"Diese EHEC-Katastrophe, die 2011 passiert ist - das war für uns ein Ansatzpunkt für die Forschung, solche Katastrophen zu minimieren oder gar zu verhindern."
Jörg Ehlbeck ist Plasma-Experte. Er befasst sich mit Gasen, die per Hochspannung stark erhitzt und elektrisch aufgeladen sind. Ein solches Plasma steckt zum Beispiel in Energiesparlampen und bringt sie zum Leuchten. Die EHEC-Krise warf nun bei Ehlbeck eine Frage auf: Könnte man den energiereichen Plasmazustand nicht nutzen, um Lebensmittel keimfrei zu machen? Der Experte vom Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie in Greifswald machte sich an die Arbeit und ersann ein Verfahren, bei dem ganz einfach Luft durch ein Plasma geleitet wird. Die Folge:
"Das Plasma wirkt dabei als Molekül-Schredder. Es ist sehr heiß, wir erreichen Temperaturen von über 4.000 Grad. Dabei wird die Luft zersetzt. Die einzelnen Atome können wieder miteinander reagieren und erzeugen ein Gasgemisch, das antimikrobiell wirksam ist."
Plasma contra Mikroorganismen
Luft besteht vor allem aus Stickstoff- und Sauerstoff-Molekülen. Die hackt der Plasma-Schredder buchstäblich auseinander. Es entstehen Sauerstoff- und Stickstoffatome, die sich umgehend zu Stickoxiden zusammentun. Für gewöhnlich werden Stickoxide ja als Schadstoffe geschmäht, etwa wenn sie aus Automotoren kommen. Anders bei der Lebensmitteldesinfektion.
"In dem Fall sind sie hilfreich. Sie werden auch in der Natur von Pflanzen selber gebildet, um gegen Mikroorganismen vorzugehen."
Ehlbeck und sein Team leiten ihre plasmaerzeugten Stickoxide in hoher Konzentration auf das zu behandelnde Lebensmittel, zum Beispiel Salat.
"Dieses Gas kann dann in die Spalten, Kanten und Ecken des Lebensmittels eindringen und dort die Mikroorganismen inaktivieren. In einem zweiten Schritt wird mit Luft dieses Gas wieder aus dem Bereich des Lebensmittels entfernt. Und danach kann es verpackt und dem Konsumenten zugeführt werden."
Prozessgas mit Pressluft
Die per Luft aus dem Salat gespülten Stickoxide können durch Absorber eingefangen und unschädlich gemacht werden. Im Labor klappt das Verfahren bereits. Nun arbeiten die Forscher an einer etwa schrankgroßen Apparatur, die der Serienreife ein deutliches Stück näher kommen soll. Bisherige Desinfektionsmethoden basieren oft auf giftigen Chemikalien, zum Beispiel Chlordioxid. Die, sagt Ehlbeck, muss man in Tanks lagern und vorsichtig handhaben. Anders bei seinem Verfahren.
"Der Vorteil beim Plasma ist: Wir arbeiten als Prozessgas mit Pressluft. Da braucht man lediglich Strom. Das, was wir dann zur Desinfektion einsetzen, wird vor Ort zu dem Zeitpunkt und in der Menge produziert, zu der es gebraucht wird. Das heißt, das Havarierisiko ist nahe Null."
Aber es gibt noch offene Fragen: Welche Dosis an Stickoxiden braucht man für welches Lebensmittel, um es sicher keimfrei zu machen? Und wird das Lebensmittel durch die Prozedur womöglich verändert?
"Das Risiko besteht natürlich immer beim Einsatz von technischen Verfahren. Wir sind dabei, auch dieses zu untersuchen."
Verfahren wichtig für den Staat
Eine Produktgattung hat Jörg Ehlbeck jedenfalls schon im Visier, sie könnte sich besonders für seine neue Methode eignen: Salate, die fertig geputzt, geschnitten und in Plastik verpackt in den Kühlregalen der Supermärkte liegen.
"Diese Produkte sind kritisch. Durch die Vorverarbeitung kann es dort leicht zu einem Anwachsen der mikrobiologischen Belastung kommen. Deswegen sind die Firmen daran interessiert, diese Produkte in einem möglichst einwandfreien Zustand zum Konsumenten zu bringen."
Und auch, wenn das neue Plasmaverfahren gar nicht routinemäßig zum Einsatz kommt, könnte es in Krisenfällen hilfreich sein - etwa wenn erneut ein Erreger wie EHEC das Land in Angst und Schrecken versetzt.
"Da ist es wichtig für den Staat, unter allen Umständen die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Und dann haben natürlich solche Verfahren, die man in der Hinterhand hält, für solche Situationen sehr große Bedeutung."