Es ist 12 Uhr, Zeit, den Hofladen zu öffnen. Sabine Schwalm schiebt einen großen Leiterwagen vor das Tor, an den Rand der Dorfstraße. "Rixmanns Hof" steht in großen Lettern auf dem quer über der Ladefläche montierten Schild. Darunter lagern Fußball große Kürbisse, orangene und grüne. Daneben liegen gelbgrüngestreifte Riesenzucchini.
"Das ist eine Sorte, die wächst ganz besonders groß. Costata Romanesco heißen die. Wenn sie klein sind, sind sie sehr lecker, und groß habe ich sie als Deko."
Rixmanns Hof befindet sich im brandenburgischen Linum, rund 60 Kilometer von Berlin. Das Dorf ist im Herbst ein Touristenmagnet, denn auf den Wiesen rund um Linum landen hunderttausende Kraniche auf ihrem Weg in den Süden. Für einen Direktvermarkter ist das ideal: "Wir machen sehr viel ab Hof, aber wir liefern auch an Restaurants, wir liefern in den Großhandel. Letztendlich kann jeder bei uns was kaufen."
Sagt Hofeigentümer Georg Rixmann. Im Garten vor dem Wohnhaus sieht es wie auf einem Wochenmarkt aus – auf in Tischhöhe gestapelten Gemüsekisten thronen die bunten Früchte des Herbstes, vor allem Kürbisse.
Harter Konkurrenzkampf
"Wir haben 150 Sorten Kürbisse, Und jetzt stellen Sie sich mal irgendeinen Supermarkt vor. Die haben gar keinen Platz. Die müssten ihre ganze Obst- und Gemüseabteilung leerräumen, und würden noch nicht alle Sorten da reinbekommen. Das ist aber auch so, dass wir für die Kunden dadurch attraktiv sind. Das ist eine Lücke, um als kleiner Betrieb gut leben zu können. Wenn ich ganz konventionell Sachen anbaue, habe ich einen viel härteren Konkurrenzdruck; so habe ich eine Alleinstellung."
Und die braucht man, wenn man wie Georg Rixmann nur knapp 16 Hektar Fläche bewirtschaftet. "Wenn ich da leben wollte mit Getreideanbau, wäre es heute nicht mehr möglich. Früher war das eine ganz normale Betriebsgröße, da hat eine ganze Familie von gelebt."
Rixmann ist kein zertifizierter Biobauer, aber er arbeitet nach eigener Einschätzung ähnlich wie die Bio-Kollegen. Neben den Kürbissen zieht er Gurken, Möhren, Tomaten, Rote Beete und Kohl, außerdem Pflaumen, Äpfel und Beeren. Seine Lebensgefährtin Sabine Schwalm bereitet daraus Marmeladen und Liköre, Sirup und Kräuteröle.
Georg Rixmann schreitet die Tischreihen im Vorgarten ab – an jeder Kürbiskiste klebt der Sortenname und ein Rezeptvorschlag: "Ich habe jetzt hier einen grünen Rondini und einen schneeweißen Baby-Boo. Die sind beide sehr lecker. Der Rondini hat ein sehr cremiges Fleisch, da kann man einfach einen Löffel Frischkäse reinmachen und löffelt das Fleisch mit dem Frischkäse aus."
Zum Krabben-Pulen nach Marokko - und zurück
Manche der Linumer Kürbisse kommen in Berliner Restaurants auf den Teller – ein klassisches regionales Produkt mit einer guten Umweltbilanz. Denn je kürzer der Lieferweg, je geringer die Emissionen beim Transport – zumindest theoretisch. Deutschland steht dabei insgesamt ganz gut da, denn ein großer Teil der hierzulande verzehrten Waren, insbesondere Molkereiprodukte, Getreide und Kartoffeln, Wurst und Fleisch, stammen aus Deutschland selbst. Dazu zählen allerdings auch Lebensmittel wie die Nordseekrabbe: die Meerestiere werden zum Pulen nach Marokko geschickt und dann wieder zurück geflogen.
Die Lieferung per Flugzeug ist besonders klimaschädlich. Obwohl nach einer Studie der Verbraucherzentrale Hessen weniger als ein Prozent der Lebensmittel mit dem Flugzeug eingeflogen werden, verursacht ihr Transport bis zu 16 Prozent aller Treibhausgase in diesem Bereich. Kommen Bananen oder Orangen dagegen mit dem Schiff aus Übersee, fällt die CO2-Bilanz pro Kilometer um über neunzig Prozent besser aus. Wegen der großen Entfernung verbrauchen sie allerdings immer noch elf mal so viel Energie wie einheimische Produkte.
