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Lebensmittelkennzeichnung
Wirrwarr an der Fleisch-Theke

Der Bundestag berät heute mit dem Thema Ferkelkastration über eine Änderung des Tierschutzgesetzes. Verbraucher legen beim Fleischkonsum immer mehr Wert auf artgerechte Haltung. Auch viele Discounter kennzeichnen abgepacktes Fleisch mit verschiedenen Qualitätsstufen - ein System, das zuweilen aber eher verwirrt.

von Anja Nehls |
    Köln, Packungen mit Rinderhackfleisch mit den Haltungskennzeichnungen der Stufe "Stallhaltung" und "Bio" liegen in einem Supermarkt des Lebensmitteldiscounter Penny im Kühlregal. Deutschlands Discounter informieren bei Fleischprodukten immer öfter über die Haltungsbedingungen der Tiere.
    Immer mehr Discounter informieren bei Fleisch über Haltungsbedingungen der Tiere (dpa/Marius Becker)
    Vor der Auslage mit gekühltem Fleisch und Fisch im Netto-Supermarkt steht ein junger Mann. Er sucht nach einem Rindersteak und wird schließlich fündig. Auf der Packung steht Bio und am Rand befindet sich ein kleines Label mit der Zahl vier: "Also ich esse immer vier. Ich esse nur einmal in der Woche Fleisch und dafür ein Gutes. Also Bio Rumpsteak, das ist schon besser."
    Seit einigen Monaten haben viele Discounter freiwillig ihr Fleisch gekennzeichnet mit Zahlen zwischen eins und vier, damit der Verbraucher weiß, woher das Fleisch stammt, das er essen möchte. Zum Glück sind die Kriterien bei allen kennzeichnenden Discountern ähnlich. Aber nicht alle Kunden wissen so gut Bescheid wie dieser: "Also eins ist halt Massentierhaltung ohne Auslauf. Zwei, die können sich mal ein bisschen hinlegen zum Schlafen. Vier ist das Beste, die gehen dann auf die Weide raus, kriegen richtiges gutes Futter."
    Im Wesentlichen richtig: Das Fleisch der Stufe vier entspricht der EU-Bio-Richtlinie oder der Premiumstufe des Deutschen Tierschutzbundes bezüglich der Tierhaltung. Bei Fleisch mit der Kennzeichnung eins erfüllen die Tierhalter lediglich die derzeitigen gesetzlichen Standards – die nicht nur hartgesottene Tierschützer, sondern auch der Wissenschaftliche Beirat des Bundeslandwirtschaftsministeriums für zu niedrig halten.
    BUND: Keine nennenswerte Verbesserung bei Stufen eins und zwei
    In dieser Netto- Filiale haben fast alle Schweinefleischprodukte die Eins, Geflügelprodukte meistens die Zwei. Diese Kategorie entspricht im Moment den Vorgaben, die die Initiative Tierwohl ihren Mitgliedsbetrieben macht, zum Beispiel zehn Prozent mehr Platz für die Tiere und ein bisschen Beschäftigungsmaterial. Ein Kaufargument ist das für Katrin Wenz vom BUND allerdings nicht:
    "Hier haben wir es nicht mit Fleisch aus besserer und umweltfreundlicherer Tierhaltung zu tun, beim Huhn ebenso wie beim Schwein keine baulichen Veränderungen bei der Massentierhaltung, lediglich ein klein bisschen mehr Platz und der wird damit gewährleistet, dass einfach ein bisschen weniger Tiere eingestallt werden, also keine nennenswerte Verbesserung."
    Verbrauchertäuschung durch Aufkleber der Initiative Tierwohl
    Verwirrenderweise tragen manche Fleischpackungen der Kategorien eins und zwei zusätzlich Aufkleber der Initiative Tierwohl. Initiiert vom Einzelhandel erhalten dabei diejenigen Landwirte ein paar Cent mehr, die kleine Haltungsverbesserungen eingeführt haben. Der Bauernverband war ursprünglich dagegen, dieses Fleisch extra zu kennzeichnen aus Furcht davor, dass die konventionellen Züchter Einbußen erfahren könnten. Außerdem ist der Aufkleber unter Umständen auch auf Produkten, die das gar nicht verdienen, erklärt Britta Schautz von der Berliner Verbraucherzentrale:
    "Initiative Tierwohl ist eine Initiative die vom Handel gesponsert wird, und wenn EDEKA die Initiative Tierwohl sponsert, kann es auf seine Fleischprodukte dieses Siegel drauf drucken. Das muss dann aber nicht heißen, dass das Fleisch, das ich direkt in der Hand halte, aus einem Betrieb kommt. Und das ist für uns Verbrauchertäuschung."
