte man meinen. Doch die Hersteller versuchen, dabei auch immer wieder zu tricksen, indem sie mit seltsamen Portionsgrößen hantieren. Wie seltsam die sind, das hat jetzt eine Untersuchung der Verbraucherzentralen gezeigt. – Vor der Sendung habe ich mit Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg darüber gesprochen und sie gefragt, wie groß bei ihr persönlich denn die Portionen ausfallen.
Silke Schwartau: Ich nehme eher kleinere Portionen. Das liegt natürlich auch an meinem Alter. Der Hunger ist nicht mehr so groß. Wichtig ist aber auch, wie die Portion dann wirklich aussieht. Wirkt sie jetzt nur groß, oder ist sie tatsächlich groß? Das ist ja auch immer ein Unterschied.
"Jeder macht das so, wie er will"
Römermann: Da sind wir eigentlich auch schon beim Problem. "Portion" lässt sich schwierig definieren. Wie machen das denn die Hersteller auf den Produkten?
Schwartau: Die Hersteller machen das sehr, sehr unterschiedlich. Wir hatten ja über 200 Lebensmittel untersucht und mal geschaut, welche Portion wird da eigentlich angegeben, wenn man jetzt ein Cola-Getränk trinkt, oder einen Riegel isst, oder wie auch immer. Dann mussten wir feststellen, es gibt gar keine Einheitlichkeit. Jeder macht das so, wie er will.
Römermann: Es ist schwierig zu definieren. Auf einem Cola-Getränk – ich habe es gerade bei mir selber gesehen – steht dann auf der einen Seite drauf, es ist eine 500 Milliliter Flasche, aber die Portion ist 250 Milliliter. Wer macht das denn so, dass er sich so eine kleine Flasche am Automaten zieht und davon nur die Hälfte trinkt?
Schwartau: Das ist wirklich sehr ungewöhnlich und hier glauben wir, dass auch tatsächlich ein Trick der Lebensmittelindustrie dahinter steckt. Denn häufig sind die Portionen tatsächlich sehr, sehr klein gerechnet. Die Portionen sind dann so klein wie zum Beispiel 30 Gramm Müsli oder eine kleine Hand voll Chips, oder sogar (völlig absurd) da gibt es eine Gummischlange eines Anbieters, die muss man in verschiedene Teile teilen, um eine Portion zu haben. Die Anbieter machen das, damit die Produkte gesünder aussehen.
Mini-Portion = Mini-Zuckergehalt
Römermann: Der Bezug ist einerseits, als Portionsgröße nehme ich eine Viertel-Lakritzschlange oder -Fruchtgummischlange, und dann setze ich dann aber die Nährwert-Angaben dazu, die Kalorien-Anzahl. Oder wie muss ich mir das vorstellen?
Schwartau: Genau, und da wird es spannend, weil dann ist ja relativ wenig Zucker enthalten, weil die Portion ganz mini ist, und von daher denkt man dann, ach, das ist zwar eine Süßigkeit, aber ja eigentlich ganz gesund mit diesem geringen Zuckergehalt.
Römermann: … hat nur ein Prozent von meinem Tagesbedarf an Zucker oder so.
Schwartau: Genau, oder sogar noch kleiner oder 0,5 oder wie auch immer. Das ist natürlich dann sehr, sehr wenig und man denkt, ach, ein gesundes Lebensmittel. Aber tatsächlich ist es nur gesund gerechnet worden durch diese absurde Portionsangabe.
Portionsangaben von 100 Gramm wünschenswert
Römermann: Jetzt können die Hersteller natürlich argumentieren, es ist wirklich schwierig zu definieren. Wie würden Sie denn eine realistische Portion festmachen? Gibt es dafür eine DIN-Norm oder so was?
Schwartau: Wir wollen es ja auch nicht zu bürokratisch machen. Aber letztlich ist natürlich eine realistische Portion zum Beispiel eine Scheibe Käse, oder ein Stück Wurst in einer Verpackung. Das ist dann eindeutig. Da weiß man Bescheid. Ansonsten wünschen wir uns Portionsangaben, die sich auf 100 Gramm beziehen, denn dann kann ich verschiedene Eissorten miteinander vergleichen und dann habe ich immer eine realistische Menge und nicht diese kleinen Schummeleien, die es jetzt auf Lebensmittelverpackungen gibt.
Römermann: Gibt es denn bisher keine gesetzlichen Regelungen dafür?
Schwartau: Die gesetzlichen Regelungen beziehen sich auf 100 Gramm. Aber viele Anbieter deklarieren zusätzlich und stellen dann gerade diese Portionsangaben auch auf die Schauseite des Produktes, so dass die gleich ins Auge fällt und man denkt wie bei Ihrem Beispiel, ach, nur ein Prozent von meiner täglichen Zuckerzufuhr, das Produkt kann ich dann ja trotzdem gerne kaufen, und das ist der Irrtum.
Nährwert-Ampel wäre wichtig
Römermann: Wie kann man als Verbraucher denn diesem Problem aus dem Wege gehen? Wie kann man den Herstellern ein Schnippchen schlagen?
Schwartau: Wir würden raten, immer auf die Rückseite zu schauen, weil da müssen ja die Nährwerte auf 100 Gramm bezogen angegeben werden, und sich darüber zu informieren. Politisch, denke ich, ist es ganz, ganz wichtig, dass wir eine Nährwert-Ampel bekommen, dass man anhand von Farben gleich auf den ersten Blick auf der Schauseite erkennen kann, hat das Produkt viel Fett, hat das viel Zucker. Dann kann man sich viel transparenter entscheiden.
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