Entscheidender für die Umweltbilanz ist allerdings immer noch, ob der Kunde mit dem Auto oder dem Fahrrad zum Supermarkt kommt. Und selbst der Kürbis aus Linum hat nur dann eine gute CO2-Bilanz, wenn die Berliner nicht extra zum Einkaufen einer kleinen Menge mit dem Auto ins Grüne fahren.
Billige Produkte, hohe gesellschaftliche Folgenkosten
"Wir wollen eigentlich die Leute dazu bringen, wieder selbst zu kochen und sich mit der Region und der Saison der Lebensmittel zu beschäftigen." Sagt Florian Niedermeier, einer der Betreiber der Markthalle 9 in Berlin Kreuzberg. In der traditionsreichen Halle werden viele saisonale Produkte aus der Region angeboten. Am Wochenende drängeln sich Einheimische und Touristen an den Ständen.
"Bei uns geht es darum, dass man bei kleinteiligen Strukturen Lebensmittel einkauft, möglichst frische Lebensmittel, unverarbeitet, und die dann eben selber verarbeitet."
Immer mehr Verbraucher sind bereit, für mehr Qualität auch tiefer in die Tasche zu greifen – zum Beispiel für Produkte aus biologischem Anbau. Trotzdem wandert immer noch fast die Hälfte aller Lebensmittel beim Discounter über die Ladentresen – und nicht selten werfen die Kunden dann das, was sie günstig erstanden haben, irgendwann in die Mülltonne, weil es nicht mehr frisch ist. Gerade bei jungen Menschen fehlt häufig das Bewusstsein, dass Lebensmittel wertvoll sind. Dabei sei billig nur an der Kasse billig, kritisiert Florian Niedermeier:
"Die hohen Folgenkosten für die Gesellschaft sind zum einen tatsächlich Umweltschäden durch Massentierhaltung und durch industrielle Landwirtschaft und durch Gifteinsatz. Auf der anderen Seite eben auch Gesundheitskosten. Dann ist es so, dass die Leute, die auf dem Land keinen Unterhalt mehr haben, ihren Betrieb aufgeben müssen und das dazu führt, dass mehr Arbeitslose an der Stelle sind."
Der Steuerzahler muss einspringen
Immer mehr Menschen verlassen die ländlichen Räume, zum Beispiel, weil die Landwirtschaft kaum noch Arbeitsplätze bietet. Um die Infrastruktur trotzdem am Leben zu halten, müsse letztlich der Steuerzahler einspringen.
"lnsofern ist es so, dass die billigen Lebensmittel nur für den Verbraucher an der Kasse günstig sind, aber für uns als Gesellschaft ist schon die Frage, ob man sich die billigen Lebensmittel dauerhaft leisten kann."
Mehr als 10.000 Betriebe in Deutschland erzielen zumindest einen Teil ihres Einkommens aus der Direktvermarktung – zum Beispiel mit einem eigenen Hofladen. Sie erhalten damit deutlich mehr für ihre Ernte, als wenn sie an den Großhandel liefern. Angesichts von rund 270.000 landwirtschaftlichen Betrieben agieren die Direktvermarkter aber eher in einer Nische – und ihre Anzahl nimmt weiter ab.
Nach einer Studie der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft lag der Anteil der Direktvermarktung an private Haushalte im Jahr 2015 bei circa vier bis fünf Prozent des Wertes der landwirtschaftlichen Erzeugung insgesamt. Dazu zählen die Obst- und Spargelstände am Straßenrand, Eier und Milchverkauf ab Hof oder der Gemüsestand auf dem Wochenmarkt.
Regionale Produkte im Supermarkt
"Wir schätzen es, dass die Konsumenten immer mehr regionale und saisonale Produkte nachfragen." Sagt Hermann-Onko Aeikens, Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium. Längst haben auch die Supermärkte auf den Trend reagiert. Viele bieten eine eigene Ecke oder einzelne Produkte aus der Region an.
"Das ist ein Trend, den wir außerordentlich begrüßen. Es schmälert Transportaufwendungen, wenn wir uns stärker regional und saisonal ernähren, es ist gut für die Umwelt, es hilft der Wirtschaft in der Region."
