Archiv

Lebensmittelforschung
Haltbarkeit durch Hopfen und Senf

Forscher vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung suchen nach neuen Methoden, um Nahrungsmittel möglichst keimfrei zu halten. Denn das gilt als guter Schutz gegen Lebensmittelvergiftungen. Das Ziel ist es, neue pflanzliche Konservierungsmittel zu entwickeln - 200 Extrakte von Pflanzen untersuchen die Forscher dafür.

Von Hellmuth Nordwig |
    Thielmann packt sein wichtigstes Werkzeug aus: eine Plastikplatte, so groß wie eine Postkarte und fingerdick. Dutzende kleiner Vertiefungen sind in den Kunststoff eingelassen. In denen untersucht er, welche Pflanzenstoffe Bakterien abtöten, die häufig Lebensmittelvergiftungen hervorrufen.
    "In diese Vertiefungen geben wir verschiedene Konzentrationen von einem Wirkstoff, den wir untersuchen möchten. Und dann geben wir eine bestimmte Anzahl von Mikroorganismen hinzu und können dann das Wachstum dieser Zellen in den jeweiligen Vertiefungen verfolgen. Und man schaut dann, welche Konzentrationen den Mikroorganismus inaktivieren beziehungsweise im Wachstum hemmen."
    Pflanzen verfügen über eine breite Palette von antibakteriellen Substanzen
    Dass der Forscher vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung dabei Pflanzenextrakte untersucht, hat zwei Gründe. Zum einen sind viele Verbraucher skeptisch gegenüber chemischen Konservierungsstoffen. Und zum anderen verfügen gerade Pflanzen über eine breite Palette von antibakteriellen Substanzen.
    "Pflanzen besitzen nicht wie die Menschen ein Immunsystem, das sich darum kümmert, dass wir vor Krankheiten geschützt sind. Sondern wenn Bakterien versuchen, die Pflanzenzelle zu schädigen, dann produzieren diese Pflanzenzellen besondere Stoffe, die dann beispielsweise bitter schmecken und die Bakterienzelle angreifen, damit die Bakterienzelle abstirbt und die Pflanzenzelle überlebt."
    Auch die gängigen Konservierungsmittel stammen ursprünglich aus Pflanzen, selbst wenn sie heute chemisch hergestellt werden: Sorbinsäure aus der Vogelbeere, Benzoesäure aus Preiselbeeren. Julian Thielmann und seine Kollegen wollen das Spektrum auch für andere Anwendungen erweitern und haben deshalb Extrakte von fast 200 anderen Pflanzen untersucht - vom indischen Nimbaum über Zitronengras bis zum Oregano.
    Rund 50 Extrakte erwiesen sich als wirksam
    Zu diesen Extrakten haben sie gängige Lebensmittelkeime gegeben. Zum Beispiel Kolibakterien. Ausgewertet wurden die Versuche in einem Spektrometer. Dieses Gerät bestimmt, wie viel Licht durch die Bakterienkultur dringt: Je mehr das ist, desto weniger Zellen leben dort, umso effektiver wird der Keim also abgetötet. Rund 50 Extrakte haben sich in diesen Tests als wirksam gegen unterschiedliche Erreger erwiesen. Beispielsweise hatten Julian Thielmann und seine Kollegen Erfolg mit Hopfen:
    "Wir haben es geschafft, mit dem Hopfenextrakt verschiedene Fleischmarinaden herzustellen und dann teilweise die Haltbarkeit dieser Fleischprodukte zu verlängern. Das heißt, wir konnten einen antimikrobiellen Effekt erzielen und dadurch das Fleisch über längere Zeit in der Marinade erhalten."
    Neben den Marinaden erproben die Wissenschaftler auch, ob pflanzliche Substanzen in Kunststoffe integriert werden können. Daraus lassen sich dann aktive Verpackungen herstellen, die an das Lebensmittel nach und nach den keimtötenden Wirkstoff abgeben, zum Beispiel:
    "Eine Substanz aus dem Senf: Allylisothiocyanat - klingt sehr kompliziert, ist aber ganz der klassische Geruch und Geschmack von Senf. Und diese Substanz ist sehr aktiv gegen bestimmte Mikroorganismen. Wir haben sie in die Verpackung eingearbeitet. Und wenn dann ein Lebensmittel in Kontakt mit dieser Verpackung gekommen ist, konnten wir zeigen, dass die Substanz Mikroorganismen inaktiviert."
    Erprobt haben die Forscher diesen Verpackungskunststoff bei Geflügelsandwiches. Ein leicht verderbliches Produkt, bei dem Senfgeschmack nicht stört. In Japan gibt es bereits Sandwiches in senfbehandelten Verpackungen. Hierzulande noch nicht, denn in der EU muss die Zulassung erst beantragt werden.