    Neben dem Tierwohl-Hinweis verwirrt zudem ein Aufkleber, der garantiert, dass das Produkt ohne Gentechnik produziert wurde. Dieser hat mit der Fleischkennzeichnung von eins bis vier gar nichts zu tun hat. Unverständlich für die Kunden ist darüber hinaus, dass bei der neuen Fleischkennzeichnung vier das Beste und eins das Schlechteste ist. Bei der Eierkennzeichnung, die der Verbraucher inzwischen verstanden habe, sei es genau umgekehrt, kritisiert die Verbraucherzentrale. Bei den Eiern geht es los bei Null und Null ist Bio. Und Bio ist am teuersten, das gilt für Eier und Fleisch dann gleichermaßen. Ein Kilo Bio Rinderhack der Stufe vier, kostet zum Beispiel in der Netto-Filiale knapp neun Euro, der Stufe eins nur knapp sechs Euro.
    Fleisch der Stufe drei noch selten zu finden
    Die Stufe drei gibt es bislang selten, weder bei Rind-, noch bei Schweine- oder Geflügelfleisch. Da die Kriterien erst vor wenigen Monaten durch den Handel festgelegt wurden. Britta Schautz:
    "Bei den Masthähnchenprodukten erfüllen die Produkte, die die Stufe drei tragen, die Kriterien der Einstiegsstufen für den Deutschen Tierschutzbund, die nennt sich 'Für mehr Tierschutz'. Und das beinhaltet einerseits ein bisschen Außenklima, das heißt ein Kaltscharr-Raum ist vorgeschrieben, das heißt die Hühner können ein bisschen scharren und haben frische Luft, sie müssen aber nicht unbedingt draußen auf der Wiese sein."
    Bei Schweinen sind die Bedingungen ähnlich, Rinder kämen zumindest im Sommer sogar auf die Weide. Lidl, der Discounter, der als erster eine Fleischkennzeichnung eingeführt hat, nimmt in der Stufe drei in einigen Regionen aktuell Gulasch, Hackfleisch und Hamburger vom Weiderind im Sortiment auf. Auch Fleisch des Vereins Neuland würde die Bedingungen für die Stufe drei erfüllen. Hier werden die Tiere artgerecht auf Stroh oder auf der Weide gehalten, das Futter stammt aus der Region, es wird kein Glyphosat eingesetzt, aber es wird nicht unbedingt biologisch erzeugt. Aldi möchte in Zukunft mit Neuland kooperieren.
    BUND fordert gesetzliche Haltungs-Kennzeichnung
    Grundsätzlich begrüßt der BUND solche Entwicklungen, drängt aber auf eine gesetzliche Regelung. Produzenten und Verbraucher brauchen Sicherheit, erklärt Katrin Wenz:
    "Landwirte, die in ein anders Stallsystem investieren müssen, die müssen richtig Geld in die Hand nehmen und die brauchen vom Gesetzgeber ein Gesetz, das diese Haltung vorschreibt, damit sie sich daran orientieren können und damit sie nicht in irgendwas investieren, das möglicherweise keine Zukunft hat. Im Moment ist es so, dass eine weitere Kennzeichnung wenn sie freiwillig ist, nur weitere Verwirrung schafft."
    Lidl möchte auf freiwilliger Basis langfristig das komplette Frischfleischsortiment der Eigenmarken mindestens auf Stufe zwei "Stallhaltung Plus" umzustellen. Die Forderung der Verbraucherzentrale geht noch einen Schritt weiter: "Ein wirklicher Schritt hin zu mehr Tierwohl wäre natürlich, schon von vornherein festzuschreiben, es kommt nur noch Fleisch der Stufen drei und vier in den Handel. Und dieser Haltungskompass geht über in eine staatliche Tierwohlkennzeichnung und noch besser in eine Haltungskennzeichnung, so wie wir es aus dem Eiersystem kennen."
    Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hatte sich stets gegen eine Pflichtkennzeichnung der Haltungsbedingungen analog zu Hühnereiern ausgesprochen. Sie sei schwierig mit deutschem und EU-Recht in Einklang zu bringen. Die Bundesregierung plant lediglich ein freiwilliges dreistufiges Label, dessen Einstiegsstufe über dem gesetzlichen Standard liegen soll.