Insofern ist das ein Trend, den wir mit Fördergeldern unterstützen und den wir im Auge haben, auch wenn wir über Zukunftsstrategien für die Entwicklung unsere Landwirtschaft diskutieren. Wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb in die Regionalvermarktung einsteigen will, dann können wir ihm mit investiven Maßnahmen helfen, sei es Verkaufsräume et cetera. Unsere Landwirtschaftskammern, unsere Ämter bieten auch Beratung in diesen Fragen an. Der Landwirt wird nicht allein gelassen, und auch der Berufsstand ist aktiv."
"In meinen Augen ist die regionale Vermarktung, Direktvermarktung, eher untergeordnet. Die Europäische Union ist sehr exportorientiert, hat Interesse an internationalen Handelsabkommen, an den internationalen Märkten." Wendet die Europa-Abgeordnete Maria Heubuch von den Grünen ein. Sie bewirtschaftet selbst mit ihrer Familie einen Milchviehbetrieb im Allgäu. "In der zweiten Säule wird ein bisschen was gemacht für die Regionalvermarktung, aber das ist eher ein bisschen Beiwerk."
Regionalmärkte statt Globalmärkte
Gemeint sind die Gelder aus der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU. Aus der ersten Säule werden die Direktzahlungen an die Landwirte geleistet, aus der zweiten Säule werden Umweltprogramme und die ländliche Entwicklung finanziert.
"Solange wir so exportorientiert sind, auf die großen Weltmärkte spekulieren, daran unsere Politiken ausrichten, solange kommt man mit bisschen Förderung auch nicht weiter. Ich denke wir müssen die Gesamtausrichtung auf die Regionalmärkte und auf den europäischen Markt machen, dann kriegt das auch nochmal eine andere Dynamik. Wir haben ja den EU Binnenmarkt, wir wollen ja nicht in Nationalismen zurückverfallen. Ich komme aus einer Randregion, ich habe nichts dagegen, mal was nach Österreich zu verkaufen. Das was kontraproduktiv ist, das ist das Schielen auf die Weltmärkte, außerhalb von Europa auf die ganz großen Märkte."
Rund ein Drittel der landwirtschaftlichen Produktion in Deutschland geht in den Export, davon wiederum ein Drittel in den Weltmarkt außerhalb der EU. In den letzten zwölf Jahren hat sich der Geld-Wert der Agrarexporte insgesamt verdoppelt. Dabei entstanden auch neue Abhängigkeiten. Wenn auf dem Weltmarkt die Preise purzeln, wie zuletzt während der Milchkrise im Jahr 2016, vernichtet das hierzulande bäuerliche Existenzen.
"Wenn ich jetzt nochmal an den großen internationalen Markt, den Weltmarkt denke, da sind große Konzerne unterwegs, die eine massive Marktmacht haben, natürlich auch unsere Verarbeiter sind immer größer geworden, auch die haben eine massive Macht, und wir spielen hier nicht mehr auf Augenhöhe. Im Regionalen ist das viel besser ausgestaltet, man kennt einander, es ist nachvollziehbar, wie die Lieferketten sind, man redet miteinander."
EU will Verhandlungsposition der Landwirte stärken
Je überregionaler die Lieferwege, je schwächer die Position des Landwirts. Während Handel und Verarbeiter, also zum Beispiel die Molkereien, auch in Krisenzeiten gute Gewinne einfahren, muss meistens der Bauer die Krisen ausbaden. Jetzt hat sich die EU-Kommission des Themas angenommen. Im April 2018 präsentierte sie Vorschläge für eine Richtlinie, die die Verhandlungsposition der Landwirte stärken soll.
"Die Landwirtschaft steht am Beginn der Kette, und von der Landwirtschaft gehen die Produkte in den Handel, in die Verarbeitung et cetera, und da können wir schon beobachten, dass die Position der Landwirtschaft gegenüber den relativ großen Abnehmern eine vergleichsweise schwache ist." Hermann-Onko Aeikens vom Bundeslandwirtschaftsministerium begrüßt die Initiative der EU. Bestimmte Praktiken des Handels gegenüber ihren Lieferanten gelten inzwischen als unlauter und sollen verboten werden. Dazu zählt die kurzfristige Auftragsstornierung von verderblichen Waren oder wochenlanger Zahlungsverzug. Die Kommission will außerdem erreichen, dass bestellte Ware auch bezahlt werden muss und Mengenreduzierungen gegenüber der ursprünglichen Bestellung in Zukunft unzulässig sind.
