Die Branche ist natürlich von sich sehr angetan. Der Verein "Die Lebensmittelwirtschaft" versucht seit einem Jahr, das Bild von Lebensmitteln, deren Produktion und Vertrieb in der Öffentlichkeit zu prägen. Der scheidende Vereinsvorsitzende Gerhard Berssenbrügge, Chef von Nestlé Deutschland:
"Wir sind mit dem Ergebnis des ersten Jahres sehr zufrieden. Wir müssen uns mit unserer Reputation als Lebensmittelwirtschaft nicht hinter anderen Branchen verstecken. Es ist uns gelungen, Diskussionen zu versachlichen; Themen werden differenzierter besprochen und es werden zunehmend alle Seiten der Debatte wahrgenommen."
Dennoch bestreitet der Verein "Die Lebensmittelwirtschaft", eine Lobbyvereinigung der Lebensmittelwirtschaft zu sein. Das beruht auf einer engen Auslegung des Begriffs Lobbying. Man betreibe kein "politisches Lobbying", schreibt der Verein. Sehr wohl will der Industrieverband aber die Meinung der Öffentlich über Lebensmittel beeinflussen. Zu den Gründungsmitgliedern des Vereins gehören unter anderem die Bundesvereinigung der Deutschen Lebensmittelindustrie, der Deutsche Bauernverband und der Milchindustrie-Verband. Im Vorstand sitzen die Chefs von Nestlé Deutschland, Südzucker und auch Markus Mosa, Chef von Edeka, jetzt neuer Vereinsvorsitzender.
Mosa verspricht für die Lebensmittelwirtschaft: "Wir werden uns sukzessive stärker öffnen und zeigen, wie wir produzieren und wie wir arbeiten. Besonders der Weg in die Produktionsstätten ist nicht immer einfach. Wir wissen, dass hohe hygienische Standards und eng getaktete Abläufe zuweilen den Blick hinter die Kulissen erschweren. Wir werden aber auch hier prüfen, was möglich ist."
Für eine Transparenz-Offensive gab es heute Gelegenheit. So fordert die Verbraucher-Organisation Food Watch seit langem, dass die Industrie nicht mehr so aggressiv Süßigkeiten, Softdrinks und andere Zucker-Produkte an Kinder vermarktet. Der Chef von Nestlé Deutschland antwortet ausweichend:
"Ja, das sicherlich richtig und da gilt speziell der Bundesverband der Süßwarenindustrie in noch stärkerem Maße, der sich auch dem hingeben wird. Also, die stehen an erster Stelle dieser Situation und wir können das natürlich da in der gesamten Bandbreite durchleuchten, aber wir sehen ja gute Vorreiter und ich glaube, Deutschland steht da ja auch eigentlich nicht schlecht da."
"Da ist noch keine Lösung gefunden"
Der Lobbyverband verspricht also mehr Transparenz, will besser erklären, wie Lebensmittel hergestellt werden und woher sie kommen. Auch dazu hat Food Watch seit langem eine Forderung parat. 80 Prozent der gentechnisch verändert Pflanzen würden für Futtermitteln verarbeitet, sagt Food Watch. Verbraucher könnten auf den Produkten im Supermarkt jedoch nicht erkennen, ob Gentechnik verfüttert wurde oder nicht.
Wegen des Streits der Stiftung Warentest mit dem Schokoladenhersteller Ritter Sport ist ja auch wieder die Frage der Herkunft von Lebensmitteln und deren Zutaten aufgetaucht. Food Watch fordert auch da eine bessere und transparentere Kennzeichnung. Mit Blick auf den Pferdefleisch-Skandal, als Pferdefleisch in Lasagne verarbeitet worden war, sagte der Geschäftsführer des Vereins "Die Lebensmittelwirtschaft" Stephan Becker-Sonnenschein zum Thema Herkunfts-Transparenz:
"Das ist ein sehr schwierig umzusetzendes und durchzusetzendes Thema, was mit einem enorm hohen Aufwand verbunden ist, um das auf den Packungen darzustellen. Hier gibt es momentan Gespräche, wo man sehen muss, wie man sowas umsetzen kann und welche Kosten damit verbunden sind, weil das natürlich eine Dokumentation erfordert, die momentan noch nicht klar abschätzbar ist. Da ist ein Arbeitskreis dran, der das momentan erarbeitet und da ist noch keine Lösung gefunden."