"Das ist eine Frage der Verabredung, welche Mengen abgenommen werden," ergänzt Aeikens. "Wenn die Gurken geerntet worden sind, dann müssen sie auch in den Handel gebracht werden, und dann kann der Handel nicht sagen, ich brauche aber heute ein Drittel Gurken weniger. Es sind viele Kleinigkeiten, und dieses institutionell zu stärken zugunsten der Landwirte ist das Anliegen der Initiative der EU-Kommission, und das wird von uns auch begrüßt."
Widerspruch vom Lebensmitteleinzelhandel
"Aber nicht jedes Produkt läuft. Es ist grundsätzlich immer ein Risiko des Händlers alleine, wenn ein neues Produkt aufgenommen wurde. Wenn ein Hersteller bestimmte Produktmengen auch mit dem Handel vereinbart hat, dass die möglicherweise nicht erreicht werden, dann muss nachverhandelt werden, sonst bleiben die Produkte ja auch im Regal stehen", entgegnet Kai Falk, Geschäftsführer Kommunikation des deutschen Handelsverbands.
Dass die Großen Vier des Lebensmitteleinzelhandels, also Edeka, Rewe, Aldi, und die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland von unlauteren Handelspraktiken profitierten, bestreitet er: "Grundsätzlich halten sich alle Händler an das Gesetz. Für den Handel ist oftmals eine Regel sinnvoll, die Zahlungsziele zu verlängern; das volle Risiko, dass bestimmte Produkte nicht verkauft werden, sich zu teilen mit den Lieferanten, das halten wir für legitim und gesetzeskonform."
Kai Falk vom Deutschen Handelsverband findet, dass die Initiative der EU am falschen Ende ansetzt. "Zunächst mal gibt es in den allerwenigsten Fällen die direkte Vertragsbeziehung zwischen den großen Handelsketten und den Bauern bei bestimmten Produkten; das sind zum Beispiel Milchprodukte. Der Landwirt verkauft seine Milch oftmals an Molkereibetriebe, das sind auch größere Unternehmen, und die stellen dann die Produkte her, die dann zum Handel kommen."
Bedenken gegen eine Regulierung - auch vom Kartellamt
Einige deutsche Molkereien sind zu großen Konzernen herangewachsen. Deutsches Milchkontor DMK und die Unternehmensgruppe Theo Müller zum Beispiel stehen auf Platz vier und fünf der umsatzstärksten Lieferanten an den deutschen Lebensmitteleinzelhandel. Sie rangieren nur knapp hinter dem Fleischlieferanten Tönnies, Oetker und dem Schweizer Konzern Nestlé, dem größten Lebensmittelkonzern der Welt. Dass diese Unternehmen Unterstützung beim Aushandeln besserer Verträge brauchen, kann man sich nicht so recht vorstellen:
"Das Ziel, das die EU anstrebt, nämlich dass es den Landwirten besser geht, das unterstützen wir. Wir denken aber, dass die Umsetzung, die jetzt angestrebt wird, dass das nicht dazu führen wird, dass es am Ende den Bauern besser geht. Der Handel braucht eine gesunde Landwirtschaft, weil wir natürlich daran interessiert sind, dass qualitativ hochwertige und bezahlbare Produkte in die Regale gestellt werden können. Allerdings setzt die Richtlinie, die die EU nun auf den Weg bringen möchte, auf die Vertragsbeziehungen zwischen dem Handel und großen Industriekonzernen der Lebensmittelindustrie an. Da sehen wir überhaupt keinen Handlungsbedarf. Und selbst wenn dort weiter reguliert wird, führt das am Ende zu höheren Preisen, ohne dass dem Landwirt geholfen wäre."
Auch das deutsche Kartellamt befürchtet, dass der von der EU-Kommission angestrebte Katalog von Vorschriften letztlich das freie Agieren der Marktakteure behindern kann. Bernd Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands, wünscht sich mehr Marktmacht für die Zusammenschlüsse der Landwirte selbst. Und zwar auch dann, wenn sie so groß sind wie die Molkerei Deutsches Milchkontor DMK:
"DMK ist natürlich ein großes Unternehmen. Aber wir haben trotzdem in vielen Produktbereichen, gerade in der Milch, die Situation, dass wir viele kleine und mittlere Anbieter haben. Und DMK ist jetzt nicht in der Position, den Markt alleine bestimmen zu können. Die klassische Situation aus den Jahren 2015, 2016, aber auch 2008, 2009 ist so: Ein Lebensmittelhändler macht eine Trinkmilchausschreibung, und 22 kleine, mittlere, große Molkereien balgen sich um die Menge und unterbieten sich gegenseitig im Preis."
Nachteil für Landwirte?
Eine Situation, bei der der Handel der lachende Dritte ist und sich den günstigsten Anbieter aussuchen kann.
"Das ist eine Situation, die kann man dadurch vermeiden, indem man den Erzeuger-Zusammenschlüssen oder Genossenschaften – auch den kleineren – gestattet sich zu bündeln und zu sagen, wir machen jetzt mal für ein spezielles Käseprodukt oder für Quark oder für Milch oder auch meinetwegen für eine bestimmte Sorte Äpfel, machen wir eine Vermarktungsgemeinschaft und bringen das gemeinsam auf den Markt. Und diese Möglichkeit fehlt uns."
Solche Zusammenschlüsse könnten möglicherweise den Milchpreis stabilisieren und eine schwere Krise wie vor zwei Jahren besser abfedern.
"Was ich damit sagen will, ist, dass wir sozusagen in der Bündelung und im Zusammenschluss von Erzeugern und Erzeugerorganisation einen Weg sehen, auf gleiche Augenhöhe mit den Abnehmern in der Ernährungsindustrie und im Lebensmittelhandel zu kommen. Und hier stoßen wir auf kartellrechtliche Grenzen. Hier sagt das Kartellrecht, den stark konzentrierten Lebensmittelhandel, den akzeptieren wir so, wie er ist. Aber euch, liebe Ernährungsindustrie und euch, liebe Landwirte, gestatten wir nicht, euch stärker zusammenzuschließen und auch Absprachen zu treffen, weil das kartellrechtlich nicht in Ordnung ist. Und das ist ein Punkt, der ist aus unserer Sicht unhaltbar, und hier muss man ans Kartellrecht ran."
Das deutsche Kartellamt widerspricht dieser Einschätzung. Schließlich enthielte die Agrarmarktordnung der EU schon jetzt zahlreiche Sonderregeln für Landwirte und Erzeugergenossenschaften, um Preisabsprachen für Agrarprodukte zu treffen.
Mehr Schutz für Bauern gefordert
Die Europaabgeordnete der Grünen, Maria Heubuch, bezweifelt darüber hinaus, dass tatsächlich die Bauern profitieren, wenn die Molkereien enger zusammenarbeiten dürfen. Vielmehr müsse man die Landwirte auch vor den Lebensmittelkonzernen und sogar den eigenen Genossenschaften schützen.
"Für die gilt das im Besonderen, dass sie mit ihren kleineren Marktpartner auch in Zukunft fair umgehen." Tatsächlich sollen die Regeln gegen unfaire Handelspraktiken auch für Genossenschaften gegenüber ihren Mitgliedern gelten. Und das scheint auch nötig zu sein:
"Viele Genossenschaften haben übrigens das operative Geschäft längst in einer GmbH oder Aktiengesellschaft drin und arbeiten nicht immer im Sinne ihrer eigenen Mitglieder. Das operative Geschäft hat man längst ausgelagert, da geht es dann um ganz andere Interessen."
Eine Aktiengesellschaft ist ihren Aktionären verpflichtet – sie will vor allem Gewinn machen. Und der ist umso größer, je weniger die Genossen für ihre Produkte bekommen.
Der Direktvermarkter bestimmt die Regeln selbst
Im Vorgarten von Rixmanns Hof hat eine Kundin ein paar orangengroße Kürbisse ausgesucht.
"Ich nehme diese beiden, und hiervon jeweils zwei und davon jeweils zwei."
"Ja, machen wir."
"Das muss ich wiegen, das sind keine Stückpreise, geht alles nach Kilo. Das ist 2,28 – die anderen vier zusammen wären für 2,52."
Georg Rixmann verstaut die Kürbisse im Rucksack der Kundin. Für unfaire Handelspraktiken interessiert er sich nicht weiter. Denn als Direktvermarkter bestimmt er die Regeln selbst.
Zum Vorstoß der EU gegen unlautere Handelspraktiken soll bis zum Jahresende eine politische Entscheidung fallen. Ob die Landwirte tatsächlich mehr verdienen, wenn sie vor dem Lebensmitteleinzelhandel und den Molkereien besser geschützt sind, bleibt abzuwarten.